König Friedrich II. spielte auf seinem Lieblingsinstrument, der Flöte, eine kurze Melodie und bat seinen Gast Johann Sebastian Bach um eine Improvisation. Der antwortete spontan mit einer Fuge; später, nach Leipzig heimgekehrt, komponierte der Thomaskantor dann eines seiner großartigen Spätwerke, „Ein musikalisches Opfer“, das er höchst devot dem Monarchen zusandte. Bedauerlicherweise hat der Widmungsträger nicht reagiert, vielleicht war ihm das alles viel zu kompliziert, wie nicht nur den königlichen Häuptern bis zum heutigen Tag. Jordi Savall und Le Concert des Nations präsentierten das Werk nun im Rahmen des Musikfestes in Unser Lieben Frauen.
Es ist wirklich nicht einfach, diesem Musikbuch, das gleichzeitig auch Lehrbuch ist, Seite um Seite zu folgen, denn der alternde Bach vermochte in zwei Fugen, neun Kanons, einer Fuga canonica und einer viersätzigen, herrlichen Triosonate sein kompositorisches Können wie in einem Brennspiegel zusammenzufassen und dabei in bis dahin unerreichte architektonische und klangliche Dimensionen vorzudringen. Da keine originale Besetzung überliefert ist, sind immer wieder verschiedene Instrumentationen erschienen.
Altmeister Jordi Savall hat für sein Ensemble Le Concert des Nations eine sehr abwechslungsreiche, relativ eingängige und klanglich ausgewogene Fassung geknüpft, die das Konstruktive des Werks in lebendige und klangschöne Musik überführt.
Dieses Musikfestkonzert, das die Philharmonische Gesellschaft auch als erstes Kammerkonzert der neuen Saison ausgewählt hatte, fand in Unser Lieben Frauen ein konzentriert hörendes Publikum, zumal die sieben Interpreten das Eindringen in Verlauf und Substanz des komplexen Werkes
wesentlich erleichterten. Der feinsinnige Cembalist Pierre Hantei, stets eine feste Burg für Aufriss und subtile Deutung, die Geiger David Plantier und Mauro Lepes, Xavier Puertes (Violine), Baláze Máte (Violoncello) und der mit leuchtendem Flötenspiel begeisternde Marco Hantei musizierten mit sorgsam pointierender Beweglichkeit. Und wenn dann der Leiter Jordi Savall auf Diskant- oder Bassviola warme und wendige Zaubertöne einfügte, war das Bach-Wunder kaum noch zu toppen.