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Landgericht Verden Auf einem Auge blind durch Gewalt: Haftstrafe für Ex-Partner bestätigt

Haftstrafe für Ex-Partner bestätigt: Das Landgericht Verden sieht es als erwiesen an, dass ein 59-jähriger Twistringer seine damalige Partnerin so schwer verletzte, dass sie erblindete.
23.03.2025, 14:23 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Seit dem 11. November 2022 ist für die heute 59-jährige Frau nichts mehr, wie es mal war. Zu ihrer eigenen, aber auch zur Überzeugung des Landgerichts Verden ist ihr Ex-Partner dafür verantwortlich, dass sie seitdem auf dem linken Auge blind ist. Durch massive Gewalteinwirkung hatte sie damals in der noch gemeinsamen Wohnung in Twistringen unter anderem auch eine Rippenserienfraktur, einen Nasenbeinbruch sowie einen Bruch des Brustbeins erlitten, der zu einem Lungenriss und einem Pneumothorax geführt hatte. Die dringend erforderliche ärztliche Hilfe war ihr erst nach etwa 14 Stunden zugekommen. Der gleichaltrige Angeklagte tischte nun auch in der Berufungsverhandlung eine ganz andere Version der Geschehnisse auf, aber geglaubt wurde ihm wieder nicht.

Landgericht konstatiert "Roheit und Teilnahmslosigkeit"

Die 5. Kleine Strafkammer erkannte nach zweitägiger Beweisaufnahme auf schwere sowie in Tateinheit gefährliche Körperverletzung. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte, für den das Bundeszentralregister auch eine 1992 erfolgte Verurteilung wegen Totschlags ausweist, erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Das Amtsgericht Syke hatte Ende September wegen schwerer Körperverletzung drei Jahre Haft verhängt. „In jeder Hinsicht angemessen“, unterstrich der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Angesichts der konstatierten „Rohheit und Teilnahmslosigkeit“ hätte man auch über eine höhere Strafe nachdenken können“. Mehr als nachdenken aber auch nicht, denn der Kammer waren quasi die Hände gebunden.

Zum einen hatte der Angeklagte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Somit galt das Verschlechterungsverbot. Zum anderen hatte der Twistringer gerade auch eine einjährige Gefängnisstrafe wegen des Anbaus von Cannabis verbüßt. Diese war zwar ursprünglich vom Amtsgericht zur Bewährung ausgesetzt worden, doch weil der dem Alkohol zugeneigte Twistringer sich nicht an die Arbeitsauflagen gehalten hatte, war die Strafe vollstreckt worden. Erst wenige Tage vor seinem fälligen Auftritt in Verden war er aus der Haft entlassen worden. Die Pflanzen des Anstoßes – der Mann sprach von nur vier, der Richter von einer ganzen Marihuana-Plantage – waren während des Polizeieinsatzes am Tag nach der Gewalttat in der Wohnung entdeckt worden. Wäre beides zusammen verhandelt worden, so hieß es, hätte eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen. Weil dies jedoch unterblieb, war aufgrund der bereits abgesessenen zwölf Monate ein sogenannter Härteausgleich vorzunehmen.

Ehemalige Partnerin mit Faustschlägen attackiert

Dass seine ehemalige Lebensgefährtin an jenem späten Novemberabend die volle Härte seiner Faustschläge erleiden musste, stand für die Kammer außer Frage. Der Angeklagte hatte die – unglaubwürdig verkörperte – Rolle des reinen Unschuldsengels zwar im Prozess nach und nach etwas abgestreift, aber bis zuletzt beteuert, der schon im Bett liegenden Frau lediglich drei Schläge mit der flachen Hand versetzt zu haben – nur an die Körperseite, keinesfalls ins Gesicht. Die vielen Brüche und besonders auch die schlimme Augenverletzung müsse sie sich sturzbetrunken bei einem Sturz im Wohnzimmer zugezogen haben, behauptete er hartnäckig. Sie habe nicht gewollt, dass ein Arzt verständigt werde.

Ein Freund, den er telefonisch herbeigebeten habe, sei gelegentlich nach oben ins Schlafzimmer gegangen und habe nach ihr geschaut. Aber Hilfe habe sie weiterhin abgelehnt. Was nicht stimmt, wie das Opfer betonte. „Wenn man solche Schmerzen hat, will man einen Arzt“, sagte die Rentnerin bei ihrer Vernehmung an der Seite einer psychosozialen Prozessbegleiterin. Der Angeklagte und sie hätten sich nach schwieriger Beziehung („Er wurde immer aggressiver“) schon in der Trennungsphase befunden. Sie sei an dem Abend zunächst allein und frustriert gewesen, weil es mit der erhofften neuen Wohnung nicht geklappt habe. Daher habe sie erst Wein getrunken, dann auch Wodka.

Hilfe erst spät zugelassen

Leider habe sie seine Wodkaflasche, die „griffbereit“ am Sofa gestanden habe, mit nach oben genommen. Darüber sei der Mann beim Nachhausekommen wütend gewesen, habe sie beschimpft – „und dann kam auch schon die erste Faust geflogen“. Erst viel später waren dann doch noch Sanitäter und Notarzt erschienen. Veranlasst von einer Zeugin, bei der der Angeklagte aufgetaucht war und der er nur mitgeteilt hatte, er habe „Scheiße gebaut“. Das Gericht ging davon aus, dass er dem Opfer die „multiplen und schwersten Verletzungen“ mit Faustschlägen zu gefügt hat und auch die Schuld daran trägt, dass die Frau in Folge eines geplatzten Augapfels nun halbseitig blind ist.

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Der strafrechtlich bereits erheblich in Erscheinung getretene Angeklagte habe versucht, eine Art von Geschehensablauf zu konstruieren, „bei dem so wenig Strafbares wie möglich bleibt“. Er und sein Kumpel hätten die Frau über Stunden ihrem Schicksal überlassen und derweil „Darts gespielt, Musik gespielt und gesoffen“.

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