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Jahresrückblick Von Brandstiftung bis Kokain-Kurier

Der Verbrechen schläft nie. Entsprechend viel war los im Jahre 2021 im Landgericht Verden. Ein Jahresrückblick speziell für die Fälle aus dem Landkreis Diepholz.
27.12.2021, 08:00 Uhr
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Von Angelika Siepmann / asi

Landkreis Diepholz/Verden. Das Verbrechen ruht nie. Und entsprechend auch nicht die Gerichtssprechung. Was war los im Jahre 2021 im Landgericht Verden? Welche Fälle aus dem Landkreis Diepholz wurden verhandelt? Ein Rückblick.


Haftstrafe für schwedischen Kokain-Kurier:
Ein weißer VW mit schwedischem Kennzeichen war im Juli 2020 eher zufällig an der Autobahn 28 in eine Verkehrskontrolle geraten. Was Rauschgiftspürhunde des Bremer Zolls darin auf dem Autohof Stuhr erschnüffelten, brachte den Fahrer erst in Untersuchungshaft und dann auf die Anklagebank. Rund ein Kilogramm Kokain hatte der drogenabhängige 28-Jährige just aus den Niederlanden importiert. Sein Dealer in Göteborg, bei dem er mit 10.000 Euro in der Kreide stand, wartete vergeblich auf die Lieferung. Der geständige Kokain-Kurier erhielt wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.


Bundesgerichtshof bestätigt Betrugsurteil:
Gemessen an den ursprünglichen Vorwürfen konnte die frühere Betreiberin einer bundesweit verbreiteten Kindermoden-Kette mit Sitz in Stuhr noch von Glück sagen: Beim Hauptkomplex der Anklage, Kettengeschäften mit geschätzten zehn Millionen Euro Schaden, erschien dem Gericht die Beweislage zu wackelig. Die Frau war 2020 wegen fünffachen gewerbsmäßigen Betruges zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden, wollte aber weitaus mehr erlangen, nämlich Bewährung. Mit diesem Begehren scheiterte sie nun aber auch beim Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter wiesen die Revision als „offensichtlich unbegründet“ zurück.


Komplizierter Fall des Kindesmissbrauchs:
Mit seinen vehementen Unschuldsbeteuerungen stieß ein 38-Jähriger aus Stuhr bei der großen Jugendkammer auf Granit. Er wurde wegen dreifachen, schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Da das Gericht aufgrund der Gesamtumstände aber gleichzeitig von minderschweren Fällen ausging, kam der Mann mit Bewährung davon. Dies hatte er besonders der im Tatzeitraum zwölf und 13 Jahre alten Nebenklägerin zu verdanken: Mit Verweis auf ihre „glaubhaften und erlebnisbezogenen“ Aussagen wurde berücksichtigt, dass die sexuellen Kontakte in seiner Wohnung auf einem Reiterhof „ausschließlich einvernehmlich“ waren. Gleichwohl habe er sich „moralisch verwerflich“ verhalten und die Zuneigung des Mädchens ausgenutzt. Er unterhielt zeitweise parallel eine Beziehung zu dessen Mutter.


Ein Steuersünder spezieller Art:
Er hatte etwas naiv auf eine Bewährungsstrafe gehofft, aber der Steuersünder spezieller Art erhielt von der großen Wirtschaftsstrafkammer einen anderen „Bescheid“: Wegen 34 Fällen der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Untreue, begangen als Beamter des Finanzamtes Syke, wurde der 29-Jährige aus Bassum zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwischen Ende 2017 und Frühjahr 2020 hatte er durch geschickt verschleierte Umbuchungen, auch über Konten Verstorbener und nicht mehr existierender Firmen, einen Gesamtbetrag von 875.000 Euro erlangt. Was der Ex-Steueramtsinspektor sich erschlich, verzockte er gleich wieder. Seine „hochgradige pathologische Spielsucht“ galt als „Grund und Ursache“ der kriminell-finanziellen Machenschaften und führte zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit.


