Zum mittlerweile 13. Mal lud die Bürgerstiftung Syke am Sonntag zum traditionellen Bürgermahl. Stargast des Abends war der renommierte Zukunftsforscher und Wirtschaftsethiker Nick Lin-Hi, der mit seinem visionären Thema „Moin Zukünfte – Willkommen im Jahr 2050!“ die Gäste in die Welt von morgen entführte.
Seit der Premiere des Bürgermahls vor 14 Jahren bringt die Syker Bürgerstiftung Menschen aus Syke und Umgebung zusammen, die nicht nur Denkanstöße mit nach Hause nehmen, sondern auch etwas für den guten Zweck tun wollten. Ein Großteil der Spenden fließt in lokale gemeinnützige Projekte, darunter die Syker Tafel, das Reparatur-Café sowie die Wunschzettel-Aktion für Bedürftige, erklärte Stiftungsrat Michael Lux, der durch die Veranstaltung führte.
Bürgermahl verzeichnet Besucherrekord
Das Dillertal-Catering-Team aus Bruchhausen-Vilsen bot den Gästen ein kulinarisches Erlebnis: Einer Hummerrahmsuppe mit frischer Kresse folgten Rumpsteak, Riesengarnele und gebratener Lachs mit Rosmarinkartoffeln und Kartoffelgratin. Zum Dessert genossen die Gäste eine weiße Schokoladenmousse mit Mangokompott, umrahmt von einer Himbeer-Mascarpone-Creme. Auch vegetarische Alternativen standen zur Wahl. Für die musikalische Umrahmung sorgte erneut Sören Tesch, der das Bürgermahl bereits seit der Gründung am Klavier begleitet.
Ralf Michel, Vorsitzender der Bürgerstiftung, zeigte sich bei seiner Begrüßung beeindruckt von der großen Resonanz: Mit 96 Anmeldungen verzeichnete das Bürgermahl einen Besucherrekord. Das steigende Interesse sah der Gastgeber auch als Bestätigung der Themenwahl. „Mit dem Vortragsthema von Professor Lin-Hi haben wir den Zeitgeist getroffen", erklärte Michel begeistert. "Die Idee, einen Blick auf das Jahr 2050 zu werfen, zieht offenbar viele Menschen an.“
Professor Nick Lin-Hi, der als Pionier im Bereich Zukunftsfragen und Wirtschaftsethik gilt, ist an der Universität Vechta tätig und bekannt für seine prägnanten und oft auch provokanten Thesen. In Syke führte er die Gäste auf unterhaltsame Weise in ein Gedankenspiel über die Welt von morgen. „Die Welt von heute werden wir 2050 nicht wiedererkennen“, so Lin-Hi. Mit diesem Satz spannte er den Bogen für eine faszinierende und zugleich nachdenklich stimmende Vision, die das Publikum mit unterschiedlichsten Entwicklungen konfrontierte – von medizinischen Durchbrüchen über künstliche Intelligenz bis hin zu einem grundlegend veränderten Lebensstil.
Lin-Hi veranschaulichte, wie die Art und Weise, wie wir uns heute fortbewegen, in naher Zukunft revolutioniert werden könnte. Autonomes Fahren werde das Verkehrsbild dominieren, und Führerscheine könnten bald der Vergangenheit angehören. „Autos werden untereinander kommunizieren und so den Verkehr effizienter und sicherer gestalten“, so der Zukunftsforscher. Auch in der Landwirtschaft stünden große Veränderungen bevor. In einer Welt, in der die Nachfrage nach Fleischprodukten im Jahr 2050 60 Prozent höher als heute sein wird, sieht Lin-Hi die sogenannte zelluläre Landwirtschaft als Lösung. Anstatt Fleisch durch Massentierhaltung zu gewinnen, sollen tierische Produkte in Bioreaktoren hergestellt werden – eine Innovation, die nicht nur Ressourcen schont, sondern auch die ökologischen Belastungen der heutigen Tierhaltung verringert.
Lin-Hi über Innovationen der Zukunft
Lin-Hi betonte die Bedeutung von künstlicher Intelligenz und Big Data für die Gesellschaft der Zukunft. So könnten etwa Online-Händler durch Datenanalysen voraussagen, welche Produkte jemand benötigt, bevor die Person selbst darüber nachdenkt. „Der Paketbote klingelt, und Sie haben Produkte, die Sie nicht bestellt haben, aber die Sie brauchen werden“, erklärte er humorvoll. Ein Beispiel aus den Niederlanden zeigte, dass diese Form der vorausschauenden Lieferungen bereits heute im Bereich der Pizzalieferdienste erfolgreich getestet wird.
Ein weiteres Thema, das viele Gäste faszinierte, war die Vorstellung, dass Schlüssel, Bankkarten und andere Identifikationssysteme durch in die Haut implantierte Chips ersetzt werden könnten. „Die Zukunft wird eine ganz neue Form der Mensch-Maschine-Symbiose mit sich bringen“, erklärte Lin-Hi. In einer Welt, in der Roboter nicht nur technische Unterstützung, sondern soziale Begleiter werden könnten, seien die gesellschaftlichen Implikationen enorm. Auch auf medizinische Innovationen wie Biodrucker für Organe und Diagnose-Systeme zur Prävention von Krankheiten kam er zu sprechen.
Gäste zu Diskussionen angeregt
Die Abfolge von Vortrag und Essensgängen bot den Gästen die Möglichkeit, das Gehörte zu reflektieren und in persönlichen Gesprächen zu diskutieren. Einige Aussagen Lin-His sorgten für angeregte Diskussionen am Tisch. Der Zukunftsforscher scheute sich nicht davor, auch unangenehme Themen wie die Folgen des Klimawandels und die Notwendigkeit radikaler Innovationen anzusprechen. „Die Definition von Wahnsinn ist: Immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“, zitierte er Einstein und appellierte an die Bereitschaft, grundlegende Veränderungen zu akzeptieren.
Zum Abschluss konnten die Gäste eigene Fragen stellen und persönliche Gedanken äußern. So wurde auch die Frage nach den ökologischen und energetischen Herausforderungen innovativer Technologien thematisiert. Lin-Hi zeigte sich optimistisch, dass erneuerbare Energien in der Zukunft eine zentrale Rolle spielen werden und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern könnten.
Das Publikum war begeistert und applaudierte ausgiebig. Liane Brockmann brachte die Gedanken vieler Gäste auf den Punkt: „Lin-Hi hat uns viele Einblicke in die Zukunft gewährt. Wenn auch einiges utopisch klingt, kann man vieles nachvollziehen.“ Ihre Tochter Sandra Weinert war ebenfalls fasziniert von der vierstündigen Veranstaltung, stellte jedoch klar, dass sie ihre persönliche Unabhängigkeit in einer zunehmend automatisierten Welt nicht verlieren möchte. Der 20-jährige Enkel Hauke Weinert war von den Ausführungen Lin-His ebenfalls begeistert: „Von einigen Dingen habe ich schon vorher gehört und sie betreffen mich auch beruflich. Aber alles so komprimiert zu hören, ist schon sehr spannend.“