Stuhr-Brinkum. Auf die Frage hat Joachim Rendigs scheinbar nur gewartet. Lange muss er daher nicht überlegen, wie sich in den 20 Jahren seit Gründung seiner Zahnarztpraxis in Brinkum die Zahngesundheit entwickelt hat. Er ist bemüht, es mit Bedacht auszudrücken: „Durch elektrische Zahnbürsten und bessere Prophylaxe hat sich einiges getan, der Großteil der jungen Erwachsenen hat deshalb keine Füllungen mehr. Aber bei Schülern merken wir leider wieder, dass es an der notwendigen Pflege mangelt.“ Er kenne Klassen, da sei die Hälfte der Kinder dringend behandlungsbedürftig. Gerade erst habe er wieder den kompletten zweiten Jahrgang der Grundschule Brinkum vor der eigentlichen Sprechzeit untersucht.
So differenziert sein Urteil ausfällt, so sehr ist die Geschichte seiner Praxis bis dato von Veränderungen geprägt gewesen. Mitte November 1998 war Rendigs erster Mieter an der Syker Straße 40. „Die andere Hälfte war noch gar nicht fertig, vieles war noch provisorisch“, erinnert er sich an die Anfänge im Gebäudekomplex. „Eigentlich wollte ich ja nach München, aber ich war ein paar Tage da, und der Funke ist irgendwie nicht übergesprungen“, erklärt er seine Standortwahl. Also blieb er in der Heimat, wo sein Vater Hermann bekanntlich einst Gemeindedirektor war.
Gestartet ist Joachim Rendigs nach Studium und Doktorarbeit an der Medizinischen Hochschule Hannover und zehn Jahren in einer Gemeinschaftspraxis in Moordeich als einziger Arzt in seinen eigenen Räumen. Und mit fünf Mitarbeiterinnen. Mittlerweile hat er zwölf – sowie seit zwei Jahren mit Stefanie Feldmann eine Ärztin an seiner Seite, mit der er sich die Behandlungen im Schichtsystem teilen kann.
Nach einer wie ihr hat er nach eigenen Angaben lange suchen müssen. Fast fünf Jahre, um genau zu sein, und das kostspielig deutschlandweit über eine Agentur. Schließlich fanden der 56-Jährige und die 32-Jährige beruflich zusammen. Ein gemeinsames Hobby haben der – noch – zweifache Familienvater und die gebürtige Bremerin und Tochter eines Zahntechnikers aus Arsten, die in Kiel ihren Master gemacht hat, nun mit ihrem Mann in Süstedt lebt und vorher Assistenzen in Bruchhausen-Vilsen und Hoya durchlief: das Surfen. Der Unterschied: Er nutzt dabei gern den Wind, sie reitet gern auf der Welle.
Stefanie Feldmann arbeitet – vorerst – als Angestellte für Rendigs. Der sagt: „Die Einzelpraxis ist ein Auslaufmodell.“ Zu schwierig seien Neugründungen angesichts der hohen Kreditanforderungen der Banken geworden. Dass es eine Zahnärztin und kein männlicher Kollege werden würde, ist für Rendigs auch einem Trend geschuldet: „Die neuen Jahrgänge bestehen zu 85 Prozent aus Frauen, die haben einfach die besseren Noten.“
Rein weiblich ist auch das Praxisteam. Ist es ähnlich schwierig, dafür neues Personal zu finden? „Nein, weil wir unseren Nachwuchs selbst generieren“, verweist er auf die aktuell zwei, ab dem Sommer drei Auszubildenden Zahnmedizinischen Fachangestellten. Aber die Zeiten, in denen er 120 Bewerbungen auf eine Stelle gehabt habe, seien definitiv vorbei.
Für die Zukunft ist Rendigs aber nicht bange. Die Lage im Stadtrand-Bereich biete eine gute Perspektive – und einige Vorteile: „Bei uns gibt es immer genug Parkplätze.“ Einige Patienten kommen genau deshalb aus der nahen Hansestadt, aber sogar bis aus Hannover. Selbst aus dem französischen Toulouse hatte man einst jemanden in der Kartei: eine Airbus-Angestellte.
Joachim Rendigs und Stefanie Feldmann machen mitunter auch Hausbesuche. Die aber nur in der Nähe: Mit einem örtlichen Pflegeheim wird kooperiert, dort werden die älteren Menschen direkt versorgt, soweit es geht. „Wenn die Zähne raus müssen, machen wir das natürlich hier“, erklärt sie. Für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sind die Praxisräume dafür barrierefrei erreichbar. Und eine Teilzeitkraft bringt ihr zufolge sogar Erfahrungen im Bereich ambulante Pflege mit.
Einen generationsbedingten Wechsel stellt Rendigs in den Mündern der Region fest – insbesondere in den Senioreneinrichtungen: Der Gebissträger stirbt aus. Oder wie er es ausrückt: „Die Ersten mit Implantaten kommen in den Heimen an.“ Hatte er es, als er anfing, noch fast ausschließlich mit herausnehmbarem Zahnersatz zu tun, haben bei ihm in der Praxis nun rund zwei Drittel der Patienten feste Teile. Goldlegierungen seien out, Zirkon wiederum das Material der Zukunft. „Da macht Porsche Bremsscheiben draus“, unterstreicht er die Belastbarkeit. Metallstücke, die durchschimmern, sollen dank Vollkeramik-Implantaten auch nicht mehr nötig sein. Sogenannte Intraoral-Scanner, das ergänzt Stefanie Feldmann, machen zudem unangenehme Kieferabdrücke hinfällig. Und das umstrittene Amalgam wird laut Rendigs bei ihm schon seit fünf Jahren nicht mehr verwendet – obwohl er es bis vor einer Weile noch komplett hätte nutzen dürfen.
Er setzt in der Zusammenarbeit inzwischen ausschließlich auf deutsche Labore, auch wenn die teurer sein mögen. „Im Ausland sind die wenigsten Fälle gut gegangen“, sagt er. Bei ihm wiederum soll „Sterilität wie im Krankenhaus“ der gelebte Standard sein, man halte sich streng an die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts: „Alles wird bei 140 Grad gereinigt.“
Gretchenfrage zum Abschluss: herkömmliche Zahnbürste oder unbedingt eine elektrische? Beide Ärzte empfehlen klar Letzteres. „Aber mit Drucksensor“, rät Stefanie Feldmann – egal ob für Kinder mit Nachholbedarf, die vorbildlichen jungen Erwachsenen oder die letzten Gebissträger im Pflegeheim.