Verden/Stuhr-Brinkum. Die notwendigsten Angaben zur Person sind alles, was die drei Anklagten im Prozess am Landgericht Verden bislang von sich gegeben haben. Ansonsten hüllen sie sich in Schweigen. Ihnen werden vor allem erpresserischer Menschenraub, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Worauf die massiven Vorwürfe beruhen, wissen sie längst. Aber am fünften Verhandlungstag hörten sie nun von ihrem mutmaßlichen Opfer in teils drastischer Ausführlichkeit, was sie und ein bislang nicht ermittelter Komplize dem Geschäftsmann aus Hannover am 5. Februar vorigen Jahres in Brinkum-Nord angetan haben sollen.
„Es ist ein Albtraum, was mit mir passiert ist“, sagte der 40-Jährige in einer besonders emotionalen Phase seiner stundenlangen Zeugenvernehmung. „Die haben alles kaputtgemacht, was ich in meinem Leben hatte und worauf ich stolz war.“ Mit „die“ meinte er unzweifelhaft die nicht weit entfernt befindlichen jungen Männer auf den Anklageplätzen. Den 24-Jährigen aus Syke und den 22-Jährigen gebürtigen Bassumer will er auf Anhieb als zwei der Täter erkannt haben. Die beiden seien aber vergleichsweise harmlos gewesen: „Von denen habe ich keine Schläge gekriegt.“ Bei dem Älteren will er während der ihm endlos vorgekommenen Tortur in einer „vermüllten“ Lagerhalle an der Gottlieb-Daimler-Straße sogar so etwas wie Mitleid gespürt haben. Vielleicht seien beide zum Mitmachen gezwungen worden.
Aufgebrachter Zeuge
Den im hinteren Bereich und etwas geduckt sitzenden Bremer (26) machte der Handyshop-Betreiber mit etwas Verzögerung als denjenigen aus, der ihm damals besonders zugesetzt habe. Nach Brinkum sei er mit einem als „Ex-Kollegen“ bezeichneten Mann gefahren, nachdem er eine Anzeige in einem Sozialen Netzwerk gelesen hatte und ihm nach einem Telefonat günstig Elektrogeräte angeboten worden seien. Ein Treffen sei zunächst für den 4. Februar ausgemacht worden. Am vereinbarten Ort sei aber niemand erschienen, auf Nachfrage sei von coronabedingter Verhinderung die Rede gewesen. Heilfroh sei er darüber. „Ich hatte da meinen zweijährigen Sohn dabei.“ Nicht vorstellbar, was womöglich geschehen wäre, räsonierte der immer aufgebrachtere Zeuge.
Am nächsten Tag habe es dann geklappt. Doch das vormittägliche Meeting artete nach seinen Schilderungen zu einem wahren Martyrium aus. Der 26-Jährige habe ihn vor der Halle noch freundlich mit Handschlag begrüßt. Doch kaum drinnen, habe der Mann ihm schon eine Schusswaffe an den Kopf gehalten. Dann habe er mit der Pistole und einer Metallstange Schläge auf den Kopf und ins Gesicht bekommen, sei zu Boden gegangen und gefesselt worden. Die beiden anderen Angeklagten seien „hinter einer Wand hervorgetreten", hätten offenbar auf ihn aufpassen sollen; einer mit Waffe in der Hand.
Tritte und Schläge
Die Männer hätten zunächst die telefonische Beschaffung von rund 100.000 Euro verlangt, ihn dann gezwungen, die nötigen Codes für eine Überweisung von 20.000 Euro herauszugeben. Der Haupttäter habe seine Forderungen nicht nur durch unzählige Tritte und Schläge unterstrichen. Dem Opfer sei auch ein Butterflymesser in den Oberschenkel gestochen und darin gedreht worden. „Ich habe gebettelt und gefleht, dass sie mich freilassen, schon wegen meiner fünf Kinder.“ Erst am späten Nachmittag habe man ihn und den Begleiter in seinem eigenen Wagen in die Nähe der Autobahn gebracht. An einer nicht bekannten Stelle seien die „Begleiter“ ausgestiegen und verschwunden.