Herr Pacheco, seit drei Jahren leben Sie nun schon in Deutschland. Welche Unterschiede zwischen der hiesigen Musikszene und der in Ihrer kubanischen Heimat stellen Sie fest? Und was macht die dortige so besonders?
Jorge Luis Pacheco: Das Besondere an der Musikszene in Kuba ist meiner Meinung nach die Kombination von Rhythmen und den unterschiedlichen Einflüssen, die aus afrikanischer Musik stammen und aus spanischer seit der Kolonialzeit. Sehr speziell sind auch die Prägungen durch afroamerikanische Musik und Jazz durch die geografische Nähe zu den USA. Beide Länder haben sich da gegenseitig beeinflusst. All das hat unsere Musik sehr einzigartig und authentisch gemacht. Was den Jazz anbelangt, verhält es sich genauso. Wir haben die Musik aus Afrika als Einfluss, fügten diesen mit den musikalischen Eigenarten Kubas zusammen und haben dies in den Jazz eingebracht. So wurde der Kuba-Jazz geboren.
Wie schwierig ist es, künstlerische Ideen in Kuba zu entwickeln?
Als Künstler Ideen in Kuba zu entwickeln ist sehr einfach – wenn man in Kuba lebt. Denn Musik und Kunst stehen dort an erster Stelle. Sie genießen oberste Priorität und die Unterstützung der Regierung. Dadurch haben Musiker und Künstler allgemein die volle Freiheit, sich zu entfalten. Ich fühle mich wirklich privilegiert und bin sehr glücklich, dort geboren, dort aufgewachsen zu sein und dort studiert zu haben. Es ist ein Privileg, Kubaner zu sein. Das macht mich zu dem, was ich bin. Und zu dem Musiker, der ich geworden bin. Ich verdanke meinem Land alles. Da komme ich her, das ist, was ich bin. Kuba ist das Zentrum meiner Inspiration.
Also keinerlei Probleme für Musiker?
In Kuba gibt es keine Probleme für Musiker, natürlich nicht. Es gibt Unterstützung aller Institutionen und Firmen der Musikindustrie. Musikschulen und musikalische Studiengänge sind komplett gebührenfrei. Und man kann Musik auf sehr hohem Niveau studieren, was kubanische Musiker zu sehr angesehenen überall auf der Welt macht. Auch die Besuche von Kunsthochschulen sind umsonst. Sie bieten dafür eine harte, andererseits gute Vorbereitung. Wirklich, in Kuba ist es ein Segen, Musiker zu sein. Kuba ist definitiv der Ort weltweit, um Musiker zu sein.
Wer sind Ihre künstlerischen Vorbilder?
Ich mag alle Arten von Musik. Ich finde, man kann aus jedem Stil etwas lernen. Aber meine größten Vorbilder sind drei Pianisten, die ich besonders verehre. Ich meine die Meister Chucho Valdez und Gonsalito Rubalcaba, beides Kubaner, mit deren Musik ich aufgewachsen bin. Der dritte ist Keith Jarret, einer der größten Pianisten aller Zeiten. Ich verliebte mich in sein Spiel, als ich ihn das erste Mal hörte und sah.
Was werden Sie beim Stuhrer Jazzfest präsentieren?
Was ich beim Jazzfest in Stuhr zeigen werde, ist ein Programm aus kubanischer Musik mit kubanischem Jazz, meinen eigenen Kompositionen mit all den Einflüssen afro-kubanischer und kubanischer Musik. Ich werde aber auch etwas traditionelle kubanische Musik vorstellen. Das alles mit meinem Quartett in Deutschland, unglaubliche Musiker. Das sind Helmut Reuter am Bass, Thomas Hempel am Schlagzeug und die ausgezeichnete, junge Sängerin mit herausragender, schöner Stimme, Anna Rabea Pacheco.
Sie waren kürzlich wieder in Ihrem Heimatland. Was haben Sie dort gemacht?
Ich war gerade dort, um bei meiner Rückkehr ein Konzert im National Theater of Havana beim „Jazz Plaza International Festival“ zu geben. Ich habe dabei meine Sinfonie gespielt, die ich für Quartett und Symphonieorchester geschrieben habe. Damit bin ich sehr zufrieden. Außerdem habe ich einige Stücke meines neuen Albums gespielt, das in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. Aber ich arbeite noch daran. Ich bin glücklich über den Erfolg und mit dem Ergebnis des Auftritts. Es war toll, zum zweiten Mal die Möglichkeit zu bekommen, in Kuba meine Sinfonie vorzustellen und zu singen.
Welche Projekte stehen für Sie als Nächstes an?
Da wäre, mein Album fertigzustellen. Ein Album, bei dem ich das Piano mit Gesang verbinde, den Jazz und das Streichorchester. Ein Album, bei dem ich meine eigenen Songs komponiert habe und bei dem ich einige der beliebtesten Stücke traditioneller kubanischer Musik drauf habe. Dann wird noch die DVD mit meiner Sinfonie für Jazz-Quartett und Sinfonieorchester veröffentlicht. Was Touren angeht, habe ich zwei geplant. Eine durch die Vereinigten Staaten und eine weitere in Österreich. Bei beiden bin ich sehr gespannt. Natürlich gebe ich auch in Deutschland das ganze Jahr über Konzerte. Ich freue mich da sehr drauf und bin so voller Energie vor all diesen Dingen und Projekten, die ich habe – und die ich noch machen will.
Die Fragen stellte Eike Wienbarg. Das Interview in im englischen Original lesen Sie hier.
Jorge Luis Pacheco
gilt als einer der herausragendsten Pianisten und Musiker der neuen Generation kubanischer Musiker. Von Ende 2016 bis 2017 arbeitete Pacheco an mehreren Projekten in den USA, Kuba und Deutschland. Seit drei Jahren wohnt er in Oldenburg. Am Freitag, 25. Januar, ist er zu Gast mit seinem Quartett bei der 20. Auflage des Stuhrer Jazzfest.