Stuhr. In dem Verbindungsgraben zwischen der Schwarzen Wasserlöse und dem Ochtum-Sperrwerk hat Gerold Leschke vom Stuhrer Naturschutzbund (Nabu) die Entdeckung gemacht. Fotos zeigen einen grünen Teppich im Uferbereich. "Flächig sieht das beinahe aus wie englischer Rasen", sagt Leschke. Jedoch ist jenes Gewächs auf dem Foto nicht so harmlos. Da, wo es einen Teppich bildet, kommen die umliegenden Sumpf-Schwertlilien nicht mehr durch. Das sogenannte Nadelkraut ist auf dem Vormarsch. Nachdem es im vergangenen Jahr im Park Links der Weser in Bremen entdeckt worden war, hat es nun auch den Grenzbereich zur Gemeinde Stuhr erreicht. "Am Hohorster See ist das Nadelkraut auch schon entdeckt worden", sagt Leschke außerdem.
Die Eindämmung des Krautes gestaltet sich schwierig. Die Niederlande haben zum Beispiel gravierende Probleme mit dem invasiven Neophyten, der in den hiesigen Breitengraden nicht heimisch ist. Dort müssen die umliegenden Bereiche von Gewässern teils großflächig und kostenintensiv ausgekoffert werden. Im Gegensatz zu anderen Neophyten wie Himalaya-Springkraut, späte Traubenkirsche und Riesenbärenklau befindet sich das Nadelkraut in Deutschland noch am Anfang seiner Ausbreitung.
Die Uferpflanze stammt aus Neuseeland und Australien, breitet sich stark in fremden Ökosystemen aus und verdrängt die einheimische Vegetation. Die Pflanze gehört zu den Dickblatt-Gewächsen, genau wie der Pfennigbaum und die Fetthenne. Nur ist das Nadelkraut invasiv, kleinste Sprossteile, die durch Fische, Wasservögel oder Grabenräumungen verteilt werden, reichen für die Verbreitung der Pflanze aus. Sie kann sich aber auch durch Samen vermehren. In England war das Nadelkraut bereits in den 1920er-Jahren in den Handel gekommen, sagt Stuhrs Umweltbeauftragter Marc Plitzko. Aquarien- und Gartenteichbesitzer hatten es gekauft – und noch heute haben viele Gartenhandlungen Nadelkraut im Sortiment, während der Verkauf in der Schweiz bereits verboten ist. Gerold Leschke hat nun örtliche Gärtnereibetriebe kontaktiert und diese informiert. Diese hätten sofort reagiert und die Pflanzen aus dem Sortiment genommen.
Lebensraum geht verloren
Die Gefahr bei der Ausbreitung des Nadelkrautes: Die bisherige Gewässervegetation, die oft aus gefährdeten Arten besteht, wird überwuchert. Damit geht auch ein wichtiger Lebensraum für Insekten, Vögel und Amphibien verloren. Um einen Überblick zu gewinnen, wie weit sich das Nadelkraut bereits ausgebreitet hat, ist in diesem Sommer eine von der Naturschutzbehörde in Bremen beauftragte Kartierung des Parks Links der Weser, des westlichen Teils der Kladdinger Wiesen und der angrenzenden Gewässer geplant. "Wir wollen in dem Zuge auch einen Teil von Stuhr kartieren lassen", sagt Plitzko. Die Ergebnisse bestimmen auch das weitere Vorgehen.

Zeigen das Nadelkraut in einem Glasbehälter: Gerold Leschke (links) und Marc Plitzko.
Der Stuhrer Umweltbeauftragte sieht die Zuständigkeit bei der Eindämmung des Nadelkrautes beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) angesiedelt. Denn alleine könne eine Kommune der Ausbreitung nicht Herr werden – beziehungsweise das Nadelkraut macht vor Gemeindegrenzen nicht Halt. Wasser- und Abwasserverbände, die Landesbehörde und die Gemeinde müssten in der Angelegenheit zusammenarbeiten. Das Problem beim Nadelkraut im Gegensatz zu anderen invasiven Arten: Oft sind die betroffenen Gewässer eben solche Naturräume, die besonders geschützt werden sollen. Entsprechend schwierig ist ein Herankommen an die Stellen.
Gerold Leschke und seine Mitstreiter vom Nabu halten die Augen derweil noch einmal genauer nach dem Nadelkraut offen. Wer die Pflanze mit den vielen Sprossen bei sich am Gartenteich entdeckt, sollte sie über die Restmülltonne entsorgen, sodass sie nicht wieder in Umlauf gebracht werden kann. Grundsätzlich aber appellieren Gerold Leschke und Marc Plitzko an die Bürgerinnen und Bürger, bloß kein Nadelkraut mehr zu kaufen.