Bremervörde/Bokel. Die Stiftung Lager Sandbostel will an diesem Donnerstag, 13. April, ab 14.30 Uhr auf dem Vorplatz des Bahnhofs in Bremervörde eine weitere Gedenkstele einweihen. Sie soll an den Todesmarsch von KZ-Häftlingen von Farge nach Sandbostel erinnern. Abschließend besteht die Möglichkeit, Blumen und Gestecke niederzulegen. Musikalisch wird die Veranstaltung von Christian Suter (Gitarre) begleitet.
Bereits am Dienstag hat die Stiftung Lager Sandbostel gemeinsam mit der niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens (SPD), Beverstedts Bürgermeister Guido Dieckmann und Vertretern der Kirche sowie örtlichen Vereinen und Gruppen eine Stele am Denkmalplatz in Bokel eingeweiht. Der Basdahler Johann Dücker erlebte als junger Mann die Tötung von zwei der geschundenen Gefangenen persönlich und berichtete dort: „Ich habe gesehen, wie einen Häftling durch einen Genickschuss getötet wurde“ berichtet der 87-Jährige, der von den Ereignissen bis heute erschüttert ist. Auch sein Vater war seinerzeit sehr betroffen und konnte die folgenden Handlungen nicht mit ansehen. „Zwei Soldaten des Begleitkommandos verscharrten die Getöteten notdürftig“ erinnert sich der Senior und sieht es als seine Pflicht an, über die Ereignisse zu berichten, „bevor ich die Augen für immer schließe“. Da die Stelle mit den Getöteten später trotz Nachsuche nicht gefunden wurde, stiftete Dücker später einen Gedenkstein, der auf den Ort der Taten in Volkmarst hinweist.

Der Basdahler Johann Dücker war als Zeitzeuge zu Gedenkveranstaltung in Bokel gekommen. Durch sein Engagement erinnert ein Gedenkstein in Vokmarst an die grausamen Geschehnisse im Frühjahr 1945.
Anfang April 1945, nur wenige Wochen vor dem Kriegsende, sind wegen des Vormarsches der alliierten Truppen im Westen die Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme westlich der Weser in Wilhelmshaven und Meppen sowie die Außenlager im Bremer Stadtgebiet von der SS geräumt und in das Außenlager Farge nördlich von Bremen verlagert worden. Ziel war der Abtransport der Häftlinge in das Stammlager Neuengamme. Am 10. April 1945 mussten die KZ-Häftlinge in mehreren Gruppen einen Todesmarsch antreten, der sie von Farge über Schwanewede, Meyenburg, Uthlede nach Hagen im Bremischen führte, wo der Transport in einer Ziegelei übernachtete.
Demut und Trauer
Die SS trieb die geschwächten KZ-Häftlinge in Kolonnen ohne Versorgung durch die Dörfer und Städte. Am 11. April 1945 durchquerte der Transport Bramstedt und Bokel und machte an der Bahnstation Stubben Halt, um Verwundete und Kranke in einen Zug zu verladen. Der Marsch ging weiter über Beverstedt bis Kirchwistedt, wo die Häftlinge auf einem Bauernhof übernachteten. Am 12. April marschierten die Häftlinge dann über Volkmarst und Basdahl bis Barchel, wo in einer Scheune abseits der Hauptstraße übernachtet wurde. Am 13. April erreichte der Transport Bremervörde, wo die Häftlinge am Bahnhof in einen Zug verladen wurden, der sie über Stade und Harburg nach Winsen (Luhe) brachte, von wo aus die Häftlinge zu Fuß zur Elbe marschieren mussten und mit der Fähre nach Neuengamme übergesetzt wurden. Kranke und nicht mehr marschfähige Häftlinge wurden in das KZ-Auffanglager im Stalag X B Sandbostel gebracht. Nach zwei Tagen im Konzentrationslager Neuengamme wurden die Überlebenden des Todesmarsches aus Farge dann mit der Bahn nach Lübeck transportiert und auf die Cap Arcona verladen, bei deren Untergang in der Neustädter Bucht die meisten von ihnen starben.
Innenministerin Behrens zeigte sich in ihrer Ansprache überrascht, dass 40 Prozent der Schüler heute mit dem Begriff Holocaust nichts anfangen könnten. „Erinnerung hat kein Verfallsdatum“, so Behrens und mahnte zu Demut und Trauer beim Gedenken an die Naziverbrechen. Auch Bürgermeister Dieckmann erinnerte an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte. „Wir wollen gerade in der heutigen Zeit Erinnerungspunkte setzen“, erklärte Dieckmann und betonte mit Blick auf die Ukraine, „das Friede und Freiheit keine Selbstverständlichkeit mehr sind“.
Der Gedenkstättenpädagoge Lars Hellwinkel, der auch in Bremervörde sprechen wird, rief die grausamen Geschehnisse am 11. April 1945 um den Todesmarsch in Erinnerung. Schließlich spannte Pastor Jan-Matthias Flake den Bogen aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Stellvertretend für die Konfirmanden der Kirchengemeinde las die 14-jährige Lysann Schröder aus der Schulchronik zum Thema. Die Veranstaltung fand nach der Kranzniederlegung ihren Abschluss im Bokeler Schullandheim. Hier berichtete der Arbeitskreis Ortsheimatpflege aus der Bokeler Chronik.
Zwar seien die Todesmärsche damals sichtbar für die Bevölkerung gewesen, heißt es von der Stiftung, doch kaum etwas erinnerte an die Route und die Gräber entlang der Strecke. Mit 13 Stelen hole das Projekt „Todesmarsch Farge – Sandbostel“ die einstige Marschroute und die Todesmärsche aus ihrer Unsichtbarkeit hervor. Möglich geworden sei das Projekt durch eine Finanzierung des niedersächsischen Kultusministeriums im Rahmen des Förderprogramms „75 Jahre Demokratie in Niedersachsen. Alles klar!?“ Gemeinsam mit der Berufsschule Osterholz-Scharmbeck, Unesco-Projektschule, sowie den Waldschulen Schwanewede und Hagen-Beverstedt und der Oberschule Geestequelle in Oerel konnte das Projekt realisiert werden.