Verden/Landkreis Diepholz. Das Verlesen der Anklageschrift dauerte knapp 20 Minuten. Die monströsen Vorwürfe, die darin gegen ihn erhoben werden, vernahm der mutmaßliche Mehrfachtäter am Mittwoch in der Verdener Stadthalle ohne sichtbare Regung. Dem 43-jährigen Mann aus der Samtgemeinde Kirchdorf werden ein vollendeter Mord und zwei versuchte Morde an jungen Frauen zur Last gelegt, verübt am 10. und 13. September vergangenen Jahres. Er habe heimtückisch und aus Mordlust oder aus niedrigen Beweggründen gehandelt, hieß es, und gezielt nach Opfern Ausschau gehalten, die Ähnlichkeit mit einer früheren Mitschülerin aufwiesen. Diese habe einst eine Beziehung zu ihm abgelehnt und seither sei er überzeugt gewesen, dass ähnlich aussehende Frauen „kein Lebensrecht“ besäßen.
Am ersten von voraussichtlich 20 Verhandlungstagen vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat sich der Angeklagte noch nicht geäußert. Außer den nötigsten Personalien war von ihm nichts zu hören. Seine beiden Pflichtverteidiger kündigten indes eine Einlassung für einen späteren Zeitpunkt an, möglicherweise schon beim nächsten Fortsetzungstermin (14. März). Dass sich der Prozessauftakt dennoch über fast drei Stunden hinzog, lag daran, dass die Verteidigung nach einem erteilten rechtlichen Hinweis einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter der Kammer gestellt hat. Nach mehreren Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Anwälte der insgesamt sieben Nebenkläger sowie einigen Beratungspausen wurde der Antrag schließlich zurückgezogen.
Der Angeklagte schweigt zum Motiv
Den Mord an der 17-jährigen Schülerin in Barenburg soll der Angeklagte im Dezember gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen gestanden haben (wir berichteten). Zu seinem Motiv soll er nichts gesagt haben. Auch die Tat an einer 18-Jährigen drei Tage später in Fuhrberg bei Burgwedel, als mit Hochdruck nach ihm gefahndet wurde, soll der Mann eingeräumt haben. Die Staatsanwaltschaft geht nach ihren Ermittlungen davon aus, dass der Landwirt am frühen Abend des 10. September den Entschluss gefasst hat, einen Menschen zu töten. Er soll sich zuvor einige Tage allein auf dem Hof in Kirchdorf befunden und wiederholt Fotos und Videos von gefesselten Frauen, einer Vergewaltigung und Tierpornografie angeschaut haben.
Er sei losgefahren, um ein „geeignetes Opfer“ zu suchen, habe sich durch die geplante Gewalttat „Freude und Befriedigung“ erhofft. Etwa sieben Kilometer vom Hof entfernt habe er die 17-Jährige entdeckt, die mit Inlineskates unterwegs war. Sie habe der besagten Mitschülerin ähnlich gesehen, von der er sich seinerzeit ausgenutzt gefühlt habe. Er habe die Jugendliche gestoppt und sie sofort mit einem Taschenmesser (Klingenlänge: neun Zentimeter) attackiert. Das Opfer habe vergeblich versucht, ihm zu entfliehen. Der Angeklagte habe dann das Messer so verwendet, „wie er es bei der Notschlachtung von Schweinen praktizierte“, und die Leiche „achtlos in einen Graben geworfen“. Die 17-Jährige starb in Folge einer „Kombination aus Verbluten und Ertrinken“.

Dem 43-Jährigen wurden für den Prozess Fußfesseln angelegt.
Am Abend des 12. September habe er sich erneut entschlossen, eine Frau zu töten. Er habe einen Rucksack gepackt und darin unter anderem mehrere Messer, Kabelbinder, Panzerband und eine Sturmhaube verstaut. Zudem habe er eine Reisetasche gefüllt und gegen 20.15 Uhr in Sulingen 250 Euro an einem Geldautomaten abgehoben. Nach Mitternacht, so trug die Staatsanwältin weiter vor, habe er sich auf dem Parkplatz vor McDonalds aufgehalten und den Eingangsbereich beobachtet. Die Frau, die dann das Lokal verließ, habe ebenfalls der Ex-Mitschülerin geähnelt. Er sei auf sie zugeeilt und habe wortlos und in Tötungsabsicht auf sie eingestochen.
Zeugen kamen der 30-Jährigen, die schwer verletzt am Boden lag, zu Hilfe, während der Angeklagte in seinem Auto entkam. Die Frau erlitt potenziell lebensgefährliche Verletzungen und sei durch die Tat nach wie vor stark belastet. Dies gelte ebenso für die 18-Jährige, die am nächsten Vormittag das dritte Opfer des Mannes geworden sei. Auf seiner ziellosen Flucht soll er weiter von dem Wunsch getrieben worden sein, eine Frau zu töten. Gegen 11 Uhr sei ihm in Fuhrberg die 18-jährige Joggerin aufgefallen – Ähnlichkeit auch bei ihr. Bei einem Tempo von 43 Stundenkilometern sei der Angeklagte von hinten direkt auf die junge Frau zugefahren. Sie habe das Fahrzeug nicht herannahen hören, da sie Kopfhörer trug.
Das Opfer stürzte, zog sich diverse Knochenbrüche zu und hätte ohne schnelle medizinische Erstversorgung versterben können, so die Staatsanwältin. Die junge Frau sei weiterhin auf einen Rollstuhl angewiesen und habe noch nicht das geplante Medizinstudium aufnehmen können.
Bei einer Verurteilung droht dem 43-Jährigen lebenslange Haft. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft kommt auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht.