Der Bau zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 8 nach Stuhr und Weyhe schreitet voran. Trotzdem hegt der Verein „Aktiv – Die Bürgerinitiative zum Schutz der Lebens- und Wohnqualität“ um Monika Kannowski noch die Hoffnung, das Projekt zu stoppen. Nun wenden sich die Kritiker des Projekts an die Öffentlichkeit und sprechen von sensationellen neuen Erkenntnissen. „Die Fördermittel wurden nicht nach rechten Dingen erlangt“, sagt Kannowski. Dafür habe der Verein umfassende Recherchen angestellt. Volker Klemm, Geschäftsführer des Streckenbetreibers Bremen-Thedinghauser Eisenbahn GmbH (BTE), weist die Vorwürfe stellvertretend für die Arbeitsgruppe zur Linie 8 als haltlos zurück.
BTE widerspricht Darstellungen der Kritiker
Die eigene These leitet Kannowski aus dem Vergabeverfahren für die Fördermittel ab. Hier erkennt der Verein einen Formfehler: Für die Reaktivierung der Bahnstrecke wurde ein vereinfachtes Verfahren angewandt, das allerdings nur für ein Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro gedacht ist. Mit einer Summe von 80 Millionen Euro liegt die Verlängerung der Linie 8 hier tatsächlich deutlich darüber. Das habe der Bund als wichtigster Fördermittelgeber jedoch seinerzeit „begründet durch den massiven Zeitverzug durch die verschiedenen Klageverfahren“ als vertretbar erachtet und ermöglicht, stellt Klemm klar.
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In diesem Zuge kritisiert der Verein Aktiv, dass ihm nur geschwärzte Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien. „Wir haben den Eindruck, dass etwas geheim gehalten wurde“, sagt Kannowski. Zumal ihre Mitstreiter die Unterlagen zum Regelverfahren von 2017 nicht erhalten hätten. BTE-Geschäftsführer Klemm zeigt für die Anschuldigung wenig Verständnis. Von den rund 35 Seiten des Gutachtens seien lediglich fünf Zeilen geschwärzt. Sie hätten „keine Auswirkungen auf das Gesamtergebnis des Gutachtens, sondern lediglich vertragliche Bestandteile zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer“ thematisiert. Darüber hinaus habe der Fokus im Jahr 2017 auf den Klageverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelegen. Das entsprechende Regelverfahren sei deshalb zu keinem Zeitpunkt genutzt worden.
Widersprüche, die keine sein sollen
Zu den „offenen Fragen und Widersprüchlichkeiten“ zählt der stellvertretende Vereinsvorsitzende, Joachim Döpkens, auch das Planfeststellungsverfahren nach Eisenbahnrecht, wo die Linie 8 doch eine Straßenbahn sein soll. „Das beißt sich vorne und hinten“, sagt er. BTE-Geschäftsführer Klemm erkennt hier keinen Widerspruch, formal handele es sich nach wie vor um eine Eisenbahnstrecke. Auf dieser Rechtsgrundlage und bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht erfolge auch der Ausbau. Anders als von den Vereinsmitgliedern unterstellt, benötige es für den Betrieb auch keine Lokführer für den Abschnitt auf niedersächsischer Seite. Das Personal der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) erhalte eine entsprechende Weiterbildung und die Straßenbahnen würden mit notwendigen Vorrichtungen wie Bahnfunk und Zugbeeinflussung ausgestattet. Aspekte wie die Auswirkungen auf Mensch und Natur, Schall und Erschütterung seien im Planungsverfahren ebenfalls berücksichtigt und vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt worden. Anders als vom Verein dargestellt, sei ein Fahrzeug ähnlich des aktuellen Typs „Nordlicht“ die Grundlage für die Planung gewesen und kein veraltetes Modell.
In Bezug auf die Finanzierung der Linie 8 zeigt sich Aktiv-Kassenwart Mathias Bohlen mit Blick auf Zuschüsse wie für die Betriebskosten durch das Land Niedersachsen besorgt: „Die werden mal wegfallen.“ Dann müssten der Landkreis Diepholz, die Gemeinden Weyhe und Stuhr sowie der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) rund 50 Prozent beziehungsweise eine Million Euro jährlich aufbringen, um den Betriebskostenverlust zu decken. Klemm weist in diesem Zuge darauf hin, dass das Land wie andere Geldgeber seine Förderung bis Mitte 2041 zugesagt habe – entsprechend dem Dienstleistungsauftrag zwischen ZVBN und BSAG. „Was danach kommt, wird niemand zum jetzigen Zeitpunkt seriös beantworten können“, sagt Klemm. Vom Verein berechnete Zahlen wie die elf Prozent Auslastung könne er dagegen nicht nachvollziehen und verweist auf die positiven Bewertungen des Vorhabens im Vorfeld. Stuhrer müssten auch nicht fürchten, abseits der Linie 8 abgehängt zu werden. „Das fällt alles weg“, warnt die Aktiv-Vorsitzende Kannowski. Falle die Linie 55 weg, blieben etwa Moordeich nur noch zwei Haltestellen. „Die Haltestellen werden in der Regel durch Regionalbuslinien weiter bedient“, sagt wiederum Klemm und verweist beispielhaft auf die Linie 173.
Nachdem der Klageweg ausgeschöpft ist, legt der Verein Aktiv nun seine Hoffnung in die kommende Bundesregierung. Mit ihrer Version hoffen Kannowski und ihre Mitstreiter, politischen Druck aufzubauen. „Wir werden beim neuen Verkehrsministerium den sofortigen Baustopp und die Rückforderung der Fördermittel fordern“, kündigt sie an.