Mehr Poesie braucht die Politik. Deswegen fordern die beiden Autorinnen Mithu Sanyal und Simone Buchholz und der Autor Dmitrij Kapitelman die Einführung eines Parlamentspoeten im Bundestag. Dichter gesucht (m/w/d)!
Andere machen es bereits vor: Das kanadische Parlament zum Beispiel vergibt seit 2001 für jeweils zwei Jahre die Position des Poeta Laureatus. Die britische Nationaldichterin Carol Ann Duffy hat 2010 David Beckham ein Gedicht gewidmet, als der sich an der Achillessehne verletzte – eine Ode an einen Nationalhelden. Und auch die USA haben ihre eigenen Hofdichter. Mit ihrem Auftritt bei der Vereidigung von Präsident Joe Biden hat die junge Lyrikerin Amanda Gorman international für Aufsehen gesorgt.
Hierzulande dagegen ist der Große Zapfenstreich das Mittel der Wahl für besondere Ereignisse. Doch wer sich noch immer von preußischer Militärmusik den Marsch blasen lässt, braucht ganz dringend Nachhilfe in Themen der kulturellen Bildung. Bei der ganzen Polemik, die im Reichstag gerne mal zu hören ist, täte ein wenig Poesie sicherlich gut. Bewerber sollten allerdings kein Problem damit haben, sich beim Publikum unbeliebt zu machen. Stoische Ruhe und ein Hang zu politischer Korrektheit? Sie haben die Stelle. Und auch Olaf Scholz könnte sich von Reimen und Rhythmus inspirieren lassen: mehr Sonett, weniger Scholzomat.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende und Vize des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, findet die Idee schon mal super und verspricht, sich dafür einzusetzen. Die Öko-Partei hat allerdings einen manchmal etwas überschießenden Hang zu Kunst und Kultur. Mit ihrem Musikvideo "Ein schöner Land" haben die Grünen um Stimmen für die Bundestagswahl werben wollen. Nur standen sie damit allein auf weiter Flur: Es gab einiges an Spott für den Spot.
Die Stelle des Parlamentspoeten könnte also auch intern besetzt werden, mit Robert Habeck zum Beispiel. Der grüne Wirtschaftsminister kann nicht nur Politik, sondern auch Prosa und Poesie. Mit seinem Werk "Das Land in mir. Gedichte und Photographien" hat der promovierte Literat das Thema ja schon mal getroffen. Freilich eine sinnstiftendere Nebentätigkeit als die so manch anderer Abgeordneter.