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OVG-Entscheidung Stuhr unterliegt im Gewerbe-Streit mit Delmenhorst

Bremen und seine Nachbarn sind im Kommunalverbund organisiert. Trotzdem gibt es immer wieder Streit um Gewerbeansiedlungen. Nun hat dazu das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht eine Entscheidung getroffen.
10.02.2023, 14:07 Uhr
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Stuhr unterliegt im Gewerbe-Streit mit Delmenhorst
Von Jürgen Hinrichs

Die Nachbarn sind sich spinnefeind, und wieder einmal geht es ums Gewerbe. Delmenhorst und Stuhr streiten seit Jahren um die Ansiedlung eines großen Fachmarktes für Sportartikel. Jetzt gibt es dazu eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG). Die Lüneburger Richter haben den Bebauungsplan und die darauf fußende Genehmigung für den Bau der Decathlon-Filiale als unwirksam verworfen. Das geht aus einer Mitteilung von Freitag hervor. Der Beschluss ist ein Erfolg für Delmenhorst, genauso aber auch für Bremen und den Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen, die sich ebenfalls gegen das Projekt gestellt hatten.

Delmenhorst sieht das Gebot verletzt, Bebauungspläne zwischen benachbarten Gemeinden abzustimmen, und befürchtet durch den Sportfachmarkt insbesondere nachteilige Auswirkungen auf
seine Innenstadt. Die City sei bereits geschwächt und könne weitere Konkurrenz durch Einzelhandelsstandorte außerhalb der Zentren nicht mehr verkraften. "Der Senat ist dieser Argumentation in wesentlichen Punkten gefolgt", teilt das OVG mit.

Wohin fließt die Kaufkraft, wer nimmt die Steuern ein – das ist unverändert der Knackpunkt zwischen den Kommunen im Großraum Bremen. Immer wieder prallen die Interessen aufeinander, dieses Mal am Beispiel der 3500 Quadratmeter großen Verkaufsfläche in Brinkum-Nord. Das Geschäft ist längst in Betrieb, seit fast zwei Jahren schon. Was damit nun passiert, bleibt vorerst offen.

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Brinkum-Nord ist in den vergangenen 20 Jahren zu einem Hotspot für Einzelhandel geworden. Vor allem das Outlet-Center Ochtum Park zieht Kunden an, die sonst womöglich in den Innenstädten von Delmenhorst und Bremen einkaufen würden. In dem Center ballen sich annähernd 50 Geschäfte, die permanent mit Sonderangeboten locken, insbesondere bei Bekleidung. Neben Dodenhof ist das in Niedersachsen die Konkurrenz schlechthin für die Hansestädter. Der Ochtum Park liegt nur wenige Hundert Meter von der Landesgrenze entfernt. Andererseits hat Bremen selbst dafür gesorgt, dass seiner City Kaufkraft entzogen wird – mit dem Weserpark und der Waterfront an der Peripherie der Stadt.

Vor knapp zehn Jahren hatten Städte, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreise in der Region einen Vertrag geschlossen, der die Ansiedlung von Einzelhandel regelt. Das gemeinsame Ziel: Innenstädte und Ortskerne stärken. Konkret wollen sich die Kommunen über jedes Projekt verlässlich verständigen, das mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche hat. Für Streitfälle ist ein abgestuftes Moderationsverfahren vorgesehen.

Im Fall von Decathlon in Brinkum-Nord hat dieses Verfahren nach Darstellung des Kommunalverbundes jedoch nicht stattgefunden. Der Grund: Stuhr gehört zu den drei von insgesamt 28 Mitgliedskommunen der Dachorganisation, die den Vertrag nicht unterschrieben haben. Die Gemeinde wollte beim Einzelhandel weiterhin mit freier Hand agieren, ist damit jetzt aber an Grenzen gestoßen.

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Stuhrs Bürgermeister Stephan Korte (SPD) nimmt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts mit Überraschung zur Kenntnis. Es stelle eine „völlige Abkehr“ von der Rechtsauffassung der Vorinstanz dar, teilt er auf Nachfrage des WESER-KURIER mit. Beim Verwaltungsgericht in Hannover war Stuhr in der Angelegenheit vor einem Jahr noch erfolgreich gewesen. „Wir müssen nun erst einmal schauen“, sagt Korte. Die Gemeinde werde die ausführliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt.

Das Gericht bezieht sich in seinem Beschluss unter anderem auf das Landesraumordnungsprogramm. Der Stuhrer Bebauungsplan für das rund 17.000 Quadratmeter große Gebiet am Einzelhandelsstandort Brinkum-Nord missachte die Vorgabe, sogenannte zentrenrelevante Sortimente nicht an außerhalb gelegenen Standorten anzusiedeln, heißt es in der Pressemitteilung. Zu dieser Art von Ware gehörten ausdrücklich Sportbekleidung und -schuhe.

Delmenhorst ist zweifach gegen die Ansiedlung von Decathlon vorgegangen. Zum einen mit einem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan. Hier hat das OVG die Revision beim Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Anders bei der Klage gegen die Baugenehmigung für den Fachmarkt: "Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache", so die Lüneburger Richter, sei eine Revision möglich. Die Gemeinde Stuhr könnte also einen letzten Versuch unternehmen, zumindest an dieser einen Flanke doch noch recht zu bekommen.

Die OVG-Entscheidung ist zu einem Zeitpunkt gefallen, an dem sich die Region vergewissern will, wie es mit der Gewerbeflächenentwicklung insgesamt weitergehen soll – nicht nur im Bereich des Einzelhandels. Am kommenden Donnerstag wird es dazu ein Symposium geben, der Titel: "Chancen und Hemmnisse einer engeren Kooperation zwischen Bremen und seinem niedersächsischen Umland". Veranstalter sind die beiden Handelskammern Bremen und Stade. Ziel sei, so die Kammern, den Boden für mehr Miteinander zu bereiten, zu weiteren Kooperationen anzuregen und Vorbehalte aufzulösen.

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