Verden/Weyhe/Bruchhausen-Vilsen. Die ihnen vorgeworfenen Überfälle auf eine Tankstelle in Bruchhausen-Vilsen und einen Verbrauchermarkt in Leeste haben die beiden Angeklagten vor der großen Jugendkammer des Verdener Landgerichts weitgehend eingeräumt (wir berichteten). Nicht nur bei ihren Geständnissen betonten sie, zu den Tatzeiten, 22. und 24. September 2022, unter erheblichem Drogen- und Alkoholeinfluss gestanden zu haben. Darauf wurde auch mehr oder weniger deutlich verwiesen, als sie sich bei ihren Opfern im Gerichtssaal entschuldigten. Im Falle eines Mitarbeiters des Netto-Marktes hörte sich das so an: „Wir wussten ja leider beide nicht, was wir da genau machten.“
So verhielt es sich jedenfalls nach Darstellung des 22-Jährigen, dem wie sein drei Jahre jüngerer Freund und Komplize eine Verurteilung wegen zweifachen schweren Raubes blühen könnte. Ihre Angaben zum angeblich reichlichen Konsum von Cannabis, Wodka und besonders Kokain hatten das Gericht bereits am ersten Verhandlungstag veranlasst, dem Thema auf den Grund zu gehen. Kurzfristig wurde eine psychiatrische Sachverständige mit der Erstellung entsprechender Gutachten beauftragt. Dabei sollte vor allem die Frage beleuchtet werden, ob den Angeklagten möglicherweise eine verminderte Schuldfähigkeit zu attestieren wäre.
Wie es tatsächlich um ihre Beeinflussung durch Betäubungsmittel bestellt war, als die Überfälle verübt wurden, lässt sich nicht konkret nachweisen. Denn zunächst war den beiden jungen Männern aus Bruchhausen-Vilsen die Flucht gelungen. Den älteren Verdächtigen hatte die Polizei drei Tage nach der zweiten Raubtat in dessen Wohnung aufgespürt, wo auch eine Schreckschusswaffe und ein Teil der Beute entdeckt worden waren. Die vorläufige Festnahme des damals 18-Jährigen, der sich unter laufender Bewährung befand, sollte noch etwas auf sich warten lassen. Er war zunächst nach Lübeck getürmt, wo er lange gelebt hat und auch schon vor Gericht stand. Dem Vernehmen nach hatte er sich dort in einem Hotel einquartiert.
Keine Proben zum Nachweis
Auf Resultate von Haar-, Urin- oder Blutproben kann die Jugendkammer nicht zurückgreifen. Es gäbe keine Proben, die die von den Angeklagten behauptete „Intensität des Konsums stützen könnte“, erklärte die Vorsitzende. Umso mehr Bedeutung kommt in dem Strafverfahren den Ergebnissen der Explorationen zu, die die Sachverständige Imke Mundorff-Vetter aus Bremen vorgenommen hat. Sowohl bei dem jetzt 19-Jährigen, der schon den Jugendarrest kennengelernt hat, als auch bei dem 22-Jährigen mochte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie eine verminderte Schuldfähigkeit zumindest nicht ausschließen.
Der 22-Jährige, der eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert hat und derzeit arbeitslos ist, will an den Tattagen viel Hochprozentiges getrunken und sich etwa zweieinhalb Gramm Kokain zugeführt haben. Der stetig gestiegene Drogenkonsum, mitunter tägliche, teure Besuche von Spielhallen sowie der Kauf „hochpreisiger Kleidung“ habe seine Schulden immer mehr anwachsen lassen. Für Koks hat er, wie er gegenüber der Gutachterin angab, zuletzt allein über 1000 Euro pro Monat benötigt. Seine bewegte Biografie verzeichnet schon für 2018 den zweimonatigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik.
Schulden sollen auch den 19-Jährigen geplagt haben. Für Drogen habe er wöchentlich 400 Euro gebraucht; auch bei ihm ging der Kokainerwerb am meisten ins Geld. Mundorff-Vetter diagnostizierte bei dem Gelegenheitsjobber ohne Ausbildung eine „substanzindizierte seelische Störung“. Mit dem Gesetz sei er schon mehrfach in Konflikt geraten. So hat ihn das Amtsgericht Lübeck vor zwei Jahren wegen einer einschlägigen Tat sowie Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten verurteilt. Was im aktuellen Prozess am Landgericht Verden herauskommt, wird sich voraussichtlich schon beim Fortsetzungstermin am 7. September zeigen.