Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Mysteriöser Niederschlag Die mysteriösen Niederschläge

In Schwarme wollen Anwohner endlich wissen, woher die gelbe Substanz kommt. Diese klebt auf der Wäsche, Dachfenstern und Autos.
03.07.2017, 18:17 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Bärbel Rädisch

Schwarme. Die Anwohner im Schwarmer Wohngebiet Benz-, Lütjen-, Coorskamp und den anliegenden Straßen sind seit 2015 verstärkt damit befasst, zu ergründen, was da auf ihren Dachfenstern und Autos gelbe Flecken von pastöser Konsistenz hinterlässt und tropfenförmig verläuft. Auch schon in der Zeit davor kam es zu diesen unliebsamen Kleckereien. Die Substanz könne mit Wasser nur äußerst mühsam von Scheiben und Autos entfernt werden, etwas bleibe immer zurück, ist die einhellige Aussage der Anwohner. „Wäsche zum Trocknen draußen aufzuhängen, ist nicht mehr möglich. Die gelben Flecken sind hartnäckig und lassen sich nicht herauswaschen“, sagt ein Betroffener. „Es passiert, dass einem etwas auf den Arm tropft, wenn man im Garten sitzt“, erzählt Werner Wojack. Anja Wesler aus dem Lütjenkamp ergänzt: „Und diese Substanz stinkt ganz ekelhaft.“ Als eine Mutter bemerkte, eins der Kinder hatte einen solchen Fleck auf dem Arm, alarmierte sie die Nachbarschaft, etwas zu unternehmen.

Man ist sich in dem Gebiet einig, das Phänomen tritt auf in Verbindung mit dem Flugkorridor, an Tagen, wenn Flugzeuge mit der nötigen Windrichtung das Wohngebiet überfliegen. Eine Anfrage beim Bremer Flughafen bezüglich eines Zusammenhangs, oder ob irgendein Stoff während des Überfliegens abgelassen würde, wurde verneint. Nirgendwo sonst in Schwarme allerdings tritt diese Verschmutzung auf. Bernd Heitmann, Chemiker und einer der Geschädigten, wandte sich im Namen der übrigen an Bürgermeister Johann-Dieter Oldenburg. Am 20. April 2015 nahm Diplombiologe Michael Köhler vom Bremer Umweltinstitut Proben des Niederschlags. „Ein Ergebnis wurde mir nicht mitgeteilt, wahrscheinlich weil ich nicht Auftraggeber war. Ich hörte aber aus der Nachbarschaft, es solle sich um Bienenkot handeln. Bei uns allen löste das Kopfschütteln aus.“ Am 9. Juli 2015 reichte Heitmann daraufhin auf dem Polizeirevier in Bruchhausen-Vilsen eine Substanzprobe ein und gab zu Protokoll, das ein Infrarotspektrum, das er erstellen ließ, ergeben hätte, es könne sich bei einem Inhaltsstoff um Stearylamin handeln. Diesen Analysebefund übermittelte er auch Michael Köhler. Verwendung findet Stearylamin als Korrosionsschutzmittel in Dampfleitungen und Boilern und ist praktisch unlöslich in Wasser. In der Metall-, Leder- und Textilbearbeitung, als Schmiermittel, Schmierstoff und in der Düngemittelindustrie wird er ebenfalls eingesetzt. Ein Vertreiber weist auf dem zugehörigen Sicherheitsdatenblatt mit Piktogrammen und Erklärungen auf Gefahren hin.

Die Betroffenen in Schwarme – mit dem Untersuchungsergebnis äußerst unzufrieden – drängten auf eine weitere Probenentnahme. Die sollte nun am Freitag, 30. Juni, erneut durch Michael Köhler erfolgen. Der stellvertretende Bürgermeister Georg Pilz und die Anwohner Heitmann, Anja Wesler und Werner Wojack bedauerten, wegen der heftigen Regenfälle der letzten Tage keinen Befall vorweisen zu können. Die Suche auf den Autos nach einem Corpus Delicti war wenig befriedigend. Ausführlich wurde mit Michael Köhler, der aus Bremen gekommen war, über das von ihm vorliegende Gutachten aufgrund der ersten Proben diskutiert.

„Fest steht, es handelt sich um eine pastöse Masse aus Fett, Öl oder Wachs. Der Hauptanteil sind verklebte Pollen. Stearylamin scheint möglich, aber nicht sicher. Eine prägnante Aussage ist nicht zu machen“, las Heitmann vor. Höchst erstaunt über diesen Bescheid war er, nachdem Köhler und die ihn begleitende Kollegin, Elwira Grychtol, die die Proben mikroskopisch untersuchte und licht-mikroskopische Aufnahmen machte, zuvor erklärten, im Bremer Umweltinstitut gäbe es keine Geräte für eine tiefer gehende Analyse. Eine Massebilanz zu erstellen, sei nicht möglich. Man müsse sich im hiesigen Fall eventuell an eine Universität mit speziellem Labor wenden oder an die Analytik Aurachtal. Grychtol erklärte: „Ein Anruf in Celle beim Institut für Bienenforschung brachte die Bestätigung, durch Pollen könne das Material verunreinigt sein, und Pollen konnte ich nachweisen.“

Ziemlich frustriert reagierten alle, weil nur diese Verunreinigung benannt wurde, aber kein einziger weiterer Inhaltsstoff. Besonders Heitmann zeigte sich fassungslos – er hätte es sowieso begrüßt, wenn die Meinung eines zweiten Instituts eingeholt worden wäre bei einer erneuten Probe. „Die Aussage, es könnte Stearylamin sein, ist nur der Kommentar zu der von mir vorgelegten Analyse. Das wäre genauso, als riefe ich meinen Arzt an und sagte, ich habe da einen juckenden Ausschlag, könnte das Neurodermitis sein.“

„Wir machen hier keinen Aufruhr, möchten aber endlich wissen, was da vom Himmel tropft, ob es eventuell gesundheitsgefährdend ist“, warf Werner Wojack ein. Vorschlag Köhlers: Glasscheiben auszulegen, weil womöglich Autowachs bei den Proben die wachshaltige Substanz sei. Dem will man folgen, um nichts unversucht zu lassen. Sich außerdem bemühen, die von Köhler gewünschte größere Menge Probenmaterial von etwa acht Gramm von einem ebenfalls Betroffenen aus der Nachbargemeinde Blender zu beschaffen. Bei ihm sind ständig seine großflächigen Dachfenster und seine weißen Dienstwagen verunreinigt, wie die Schwarmer erfuhren. Auch er liegt in der Flugschneise.

Wenig erfreut blieben die Anwohner zurück. Pilz versicherte, im Gemeinderat zu besprechen, welche effektiveren Schritte in die Wege zu leiten sind. Die Anwohner hoffen, dass endlich Licht ins Dunkel gebracht wird. Nach all den Jahren wollen sie nicht locker lassen, und endlich wissen, ob gesundheitliche Schäden möglich sein können, besonders weil viele Kinder in diesem Umfeld betroffen wären. „Aber auch von Sachbeschädigung kann hier durchaus gesprochen werden“, meinte Anja Wesler. „Da würde ich den Verursacher schon gerne kennen.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)