Die Eighties-Popper werden zu "Night People": Human League sind wieder da.
Es ist nicht unbedingt ein Comeback, auf das man gesetzt hätte: The Human League, die 1981 mit "Don't You Want Me" einen der größten Pophits Englands hatten und in den letzten zehn Jahren ausschließlich mit ihren alten Hits tourten, sind zurück - in der gewohnten Besetzung mit Philip Oakey, Joanne Catherall und Susan Ann Sulley. Dieser Tage erscheint ihr Album "Credo", eine Konzertreise soll folgen. Im Interview zeigen sich die Drei als eloquente und durchaus bissige Gesprächspartner, die keine Angst vor Selbstironie haben.
teleschau: Sie haben mit "Into The Night" einen Song aus dem Album ausgekoppelt, der direkt auf die Disco abzielt und auf das, was dort so passiert. Ein Motiv, das im weiteren Verlauf der Platte immer wieder auftaucht ...
Philip Oakey: Wissen Sie, es ist ein gutes Themengebiet. Etwas, das nicht zu kompliziert ist. Und es ist natürlich etwas, das auch in einer Disco laufen kann. Das war uns wichtig. In England werden die Leute uns dafür vermutlich hassen. Dort ist das Publikum völlig zufrieden, wenn wir die größten Hits der 80er-Jahre spielen. Sie legen keinen Wert auf neues Material. Nicht, dass wir uns missverstehen: Wir könnten das. Unsere alten Hits sind gute Popsongs. Aber es ist nicht das Spannendste der Welt, sie Abend für Abend zu wiederholen.
teleschau: Sie haben sich in einer Disco kennengelernt ...
Susan Ann Sulley: Joanne und ich standen da herum, er kam her und sagte: '"Hallo, ich bin Philip Oakey von The Human League. Ich habe dich und deine Freundin tanzen gesehen. Wir touren bald durch Europa und benötigen zwei Sängerinnen." Er gab uns einen Zettel mit den einzuübenden Songs und den Terminen und seiner Telefonnummer. Das Lustige: Für das erste Konzert, bei dem wir mitspielten, hatten wir sogar schon Tickets gekauft!
Joanne Catherall: Wir hatten keinerlei Erfahrung mit dem Business, wir waren schließlich noch in der Schule. Wir verbrachten aber sehr viel Zeit in der Disco und hingen in Plattenläden herum. Als wir jung waren, war das unser Lebensinhalt.
teleschau: Sie sagen das mit so einer Art Verteidigungshaltung.
Catherall: Ich möchte nur erklären, um was es damals ging. Es gab kein Internet, keine PlayStation, keine X-Box. Es gab ja noch nicht einmal Fernseher. Wenn man damals einen Film anschauen wollte, ging man abends ins Kino, und das war eine große Sache. Daheim blieb die Musik. Und Bücher. Aber das war eine andere Parallelwelt.
teleschau: Wie viel ist in Ihrem Leben von der Disco geblieben?
Sulley: Wenn ich mir unseren heutigen Freundeskreis anschaue, stelle ich fest: Die meisten Leute haben wir übers Ausgehen kennengelernt. Und ich gehe immer noch gerne aus. Es hat sich jetzt natürlich etwas verschoben. Wir treffen uns jetzt eben in Bars oder gehen in ein schönes Restaurant. Man wird eben älter.
Oakey: Ich war bis vor ein paar Jahren Single. Und ich bin mit einem Freund sechs Mal pro Woche weggegangen. Irgendwann hatte ich wieder eine Freundin und einen Hund. Der Hund wollte morgens raus. So habe ich damit aufgehört. Dabei habe ich eine Zeit lang sogar aufgelegt. Es schien mir eine ehrenhafte Art und Weise zu sein, Geld zu verdienen und gleichzeitig den Leuten obskure Eighties-Hits näherzubringen. Leider konnte ich keine Übergänge zwischen den Songs. Wenn ich mixte, klang das wie zwei Elefanten, die zusammenstoßen.
teleschau: Sie haben als Wave-Band angefangen, spielten in schäbigen Clubs. War Ihnen Erfolg in den ersten Jahren wichtig?
Oakey: Unbedingt. Wir gingen davon aus, dass wir über Nacht zu Stars werden könnten. Wissen Sie, es war damals möglich. Es waren die Nachwehen des Punks. Alles war möglich. Aber es war auch ein bisschen gefährlich.
teleschau: Warum?
