Mit dem Cursor der Computermaus fährt Henri Marquardt über den Zeitstrahl im Bearbeitungsprogramm. Die Sendung ist bereits fertig. Vorspann, Bild- und Videomaterial sowie den Abspann lädt er hoch und fügt sie mithilfe des Programms aneinander. Neben sich hat er auf dem Schreibtisch ein Mikrofon stehen. Damit spricht er den Text für die Beiträge ein. Der 85-Jährige hat Routine im Erstellen von Filmbeiträgen. Von 2006 an war er bis vor Kurzem der Vorsitzende der Medienwerkstatt Stuhr (wir berichteten). Dem Verein ist er noch immer verbunden, jedoch veröffentlicht der Brinkumer seit Neuestem auch eigene Beiträge auf Radio-Weser-TV unter dem Namen M-Film. Die Beiträge mit einer Länge von 45 oder 60 Minuten werden dort am ersten und zweiten Montag im Monat ab 20.30 Uhr ausgestrahlt.
Marquardt ist seit 60 Jahren Mitglied im Schützenverein Schwanewede, den sein Vater mit gegründet hatte. "Ich war Sportschütze. Daher habe ich meine ruhige Hand für die Kamera", sagt er. Rund 90 Prozent der Beiträge filmt er ohne Stativ. Ein weiterer Vorteil, mit dem er bei der Medienwerkstatt punkten konnte: Er kennt die Region in- und auswendig. Der gelernte Modelltischler hatte nach seiner Meisterprüfung umgesattelt und ein Studium begonnen. 26 Jahre war er bei der Sparkasse Bremen als Architekt beschäftigt, betreute Neu- und Umbauten, plante den Einbau von Geldautomaten. Marquardt betreute rund 50 Geschäftsstellen unter anderem in Osterholz, Hastedt, Hemelingen, der Neustadt und Habenhausen. 1985 zog es ihn nach Brinkum. Zwei Jahre zuvor hatte er seine Ehefrau kennengelernt, mit der er eine Tochter hat. Sein Sohn aus erster Ehe wohnt im Münsterland.
Zur Medienwerkstatt kam Marquardt dann 2002. Beim Schützenfest in Brinkum war der erste Kontakt entstanden. Der damalige Vorsitzende Theodor Waterkamp überredete Marquardt schließlich, mitzumachen. "Seit 1985 hatte ich die Kamera immer auf Reisen dabei", berichtet Henri Marquardt von seinen Vorerfahrungen. Seien es die 16-tägige USA-Reise, ein Besuch in England oder die Ferien in Schweden – schon damals war die Kamera überall dabei. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte nicht geändert. Nur die Technik, sagt Marquardt, hat eine deutliche Entwicklung gemacht.
Berichte aus der Region
Zunächst hatte er bei der Medienwerkstatt viel gelernt, bis er 2003 zum Schriftführer und im Jahr darauf zum Pressewart gewählt wurde. Zwei Jahre später folgte der Vorsitz. "Ich war viel unterwegs – von der Küste bis Hannover", sagt Marquardt. Stuhr und der Nordkreis Diepholz sollten aber immer ein Schwerpunkt der Berichte bleiben. Dafür pflegt Marquardt noch heute gute Kontakte in die Rathäuser.
Die Medienwerkstatt hatte ihm eine neue Aufgabe gegeben, nachdem er 1998 aus gesundheitlichen Gründen bei der Sparkasse aufhören musste und danach noch für ein paar Jahre selbstständig tätig war. Die Arbeit am Computer hatte ihm geholfen, "in Gang zu kommen", sagt er. Durch das Erstellen von Beiträgen, viele haben dabei einen aktuellen, nachrichtlichen Bezug, halte er sich auch heutzutage geistig fit. Auch der Sport gehört für Henri Marquardt unbedingt dazu. Zu Hause macht er seine Übungen, besucht zudem zweimal die Woche ein Fitnessangebot in Weyhe. Als Jugendlicher und junger Erwachsener hatte er Fußball in Blumenthal gespielt.
Besonders Brinkum im Blick
Mit der Kamera ist er vor allem in Brinkum viel unterwegs, um das Geschehen auf Baustellen zu dokumentieren – ob bei der Ortskernentwicklung, den Neubauten bei der Melcherstätte oder beim neuen Wolters-Gelände. "Das Bauen hat mich immer interessiert. Davon bin ich nie losgekommen", sagt er. Im Auftrag der Medienwerkstatt hat Marquardt auch zahlreiche Konzerte gefilmt. Eine Aufnahme vom Gut Varrel war sogar vom NDR angefragt worden. Zehn Jahre in Folge filmte Marquardt das chinesische Neujahrskonzert auf dem Gutsgelände. Der Sender 3Sat wollte das Spektakel eigentlich selbst aufnehmen, hatte jedoch Probleme. So wurde die Fassung der Medienwerkstatt ausgestrahlt. Ein Konzertmitschnitt wurde sogar an das chinesische Fernsehen übermittelt. "Es wurde vor einem Millionenpublikum ausgestrahlt", berichtet Marquardt von diesem besonderen Ereignis. Von 200 Beiträgen im Jahr habe sich die Medienwerkstatt in seiner aktiven Zeit auf fast 700 gesteigert.
Seine Beiträge enthalten zu 80 bis 90 Prozent neues Material, sagt er. Der Rest werde mit Archivaufnahmen und frei verfügbarem Material aus dem Internet aufgefüllt. Marquardt, der auch Preisträger des Stuhrer Wolfes ist, hat inzwischen ein großes Archiv aufgebaut. Durch sein Ehrenamt konnte er einen breiten Teil der Gesellschaft kennenlernen, "vom armen Menschen bis hin zum reichen Politiker". Ans Aufhören denkt er derweil noch lange nicht. "Ich bleibe so lange am Ball, wie es geht", sagt der Brinkumer entschieden.