Das Original befindet sich seit mehr als 150 Jahren am nordöstlichen Ende des Hyde Parks in London. Dort darf jeder ohne Anmeldung einen Vortrag zu einem beliebigen Thema halten und seine Meinung in die Welt tragen. Wie diese Idee zu den Überlegungen des SPD-Ortsvereins in Syke fand, sich offensiver in der Öffentlichkeit zu zeigen, erläutert dessen Vorsitzender Ralf Betcher. Der Vorstand habe darüber nachgedacht, wie die SPD in Syke noch aktiver werden könnte. In einem Brainstorming fand der Gedanke einer Speaker´s Corner schnell große Resonanz. Als idealer Platz wurde der Biergarten am Edgar-Deichmann-Park ausgemacht. Bei schlechtem Wetter hätte man auch in den Raum der Begegnungsstätte „Gleis 1“ im Syker Bahnhof ausweichen können. Aber soweit kam es dann nicht, denn die erste Speaker´s Corner fand Mittwochabend im besagten Biergarten bei gutem Wetter statt.
Wertschätzend und respektvoll
Udo Meyer, Beisitzer im Vorstand des Ortsvereins, begrüßte gut 30 Interessierte. Als Schwerpunkt für dieses erste Treffen gab er das Thema „Demokratie ist politische Teilhabe“ aus. Die Demokratie habe es zurzeit etwas schwierig, sagte er. Zwar sei die Gesellschaft ständig „online“, um jeden werde sich gekümmert, aber man habe das Gefühl, dass man selber vernachlässigt werde.
Der SPD Ortsverein möchte hören, wie die Meinung der Syker dazu sei, um diese dann in politische Diskussionen einzubeziehen. Dabei müsse bei den Redebeiträgen nicht immer alles harmonisch verlaufen: Auch unliebsame Themen könnten vorgebracht werden und es könne natürlich auch gestritten werden. Ein wertschätzender und respektvoller Umgang untereinander sei dabei selbstverständlich.
Zu den weiteren Spielregeln für den Abend erläuterte er noch, dass jedem eine Redezeit von fünf bis zehn Minuten zustehe, es keine technischen Hilfsmittel gebe und anstatt wie im Hyde Park nicht Kisten oder kleine Trittleitern als Podest den Rednern zur Verfügung stehen, sondern jeder, der Lust hat, sich auf eine Parkbank stellen könne.
Die weitere organisatorische Abwicklung des Abends oblag dann Betcher. Er nahm die Rednerwünsche entgegen, achtete auf die Einhaltung der Redezeit und motivierte dann noch die Anwesenden damit, dass die Kosten für die Getränke der Ortsverein übernehme. Ganz besonders freute er sich, dass Sykes Bürgermeisterin Suse Laue, Peggy Schierenbeck als Mitglied des Bundestages und Dennis True als Mitglied des Landtages Zeit gefunden hatten. Und diese drei eröffneten dann auch die Rednerbeiträge.
Lob von offizieller Seite
Peggy Schierenbeck stellte in ihrer Rede heraus, dass zu viel gemeckert werde. Oft bestimmen negative Schlagzeilen den Alltag. Es gelte, auch mal mit dem Vorhandenen zufrieden zu sein. „Das, was wir haben, ist so wertvoll“, sagte sie. Auch Dennis True bezog sich auf hervorragende Bedingungen in Deutschland. Dennoch sei eine funktionierende Demokratie nicht selbstverständlich. Er forderte die Anwesenden auf, für Demokratie einzutreten und Zeichen zu setzen.
Bürgermeisterin Suse Laue lobte die Initiative des Ortsvereins und freute sich, dass so viele Interessierte der Einladung zu diesem Abend gefolgt seien. Wichtig sei, dass Meinungen ausgetauscht würden, um Entscheidungen treffen zu können. Dafür stünden aber auch die Volksvertretungen in den Gemeinden, also die Räte zur Verfügung.
Von der Bildung bis zur Rente
Im Anschluss an die eher offiziellen Redebeiträge hatten dann die Gäste die Möglichkeit, ihre Meinungen kundzutun. Und davon wurde auch ordentlich Gebrauch gemacht. Die Themen erfassten zum einen den Bildungsbereich, und dass es dabei nicht, wie kürzlich beschlossen, zu weiteren Einschneidungen kommen dürfe. Intensiver beschäftigten sich die Rednerbeiträge mit der Einkommenssituation in Deutschland. Die Kluft zwischen Arm und Reich werde immer größer. Entsprechend der Initiative „Tax the Rich“ sei eine europäische Steuer auf große Vermögen zu erheben, forderte eine Rednerin. Dieses Unwohlsein teilte ein weiterer Redner, der dann auch darauf aufmerksam machte, dass andere Parteien, wie die AfD, leichtes Spiel hätten, diese Situation auszuschlachten.
Wiederum kritisierte ein weiterer Redner die Rentensituation. Das Rentenniveau sei in den letzten Jahren erheblich gesunken. Dabei bestünde dringender Handlungsbedarf. Auch der Unterschied zu den Beamtenpensionen sei ungerecht, dies betreffe ebenso die Inflationsausgleichsabgabe. Zum anderen wurde gefordert, dass die Politik mehr auf den Bürger zugehen müsse. Das richtige Stichwort für Ralf Betcher: „Genau das machen wir hier.“ Bis fast 22 Uhr wurde weiter intensiv diskutiert.
Betcher zeigte sich nach Abschluss der Veranstaltung hocherfreut. "Das Format war ein Erfolg. Das zeigen nicht nur die Resonanz, sondern auch die vielen qualitativen Beiträge. Diese werden wir jetzt auswerten und in unseren Gremien, dem Vorstand und der Mitgliederversammlung besprechen. Und klar, es wird eine Fortsetzung geben. Über das nächste Schwerpunktthema denken wir schon nach."