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Landvolk Mittelweser Tobias Göckeritz blickt auf 21 Jahre als Vorsitzender zurück

Bis zum 14. November war Tobias Göckeritz Vorstandsvorsitzender des Landvolks Mittelweser. Jetzt hat er die Altersgrenze für den Posten überschritten. Im Interview lässt er seine Amtszeit Revue passieren.
27.12.2023, 14:39 Uhr
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Tobias Göckeritz blickt auf 21 Jahre als Vorsitzender zurück
Von Emil Stock

Herr Göckeritz, nach 21 Jahren ist ihre Zeit beim Landvolk Mittelweser nun vorbei. Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Tag?

Tobias Göckeritz: Ja! Meine Wahl war eine Kampfabstimmung mit ungewissem Ausgang. Ich war totaler Seiteneinsteiger und wusste erst nach der Entscheidung von meiner Frau und mir für die Kandidatur, dass es überhaupt einen Gegenkandidaten aus dem geschäftsführenden Vorstand geben würde. Ich war hin- und hergerissen, ob ich unter diesen Bedingungen überhaupt kandidieren sollte, habe mich dann aber dafür entschieden, es zumindest zu versuchen und mich der demokratischen Wahl zu stellen.

Sie sind ja nicht wirklich freiwillig gegangen, erklären Sie mal.

Das ist falsch, ich bin sehr freiwillig gegangen. Unsere Vereinssatzung sieht aus gutem Grund eine Altersgrenze vor, die ich für sehr sinnvoll erachte. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass im Moment kein Mitglied aus dem Landkreis Nienburg bereit ist, für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren, gab es auch Überlegungen, die Satzung zu ändern. Ich habe mich strikt dagegen ausgesprochen. Es ist richtig, dass ich das Amt gerne ausgefüllt habe, aber es ist ein Amt auf Zeit. Alles hat seine Zeit – und das ist gut!

Was hätten Sie heute anders gemacht?

Heute bin ich etwas ruhiger. Als Opa habe ich gelernt, dass man seine Enkelkinder, gerade Säuglinge und Kleinkinder, nur angrinsen muss, und man bekommt ein sehr positives Feedback, auch als bärtiger alter Mann. Übersetzt auf die Landvolk-Arbeit bedeutet das: Ich wäre heute etwas diplomatischer im Umgang mit anderen Menschen. Manche Ziele kann man so einfacher erreichen. Wichtig bleibt dabei aber immer, dass man nicht beliebig oder opportun wird.

Gab es ein persönliches Highlight?

Es gibt vieles, an das ich mich gerne erinnere. Allem voran die tollen Persönlichkeiten, die ich durch die ehrenamtliche Arbeit kennenlernen durfte, im Berufsstand, aber auch im öffentlichen Leben. Für unser Landvolk Mittelweser war es vielleicht der Kauf des technischen Zentrums der Sparkasse im Gewerbegebiet Nienburg und der Ausbau zu unserem Grünen Zentrum, an dem Landwirtschaftskammer, Bewilligungsstelle, Landvolk und Beratungsring unter einem Dach für unsere Bauern zu erreichen sind.

Und einen Tiefschlag?

Ich habe einen Grundsatz: Ich rege mich nicht auf über Dinge, die ich nicht ändern kann, aber den Rest packe ich an. Da Gesetze von Menschen auf Zeit gemacht werden, lohnt es sich hier, immer zu kämpfen. Ich habe mich besonders für die Erhaltung unserer heimischen Tierhaltung engagiert, bis hinein ins Landwirtschaftsministerium in Hannover und darüber hinaus. Die Verabschiedung der Nutztierhaltungsverordnung mit ihrem deutschen Sonderweg, besonders für Sauenhalter, führt zu einer Verdrängung der Ferkelerzeugung ins Ausland. Dieser Prozess ist in vollem Gang und wird im kommenden Jahr noch mal beschleunigt. Der Niedergang der Nutztierhaltung, insbesondere auch der Weidetierhaltung in Deutschland, wird gravierende Folgen für unsere Dörfer, den ländlichen Raum und unsere Kulturlandschaft haben. Aber ich gebe nicht auf, dagegen zu kämpfen.

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In ihrer Laudatio haben sie gesagt, dass damals und heute quasi die gleichen Probleme die Arbeit beherrschen. Gibt es einen Ausweg?

Ich habe aus dem ersten Artikel unserer Heimatzeitung nach meiner Wahl, in dem ich interviewt wurde, zitiert. Dabei ging es um Nährstoffe für Pflanzen und Wirtschaftsdünger und was die Landwirte auf diesem Gebiet alles leisten. Es ging darum, wie man diese komplizierten naturwissenschaftlichen Zusammenhänge – ich habe nicht ohne Grund ein landwirtschaftliches Studium abgeschlossen – der Politik und Öffentlichkeit näherbringt. Wenn die Öffentlichkeitsarbeit allein nicht ausreicht, Fachverstand in Gesetze und Verordnungen einfließen zu lassen und Ideologie zu verdrängen, dann werde ich in Zukunft dafür arbeiten, dass sich parlamentarische Mehrheiten wieder hin zu gesundem Menschenverstand und Fachwissen verändern.

Was werden Sie vermissen?

Ich werde den einfachen Informationsfluss und die Begegnungen vermissen. In Zukunft werde ich mehr Aufwand betreiben müssen, um mir aktuelle Informationen zu beschaffen und Kontakte zu wertvollen Menschen zu pflegen und zu halten.

Wie geht es denn bei Ihnen weiter? Hätten Sie weitergemacht, wenn sie gekonnt hätten?

Nachdem ich in den letzten 21 Jahren überparteilich und überkonfessionell für den landwirtschaftlichen Berufsstand geworben habe, werde ich jetzt politischer. Die ersten zwölf Jahre habe ich überwiegend auf Öffentlichkeitsarbeit gesetzt, dann haben wir versucht, für unsere Anliegen friedlich zu demonstrieren. Mit großen Trecker-Demos bis in die Hauptstädte. Beides ohne Erfolg, weder das eine noch das andere hat eine vernünftigere Gesetzgebung für den ländlichen Raum bewirkt. Deswegen engagiere ich mich jetzt politisch bei den Freien Wählern. Ich bin Vorsitzender des Bundesfachausschusses Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft geworden und schreibe am Europawahlprogramm der Partei mit. Ich versuche jetzt, die konservative, liberale Kraft der Mitte für den ländlichen Raum in die Parlamente zu bekommen. Der gesunde Menschenverstand muss wieder Einzug in Regierungshandeln finden.

Das Interview führte Emil Stock

Zur Person

Tobias Göckeritz

wurde als ältester Sohn der Familie Göckeritz in Göttingen geboren. Der heute 65-Jährige machte nach seinem Abitur in Helmstedt ebenda eine Lehre als Landmaschinenmechaniker. Es folgte ein Studium der Landwirtschaft an der Fachhochschule in Rendsburg in Schleswig-Holstein. Im Landkreis Nienburg ließ er sich Mitte der 1980er Jahre nieder. Heute hält er auf seinem Hof im Familienbetrieb 200 Muttersauen, hat 1000 Ferkelaufzuchtplätze und 1350 Schweinemastplätze. Zudem bewirtschaftet er 40 Hektar Ackerland und je 20 Hektar Grünland und Wald. Er ist Vater von vier Kindern und Großvater von sieben Enkeln.

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