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Gerd Gohlke ist Vorsitzender des Kreisverbandes des Bundes der Vertriebenen – der sich wohl bald auflösen wird Ein Ziel muss noch erreicht werden

Bassum·Landkreis Diepholz. Einst hatte der Syker Kreisverband des Bundes der Vertriebenen (BdV) rund 6500 Mitglieder, heute sind es noch 60. Eines von ihnen ist Gerd Gohlke.
30.07.2015, 00:00 Uhr
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Ein Ziel muss noch erreicht werden
Von Markus Tönnishoff

Einst hatte der Syker Kreisverband des Bundes der Vertriebenen (BdV) rund 6500 Mitglieder, heute sind es noch 60. Eines von ihnen ist Gerd Gohlke. Der Bassumer steht dem Verein seit 2006 vor. „Der Verband wird sich sicher in nächster Zeit auflösen“, sagt Gohlke, der mit seinen 77 Jahren zu den jüngsten Mitgliedern zählt. Doch bevor der Verband Geschichte wird, haben Gohlke und seine verbliebenen Mitstreiter noch ein Ziel.

Dass er mal Mitglied und sogar Vorsitzender einer Vertriebenen-Organisation sein würde, hätte der gebürtige Königsberger früher nicht gedacht. „Bis zum Ende der 1980er-Jahre habe ich mich um diese Organisationen nicht gekümmert, sondern nur mal das Ostpreußenblatt gelesen“, gibt er in seinem mit Ordnern vollgepackten Büro zu Protokoll. Dann kam das Jahr 1989, die Mauer fiel, und ein Jahr später packte Gohlke seine Koffer für eine Reise. Das Ziel: Königsberg, seine Geburtsstadt. „Ich habe dann in der Zeitung über die Reise berichtet, so ist der Kreisverband des Bundes der Vertriebenen auf mich aufmerksam geworden“, erinnert sich Gohlke. Später leitete er zahlreiche Reisen in die ehemaligen deutschen und heutigen polnischen Gebiete und wurde Mitglied im BdV. „Je älter man wird, desto mehr hat man den Hang zu der Gegend, aus der man stammt“, stellt Gohlke fest.

Gohlkes Weg nach Bassum begann im Januar 1945 mit der Flucht von Königsberg nach Kolberg, elf Tage war er mit seiner Schwester und der Großmutter auf einem Schiff unterwegs. Doch auch Kolberg, das heute eine polnische Stadt ist, bildete nicht lange ein sicheres Domizil für die drei. Russische Truppen kesselten die Stadt ein, Gohlke, Schwester und Großmutter gelang die Flucht nach Swinemünde, von dort ging es über Uckermünde weiter nach Damme. „Dort sind wir bei einem Landwirt untergekommen. Aber da die Gegend sehr katholisch war und wir evangelisch, wurden wir nach Barnstorf gebracht“, sagt er.

Gohlke ist gut aufgenommen worden, wie er sagt. „Wir konnten zum Beispiel sofort Mitglied in Vereinen werden, woanders war das nicht so“, erzählt er. Im Münsterland zum Beispiel hätten viele Vereine keine Flüchtlinge aufgenommen.

Langsam normalisierte sich Gohlkes Leben, ab 1947 konnte er in die Schule gehen, 1955 schloss er selbige ab. „Lehrstellen waren damals knapp“, weiß er noch. Doch es gelang ihm, einen Ausbildungsplatz bei der Bahn zu bekommen. „Assistentenanwärter nannte sich das.“ Bei der Bahn blieb er sein ganzes Berufsleben und stieg dort bis zum Oberamtsrat auf. 1959 kam Gohlke nach Osterbinde, wo er ein Haus baute und auch in den Osterbinder Ortsrat einzog, nach der Gebietsreform fand er sich dann im Bassumer Ortsrat wieder, 37 Jahre lang war er Mandatsträger.

Nun hat sich Gohlke noch ein Ziel gesetzt, denn die Vergangenheit soll nicht in Vergessenheit geraten. Unzählige Dokumente und Erinnerungsstücke haben sich beim BdV angesammelt, viele davon betreffen Wehlau, einen ehemaligen Landkreis in Ostpreußen. Das alles soll nun mit wissenschaftlicher Unterstützung aufgearbeitet werden, damit ein Archiv entstehen kann. Letztendlich solle das Archiv die Geschichte der Vertriebenen im Landkreis Diepholz dokumentieren – mit dem Schwerpunkt der Vertriebenen aus Wehlau. „Das ist das letzte Ziel.“

Flucht, ein Thema das Gohlke durchlebt hat, spielt auch heutzutage eine große Rolle, tausende Menschen strömen nach Europa und Deutschland. Oft werden Vergleiche zu früher gezogen – wenn es damals geklappt hat, Millionen zu integrieren, dann müsste auch die Integration der heutigen Flüchtlinge klappen. Stimmt das? „Nein, man kann das nicht vergleichen“, sagt Gohlke dazu. „Damals flüchteten Menschen von Deutschland nach Deutschland, es gab keine Sprachbarrieren.“

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