Oakey: Man wurde die ganze Zeit mit Sachen beworfen. In Deutschland war das übrigens am schlimmsten. Wir waren mit Iggy Pop unterwegs, das muss 1979 gewesen sein. Iggys Drummer wurde bewusstlos, als ihn eine volle Bierdose traf. Und auch wir haben einiges abbekommen. Es gab Konzerte, nach denen der komplette Veranstaltungsort verwüstet war. So etwas passiert heute nicht mehr.
teleschau: Was war der Grund? Die Lust am Chaos oder Ihre Musik, die mit Punk nicht so arg viel zu tun hatte?
Oakey: Jeder hat's gemacht. Es war einfach die Zeit. In der ganzen Gesellschaft hatte sich ein Gefühl der Verzweiflung breitgemacht. Die Erwachsenen verstanden die Kids nicht, die Arbeitslosigkeit war immens hoch, überall wurden Betontürme hochgezogen. All das brauchte ein Ventil. Ich sage gerne: Der Zweite Weltkrieg endete in England 1978.
Sulley: Unter Maggie Thatcher wurde es dann noch schlimmer. Aber gerade deshalb gab es viele Bands, viele Künstler. Das war ein Ausweg.
teleschau: Sie hatten kurze Zeit später mit "Don't You Want Me" einen großen Hit - und verließen den Punk-Zirkus mit dem Schnellaufzug. Was für ein Gefühl war das?
Catherall: Es war sehr nicht unbedingt einfach für uns. Einmal ist das natürlich etwas, das du dir als Band wünschst. Andererseits stellst du plötzlich fest: Mit dieser Art Erfolg geht auch eine gewisse Ratlosigkeit einher. Wenn man ein paar Millionen Singles verkauft, kann es nur abwärtsgehen.
Oakey: Es ist einfach der wichtigste Song unserer Laufbahn. Ich fand ihn nicht einmal besonders gut, als wir ihn aufnahmen. Mainstream halt. Aber mir war klar, dass er ziemlich erfolgreich sein würde. Mit einigen Nebenerscheinungen dieses Erfolges rechnete ich jedoch nicht. Vorher schrieben mir Linguistik-Studentinnen Fanpost, in der sie über meine Texte diskutieren. Das genoss ich. Wir hielten uns für eine Indie-Band, verglichen uns mit Joy Division oder später New Order. Das war auf einen Schlag vorbei. Wir waren uncool geworden.
teleschau: Wie zeigte sich das?
Oakey: Irgendwelche Idioten, die dich vorher nicht mit dem Hintern anschauten, gaben Dir Ratschläge wie "Schreib' doch einfach noch 'nen Hit". Ach! Und Anton Corbijn, der uns eigentlich fotografieren wollte, hatte angeblich keine Zeit mehr für uns. Natürlich waren wir ihm nur zu berühmt geworden.
teleschau: Bitte? Er fotografierte U2 ...
Sulley: Das ist ein Unterschied. U2 machen Rockmusik. Kredible Rockmusik. Wenn man eine Gitarre hat, eine Jeans und eine Sonnenbrille trägt, wird man ernster genommen, als wenn man am Synthesizer steht. Dabei vereinen Bono und U2 wirklich alles, was ich an Popmusik hasse.
Oakey: (lacht ironisch) Sie haben einige gute Songs geschrieben - sagt man!
teleschau: Was mögen Sie denn an kontemporärer Popmusik?
Oakey: Mir gefällt Kesha, weil sie sich nicht sehr viel zu sagen lassen scheint. Natürlich kann man sie ein bisschen prollig finden, und ich verstehe auch, dass manchen diese massive Art der Produktion mit Autotune und tausend anderen Effekten nicht gefällt. Aber ich finde, dass sie ein schöner Gegenentwurf zu vielen anderen Sängerinnen ist. Nehmen sie jemanden wie Katy Perry. Die zeigt immer nur ihre Brüste. Ihr Dekolletee ist ihr Erfolgsgeheimnis. Mehr ist da nicht, achten sie mal darauf! Ich finde es gut, dass es Sängerinnen gibt, die mit ihrer Sexualität nicht so hausieren gehen.
Catherall: Ich höre viel Radio und kaufe kaum mehr Musik. Aber ich mag zum Beispiel Richard Hawley sehr gerne, der wie wir aus Sheffield kommt.
teleschau: "Credo" erscheint beim angesagten Indie-Label "Wall of Sound". Macht es Ihnen keinen Spaß mehr, mit großen Firmen zusammenzuarbeiten?
Sulley: Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass wir nicht sehr gut sind, wenn es darum geht, mit diesen großen Labels zusammenzuarbeiten. Wir sind sehr idealistisch und können mit diesen Menschen einfach nicht. Der Vertrag mit Wall of Sound passierte auch eher durch Zufall. Das war nie etwas, das wir forcierten.
Oakey: Im Übrigen hat uns auch keine große Plattenfirma gefragt.