Für den Auftakt der Abschlusstour seines Stückes "Ein Tag mit Herrn Jules" hat Schauspieler Martin Leßmann das Stuhrer Rathaus gewählt. Am Sonnabend, 2. November, führt er ab 19 Uhr das Theaterstück über das Abschiednehmen und Erinnern im Ratssaal auf.
Leßmann hat mit seinem Theatersolo für vier Rollen nach der gleichnamigen Novelle von Diane Broeckhoven das Jahr 2024 zum Abschiednehmen ausgewählt, heißt es in der Ankündigung. In "Ein Tag mit Herrn Jules" zeigt Martin Leßmann mit allen Mitteln des Erzähltheaters und des einfühlsamen Schauspiels eine tragikomische Begegnung nach dem Tod, mitten im Leben. Der Schrecken über ein Menschenende mündet mit Leichtigkeit in die friedliche Utopie eines Verlustes zwischen Verwirrung, Abrechnung, empathischen Nachsinnen und Huldigung des Lebens, heißt es weiter.
"Ich habe vor eineinhalb Jahren mit dem Stück 'Du bist meine Mutter' zum letzten Mal in Stuhr gespielt", erzählt der Schauspieler, der seit 40 Jahren in Bremen lebt. Für das Rathaus habe er sich entschieden, weil es einem breiten Publikum Platz biete, aber dennoch eine "gewisse Intimität" biete, sagt er.
Wechseldialog ausgeweitet
Inspiriert von dem Solostück "Du bist meine Mutter" hat Leßmann in "Ein Tag mit Herrn Jules" den Wechseldialog noch einmal ausgeweitet. Denn dieses Mal verkörpert der Schauspieler gleich vier Charaktere. "Durch meine Arbeit im Kinder- und Jugendtheater hat sich das sehr bewährt", sagt er.
Unter anderem leitete Martin Leßmann von 1995 bis 1999 das Kinder- und Jugendtheater MOKS am Bremer Theater. Als Puppenspieler gab er außerdem viele Jahre lang in der Fernsehserie "Hallo Spencer" dem Kasimir seine Stimme. In diesem Sommer hatte zudem die Serie, neu als Filmprojekt von Jan Böhmermann produziert, als "Hallo Spencer – Der Film" Premiere. Seit 1999 ist Leßmann als freischaffender Schauspieler, Regisseur und Autor vor allem in der freien Theaterszene tätig.
In "Ein Tag mit Herrn Jules" geht es nun darum, einen unverhofften Tod zu verkraften. "Alice findet ihren Mann tot im Wohnzimmer", erzählt Leßmann. Eigentlich habe das Paar gemeinsam sterben wollen. "Alice beschließt in ihrer Trauer, niemanden anzurufen und 24 Stunden mit ihrem toten Mann zu verbringen", so Leßmann weiter. Das Stück befasse sich mit einem Einblick in diese Intimität in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Allerdings: "Es gibt eine Intervention von außen", verrät der Schauspieler. Der autistische Nachbarsjunge wolle mit Herrn Jules Schach spielen. "Das wirbelt die Situation auf." Es werde sich aber zeigen, dass es sich um eine willkommene Intervention handelt, in der Alice ihre Balance wiederfindet, so Leßmann weiter. "Der Junge geht überraschend leicht mit der Situation um."
Theaterstücke seien nicht leicht im Stuhrer Ratssaal zu installieren, sagt Nikki Sprich vom Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kultur bei der Gemeinde Stuhr. "Es ist nicht einfach, ein Stück zu finden, das hier reinpasst", berichtet sie. "Martin Leßmann geht sehr flexibel mit den Bedingungen um", freut sie sich.
Kassettenrekorder und Dia-Projektor
Dieser wird dieses Mal auf Livemusik verzichten, wie er erzählt. "Die Technik findet analog statt." Musik komme von einem Kassettenrekorder, Bilder werden mit einem alten Dia-Projektor an die Wand geworfen. "Alles Material auf der Bühne ist recycelt von anderen Theatern", so Leßmann. "Jedes Requisit hat seine Geschichte."
Ihm sei es wichtig gewesen, dass das Stück nichts Dunkles hat, betont er. "Mir war es wichtig, das Thema Trauer in seiner Vielfalt zu erzählen." Inspiration dafür sei auch seine Mutter gewesen, die in einem Hospiz gearbeitet und ihn auf die Geschichte aufmerksam gemacht habe. Die Herausforderung sei es gewesen, den Dialog mit wenig Modulation lebendig zu machen, erläutert Leßmann. "Das ist die Herausforderung, aber gleichzeitig auch das Schönste", findet er. "Man muss sich in die Figur in jedem Moment einlassen." Gleichzeitig sei auch die narrative Ebene sehr stark in dem Stück. Als er die Geschichte gelesen habe, konnte er sich das Stück gleich vorstellen, sagt Martin Leßmann.
Wer sich ein Bild von dieser ungewöhnlichen Erzählweise machen möchte, kann dies am 2. November im Stuhrer Rathaus tun. Tickets kosten 18 Euro, ermäßigt 15 Euro und sind an allen Nordwest-Ticket- und Ticketmaster-Vorverkaufsstellen beziehungsweise telefonisch unter 04 21 / 36 36 36 oder online unter www.nordwest-ticket.de erhältlich. Reservierungen für die Abendkasse sind möglich unter 04 21 / 5 69 52 94 oder per E-Mail an kultur@stuhr.de.