Die Eltern und die etwas jüngere Schwester machen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, er selbst schweigt vor Gericht nach wie vor. Was der Mann, der einen Mord und zwei Mordversuche verübt haben soll, möglicherweise dem psychiatrischen Sachverständigen von seinem Leben erzählt hat, bleibt abzuwarten. Vorerst versucht die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Verden daher, sich mithilfe von Menschen aus dem sonstigen Umfeld ein Bild davon zu verschaffen, wie der Angeklagte „tickte“. Ein mühsames Unterfangen, denn der 43-Jährige galt als Einzelgänger, der offenbar weitgehend zurückgezogen lebte.
Einen Bereich aber gab es über Jahre, in dem er sich auch außerhalb des familiären Landwirtschaftsbetriebs über Jahre engagierte. „Wir von der Feuerwehr waren noch sein Kontakt zur Außenwelt“, sagte am Dienstag ein Zeuge, der verhältnismäßig viel zu berichten wusste. Was nicht verwunderte, denn der 61-Jährige ist nicht nur ein Cousin des Vaters des Angeklagten, sondern war auch lange in leitender Funktion bei der Kirchdorfer Feuerwehr tätig. Und dort hat der Zeuge, von Beruf ebenfalls Landwirt, den 43-Jährigen häufig als fleißiges Mitglied erlebt: „Er war ein absolut zuverlässiger Feuerwehrmann, bei Einsätzen hoch motiviert.“ Der Mann habe auch die Geselligkeit genossen. „Dass er da unter Leuten und Mitglied des Teams war“, sei ihm wichtig gewesen.
Verurteilung von 2016 ist Thema
Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters wurde auch „der Vorfall vor knapp acht Jahren“ thematisiert. Gemeint war eine 2016 erfolgte Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Stolzenau. Dem Vernehmen nach hatte er damals wegen versuchten sexuellen Missbrauchs, Freiheitsberaubung und Körperverletzung eine anderthalbjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten. Bei dem Opfer soll es sich um einen 14-jährigen Jugendlichen gehandelt, die Tat sich im Landkreis Nienburg ereignet haben. Danach sei der Angeklagte bei der Feuerwehr zunächst „von der Bildfläche verschwunden“, berichtete der Zeuge. „Irgendwann“ sei dann der Vater bei ihm erschienen und habe gefragt, ob der Sohn vielleicht wieder aktiv werden könne. Dies sei bei der Wehr „intensiv diskutiert worden“. Die Mehrheit habe schließlich die Meinung vertreten, dem Mann sei eine zweite Chance zu gewähren. Er sei dann auch wieder öfter erschienen.
Am Abend des 10. September vorigen Jahres, einem Sonntag, soll der Angeklagte in Barenburg mit mehreren Messerstichen eine 17-jährige Schülerin getötet haben, die auf Inlineskatern unterwegs war. Noch am Freitag zuvor hatte der Zeuge Kontakt zu ihm. Er habe ihn „als normal“ wahrgenommen, gleichwohl auch als „ein bisschen aufgekratzt“. Die Eltern, so hieß es, seien gerade weg und er jetzt quasi Chef auf dem Hof. Mit der Familie der Getöteten sei er befreundet, sagte der Zeuge auch: „Daher hat mich das alles auch extrem mitgenommen."