Verden/Weyhe. Der Angeklagte soll Mitte April in Weyhe versuchten Totschlag an seiner Tochter verübt haben. Er bestreitet, vorsätzlich auf sie zugefahren zu sein. „Ich möchte, dass mein Vater aus der ganzen Sache herauskommt“, übersetzte der Dolmetscher jetzt eine der insgesamt schonenden Aussagen der Jugendlichen vor dem Landgericht Verden. Später wurde noch ein vom Amtsgericht Bremen erlassener Strafbefehl über 800 Euro wegen Körperverletzung verlesen. Danach hat der Mann die seinerzeit 14-Jährige Anfang 2021 mehrfach geschlagen und getreten. Alles nicht wahr oder vergessen und vergeben?
Dieser Eindruck konnte entstehen. Am Ende des dritten Verhandlungstermins umarmten sie sich – der mit Fußfesseln versehene, von zwei Justizbeamten flankierte Angeklagte und die kleine 17-Jährige mit der Turmfrisur. Sie war gemeinsam mit ihrem ein Jahr älteren Freund erschienen, der damals auf der Dreyer Straße an ihrer Seite ging und bei der mutmaßlichen Autoattacke unbeschadet davongekommen war. Zumindest bei der jungen Frau hatte sich die Schwurgerichtskammer nicht sicher sein können, ob die Ladung zur Zeugenaussage sie überhaupt erreichen würde. Nun hieß es, die junge Rumänin sei „derzeit in Bremen aufhältig“. Dort lebt dem Vernehmen nach die Familie ihres Freundes.
Tochter sagt zurückhaltend aus
Die Tochter des Angeklagten hätte sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, sie war nach eingehender Belehrung aber bereit, sich zu äußern. Ihre Angaben fielen dann aber spürbar zurückhaltend aus. Laut Anklageschrift gab es in der Weyher Wohnung der Eltern und Geschwister an jenem Sonntag einen Streit und sogar eine „tätliche“ Auseinandersetzung zwischen dem alkoholisierten Angeklagten und dem Freund der Tochter. „Das war ja nichts Schlimmes“, meinte die Zeugin. Nach Verlassen des Hauses will sie bemerkt haben, dass ihr Vater beiden hinterherfuhr. Sie selbst sei stehengeblieben. Der Vater habe das Auto zwar stoppen wollen, es dann aber „nicht mehr kontrollieren“ und anhalten können.
Dies entspricht auch der Einlassung des 55-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft geht allerdings von einem „absichtlich herbeigeführten Unglücksfall“ aus, bei dem die Jugendliche von dem Fahrzeug frontal erfasst worden sein soll. Sie war mit „potenziell lebensgefährlichen“ Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden, wo sie sich nach eigenem Bekunden fast einen Monat befand. Ihre ersten Angaben in der Klinik seien aber wohl nicht richtig gewesen, gab sie nun an. „Ich wusste nicht, was ich gesagt habe.“
Ihr Freund lieferte ebenfalls eine relativ harmlose Schilderung des Geschehens. Auch er habe das Auto herannahen sehen und gehört. Es sei aber „nicht schnell“ gewesen. Er widersprach auch der Darstellung in der Anklage, wonach er sich „in letzter Sekunde durch einen Sprung zur Seite“ in Sicherheit bringen konnte. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er sich „gefährdet gefühlt“ habe, kam nur ein Nein. Ein Ja dagegen, als der Staatsanwalt wissen wollte, ob die Freundin „angefahren“ worden sei. Aber sie sei nicht verletzt worden, „sie hat sich erschreckt“, so der 18-Jährige.
Bei dem Streit mit dem Angeklagten sei es um Geld gegangen, das er vergeblich verlangt habe. Sein Verdienst sei noch auf das Konto des Mannes gegangen, der im Übrigen gewollt habe, dass er die Tochter heirate. Dies habe er aber nicht gewollt, erklärte der Zeuge, „weil wir noch so jung sind“. Eine „körperliche Auseinandersetzung räumte er nach Zögern und Hinweis des Staatsanwalts auf Wahrheitspflicht schließlich ein. Einen Faustschlag habe er dem Mann aber nicht versetzt, „vielleicht ein bisschen geschubst“. Auf die Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten kann nach Auffassung des Gerichts mittlerweile verzichtet werden. Die Frau hält sich nach Auskunft der Tochter in Rumänien auf. Der 55-Jährige wird sich vorerst weiter in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde aufhalten müssen. Eine Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, wie vom Verteidiger angeregt, lehnte die Kammer ab.