Pferde und Hunde vernachlässigt:
Auf dem Martfelder Hof müssen zumindest Mitte 2017 katastrophale Zustände geherrscht haben. Die 64-jährige Betreiberin wurde wegen 29 zusammenhängenden Fällen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem sprach das Gericht im Berufungsverfahren ein auf fünf Jahre befristetes Verbot der Haltung und Betreuung von Pferden und Hunden sowie des sonstigen beruflichen Umgangs damit aus. Den Tieren sei durch weitgehende Vernachlässigung „länger anhaltendes, erhebliches Leiden“ zugefügt worden. Sie waren vom Kreisveterinäramt Diepholz beschlagnahmt worden. Die Angeklagte zeigte sich uneinsichtig: „Ich habe 30 Jahre meine Tiere und meine Kinder bestens versorgt.“


Bruderzwist und Brandstiftung:
Die Staatsanwaltschaft hatte bis zuletzt am Vorwurf des versuchten Totschlags festgehalten und mehr als vier Jahre Haft gefordert. Aber die Schwurgerichtskammer entschied anders und verhängte 22 Monate auf Bewährung: Der 66-jährige Angeklagte habe nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, als er seinem zwei Jahre jüngeren Bruder mit einem Holzstock zwei Schläge an den Kopf versetzte. Er wurde wegen vollendeter und versuchter Körperverletzung, Brandstiftung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt. Nach den dramatischen Schilderungen des nur gering verletzten Nebenklägers hatte der Ältere ihm am 1. April im Gewerbegebiet Stuhrbaum nach dem Leben getrachtet. Dass seit Langem familiärer Unfrieden und vor allem Bruderzwist herrschte, war im Prozess deutlich zutage getreten.

Zur Sache

Fälle aus der Nachbarschaft

Freispruch vom Mordversuch-Vorwurf: Eine 42-jährige soll beabsichtigt haben, ihren an Diabetes leidenden Ehemann (51) durch die Verabreichung überhöhter Mengen von Morphin und Insulin heimtückisch zu töten. Doch während für die Staatsanwaltschaft feststand, dass die Frau im Januar 2020 in Rehburg-Loccum einen Giftmordversuch unternommen hat, kam die Schwurgerichtskammer zu einem anderen Ergebnis. Es zeichnete sich schon vorzeitig durch Aufhebung des Haftbefehls ab. Die schweigsame Angeklagte war nach langer Untersuchungshaft, in der sie ein Kind von ihrem Freund geboren hat, wieder auf freiem Fuß, als das Urteil verkündet wurde: Freispruch. Es hätten sich keine haltbaren Hinweise ergeben, dass die „stets besorgte und fürsorgliche“ Frau ihren – inzwischen geschiedenen - Mann habe umbringen wollen.


Fragezeichen im Fall „Weserleiche“:
  Noch viel länger hatte sich das Schwurgericht mit dem bundesweit schlagzeilenträchtigen Fall „Weserleiche“ zu befassen. Nach fast 30 Tagen in einem komplizierten Indizienprozess gelangte das Gericht zu dem Schluss, ein Tötungsdelikt sei den drei Angeklagten nicht nachzuweisen. Wie die 19-Jährige aus dem Kreis Helmstedt ums Leben gekommen sei, habe sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit klären lassen. Die an eine Betonplatte gefesselte Leiche der jungen Mutter war Ende April 2020 bei Balge aus dem Schleusenkanal der Weser geborgen worden. Tod durch Ertrinken, wie Gutachten nahelegten, schlossen die Richter aus. Am wahrscheinlichsten sei, dass einer der drei Angeklagten die psychisch schwer kranke Frau durch Würgen getötet habe. Ein 41-Jähriger erhielt acht Jahre Haft wegen schwerer Zwangsprostitution, Vergewaltigung sowie gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen. Seine Ex-Frau (40) kam mit zwei Jahren und neun Monaten davon, ein 54-jähriger Mit-Angeklagter mit einem Jahr mehr.

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