29 Jahre lang hat sich Christina Runge im Landkreis Diepholz für die Gleichberechtigung stark gemacht – nun geht sie in den Ruhestand. An diesem Montag, 30. September, hat Christina Runge ihren letzten Arbeitstag. Sie war zunächst als Frauenbeauftragte der Stadt Diepholz aktiv, ehe sie für 22 Jahre als Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises fungierte. Das Bewerbungsverfahren für ihre Nachfolgerin ist bereits gelaufen; in der Kreistagssitzung an diesem Montag soll dazu Franziska Bavendiek benannt werden.
Christina Runge ist im Landkreis Diepholz groß geworden, interessierte sich zunächst aber mehr für landwirtschaftliche Themen. 1961 in Rahden geboren und zunächst in Holte bei Barnstorf, später in Barver aufgewachsen, machte sie ihr Abitur an der Graf-Friedrich-Schule in Diepholz und danach erst einmal eine landwirtschaftliche Ausbildung. Sie studierte Landwirtschaft, heiratete sogar einen Landwirt und bewarb sich später beim damaligen Amt für Agrarstruktur. "Als Mutter von drei kleinen Kindern bekam ich die Stelle natürlich nicht", erzählt sie. Ärgerlich darüber schrieb sie sogar an Waltraud Schoppe aus Bassum, damals erste niedersächsische Frauenministerin der Grünen. "Doch jede Krise birgt ja auch eine Chance, das ist mein Motto", sagte sie sich.
Und dann wurde da plötzlich die halbe Stelle als Frauenbeauftragte in der Stadt Diepholz ausgeschrieben. Runge bewarb sich und wurde angenommen. Als die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, über die sie mit Jungunternehmerinnen und -gründerinnen und deren Geschäftsführerin Martina Kummer schon gut zusammengearbeitet hatte, wegen Kummers Schwangerschaft eine neue Geschäftsführerin suchte, übernahm sie deren Posten auch noch, wenn auch nur interimsmäßig. Als ihre Vorgängerin beim Landkreis Diepholz, Friederike Damm-Feldmann, in Rente ging, ergriff Christina Runge die Chance und wechselte im Februar 2002 als Gleichstellungsbeauftragte zum Landkreis.
Runge geht nun etwas früher in Rente als ursprünglich geplant – aus rein privaten und vor allem gesundheitlichen Gründen, wie sie sagt. Denn Spaß gemacht hat ihr die Arbeit nach wie vor – auch, wenn manches schlechter laufe als noch vor Jahren. Und weil die großen Themen immer noch die gleichen seien: Das Berufswahlverhalten mit all seinen Folgen, Equal Pay und geringere Renten fallen ihr da ein. "Auch die Kinderbetreuung ist immer noch Thema", sagt sie, ebenso wie die unbezahlte Arbeit in der Familie aufgeteilt wird.
"Ich bin in einem Tal gestartet. Zwischendurch ging es bergauf, und jetzt habe ich wieder das Gefühl, auf ein Tal zuzugehen", sagt sie. Manches, was schon längst geklärt schien, müssten Frauen heute wieder ausdiskutieren. Auch Gewalt, insbesondere sexualisierte, gäbe es natürlich nach wie vor. Deshalb ist sie stolz, dass sie mit ihren Kolleginnen im Landkreis Diepholz schon früh auf die Notwendigkeit der Jungenarbeit hingewiesen habe, denn "ohne die Männer geht es nicht, sie werden gebraucht". Auch die Möglichkeit der Täterberatung kann sie auf ihre Fahne schreiben, ebenso wie viele Mentoring-Programme, in denen es speziell darum gegangen sei, auch Frauen für politische Ämter zu begeistern.
Nur Frauen dürfen Gleichstellungsbeauftragte werden
Auch heute gilt in Niedersachsen noch, dass die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten nur an eine Frau gehen darf. Allerdings müssen die Stellen nach wie vor nicht immer hauptamtlich, sondern dürfen in kleineren Kommunen auch neben- oder ehrenamtlich besetzt werden. Da hat es nach Auffassung von Runge hier im Landkreis einen echten Rückschritt gegeben: Während in der Anfangszeit von den 16 Gleichstellungsstellen in den Kommunen zehn hauptamtlich und sechs nebenamtlich besetzt waren, so seien heute nur noch die Stelle beim Landkreis und die der Kommunen im nördlichen Teil des Landkreises hauptamtlich besetzt, insgesamt sechs. Alles andere werde über Ehren- und Nebenämter abgewickelt.
Auch Runges erste Stelle bei der Stadt Diepholz wurde nach ihrem Wechsel zum Landkreis nur noch ehrenamtlich besetzt. Das ist auch in Barnstorf so. In den anderen Gemeinden sind die Gleichstellungsbeauftragten im Nebenamt mit dieser Funktion beschäftigt, während sie gleichzeitig noch andere Aufgaben innerhalb der Verwaltung innehaben. Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern müssen mindestens eine halbe Stelle hauptamtlich besetzen.
"Es ist erschreckend, man muss wieder viel mehr erklären", sagt Runge, wenn sie auf die vergangenen fast drei Jahrzehnte zurückblickt. Inhaltlich habe der Gleichstellungsprozess von Männern und Frauen "sehr gelitten", sagt sie. Die Diskussionskultur rund um das Thema Gendern sei "unglücklich", das Sprachthema sei einfach zu sehr "hochgekocht". Dennoch müsse man aus alten Gewohnheiten ausbrechen.
Christina Runge will sich nun im Ruhestand Zeit nehmen, "endlich zu reisen", sagt sie. Afrika reizt sie, außerdem hat sie neben ihren Kindern noch drei Enkel, die genau wie ihr Freundeskreis "gut verteilt" seien und für die sie sich mehr Zeit nehmen will. Außerdem wandert Runge gern, schwimmt, betreibt Yoga und ist gern in der Natur. "Ich habe auch noch diverse Ehrenämter", sagt sie. "Ich werde nicht vor Langeweile sterben."