Nach der nächtlichen Messerattacke auf eine 30-jährige Frau vor einem Schnellrestaurant in Sulingen hatte die Kriminalpolizei den Tatverdächtigen schon schnell im Visier. Dank aufmerksamer Zeugen war das Kennzeichen des Fahrzeugs bekannt, mit dem der Mann geflüchtet war. Bald hatten die Beamten seine Wohnanschrift ausgemacht und auch ein Foto zur Hand. Mit dem Erhalt des erforderlichen richterlichen Durchsuchungsbeschlusses stand der bereits vorbereiteten Fahndungsaktion auf dem Hof in Kirchdorf nichts mehr im Wege. Wie diese am Vormittag des 13. September vorigen Jahres ablief und ausging, berichtete am Freitag im Prozess am Landgericht Verden einer der beteiligten Polizeibeamten.
Weder auf dem weitläufigen landwirtschaftlichen Gelände noch im großen Wohnhaus der Familie war der dringend Gesuchte damals gefunden worden – er befand sich noch auf unheilvoller Flucht, wie sich später herausstellen sollte. Offensichtlich ungerührt, gleichwohl durchaus interessiert wirkend, verfolgte der Angeklagte (43) die Schilderungen dieses Zeugen und dreier weiterer, die am achten Verhandlungstag auftraten. Bislang hat er sich zu den massiven Vorwürfen, nämlich einen vollendeten Mord und zweifachen versuchten Mord verübt zu haben, nicht geäußert. Ob überhaupt noch eine Einlassung erfolgen wird, wie von der Verteidigung zum Prozessauftakt im März in Aussicht gestellt, bleibt nach wie vor abzuwarten.
Derweil hat die Schwurgerichtskammer nun zu einem gewichtigen Aspekt der Anklageschrift ein „kurzes Zwischenresümee“ gezogen, wie der Vorsitzende Volker Stronczyk es formulierte. In der Anklage werde „die Möglichkeit einer Stellvertretertötung“ angenommen, so der Richter. Danach soll es der Angeklagte gezielt auf – blondhaarige – Opfer abgesehen haben, die einer früheren Mitschülerin ähnlichsehen. Die Frau habe zu Berufsschulzeiten seine Erwartungen an eine Beziehung enttäuscht und ihn zurückgewiesen. Er habe sich von ihr „ausgenutzt gefühlt“, hatte die Staatsanwaltschaft ausgeführt.
Bis dato hätten sich durch die Auswertung sichergestellter Unterlagen sowie besonders auch durch die Befragung von Zeugen, darunter auch die betreffende Frau, „keine objektiven Umstände“ gefunden, die diese Annahme bestätigten, sagte Stronczyk. „Anhaltspunkte hat die bisherige Beweisaufnahme nicht ergeben“. Entsprechende Indizien seien „abgearbeitet“ worden.
Wohnung gründlich inspiziert
Der Angeklagte war erst am Abend des 13. September im Raum Schwarmstedt (Heidekreis) gefasst worden. Sowohl bei der vormittäglichen Durchsuchung von Haus und Hof an diesem Tag wie auch bei einer zweiten am 20. September hatten die Ermittler vor allem die separate Wohnung des 43-Jährigen gründlich inspiziert und zahlreiche Fotos gemacht. Auch diese Aufnahmen waren jetzt im Gerichtssaal zu sehen und offenbarten allerlei unappetitliche Details aus der mutmaßlichen Lebensführung beziehungsweise zum Befinden des Mannes im mutmaßlichen Tatzeitraum. Der Sachverständige, der den Prozess begleitet, wurde gebeten, diese dokumentierten Entdeckungen zu berücksichtigen und sie „aus psychiatrischer Sicht“ zu erklären.
Wann der Facharzt aus Hannover sein Gutachten erstatten wird, steht noch nicht fest. Ihm gegenüber soll der Angeklagte eingeräumt haben, am 10. September in Barenburg eine 17-jährige Schülerin getötet haben. Er soll dem Psychiater auch gesagt haben, wo das verwendete Messer zu finden sei. Beamte der Polizeiinspektion Diepholz hatten es am 20. November genau an der bezeichneten Stelle entdeckt: „zwischen Mauer und Gebüsch“ neben einem Carport am Haus auf dem elterlichen Hof. „Eine Art Taschenmesser“ mit blauem Griff, wie es hieß. Es sei „der Tat eins zugeordnet“ worden.