Wer hätte nicht gerne eine Disco als Mittelpunkt seiner Arbeit, ohne dafür nachts aufstehen zu müssen. Für Sandra Witte ist das kein Traum, sondern Realität. Sie ist seit sieben Jahren im Museumsdorf Cloppenburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit der Forschung rund um die Landdiskothek „Zum Sonnenstein“. Denn entgegen der landläufigen Meinung ist die Arbeit nicht mit deren Umzug von Harpstedt nach Cloppenburg getan.
Witte bewarb sich direkt für die Arbeit am „Sonnenstein“. Das Projekt fasziniert sie, weil sie als gebürtige Großenkneterin die Disco schon „vom Hörensagen“ kannte. Viele ihrer Freunde besuchten das Tanzlokal in den 1980er- und 1990er-Jahren.
Rückblick auf Umzug
Wir schreiben das Jahr 2017: Wo vorher Volontärinnen die Umsiedlung nur temporär koordiniert haben, betritt nun Witte im wahrsten Sinne des Wortes die Tanzfläche. Zusammen mit Michael Schimek, dem Leiter der bauhistorischen Abteilung, begleitet sie jeden Schritt der Translozierung, also des Umzugs. Schon während der Abbauphase kommen immer wieder Gäste auf die Baustelle und erzählen Geschichten, die sie im „Stein“ – wie die Disco liebevoll genannt wird – erlebt haben.

Sandra Witte zeigt die Formulare mit denen Zeitzeugen gesucht werden.
Interviews zu Discogeschichten
Diese Geschichten sammelt Witte heute noch. Sie interviewt Menschen, die ihre Discogeschichten teilen wollen. Dabei lernt auch die wissenschaftliche Mitarbeiterin nicht aus. So hat sie zum Beispiel erst von Zeitzeugen erfahren, dass an einem der Fenster zur Straße hin immer ein Rückspiegel hing. So schaute der Wirt, ob schon wieder Taxen auf der Straße stehen und er die nächsten Gäste hinausschicken kann. Heute ist nur noch die Stelle erkennbar, wo der Rückspiegel hing. Witte hat lange gerätselt, was dort wohl abgebrochen ist.
Mehr als 60 Interviews hat die 56-Jährige gemeinsam mit ihren Kolleginnen in den vergangenen acht Jahren geführt, wobei es einen starken Überschuss an Männern gibt. „Männer erzählen gerne, was für einen Unfug sie gemacht haben“, lacht Witte. Trotzdem sucht sie immer wieder Frauen, die für ein Gespräch zu begeistern sind, denn jede Geschichte sollte erzählt werden. Wer seine Geschichte teilen möchte oder Fotos aus der Disco hat, kann sich bei Witte unter sonnenstein@museumsdorf.de melden.
Neues Archiv mit 2600 Fotos
Neben den Interviews nimmt die Arbeit an einem neuen Fotoarchiv einen Großteil von Wittes Tag ein. Die Bilder stammen alle von der ehemaligen Betreiberin des „Sonnensteins“, Gunda Sengstake. Sie hat von 1973 bis 2008 mehr als 2600 Fotos in der Disco geschossen. In dieser Zeit waren sie und ihr Mann Klaus Inhaber des „Steins“. Witte arbeitet nun daran, die Fotos zu katalogisieren. Sie nummeriert, sortiert – soweit es möglich ist – nach Jahren, notiert Schlagworte und den Hintergrund, um die Fotos später besser wiederzufinden. Außerdem versucht sie herauszufinden, wer dort abgebildet ist. Das ist wichtig, damit die Persönlichkeitsrechte berücksichtigt werden, denn die Fotos dürfen nicht einfach ohne die Erlaubnis der Abgebildeten in die Ausstellung. Die Suche sei manchmal frustrierend, berichtet Witte, aber wenn die Abgebildeten erst einmal gefunden seien, „freuen sich die meisten total“ und gäben auch ihre Einwilligung, ausgestellt zu werden.
Tanzen wie vor 40 Jahren
Sowieso sind die Erinnerungen an die Zeit im „Sonnenstein“ bei allen Zeitzeugen fast nur positiv. Die meisten freuen sich, ihren Kindern und Enkeln die eigene Jugend näherzubringen, wie eine kleine Zeitreise. Einige tanzten sogar zusammen auf dem leuchtenden Boden der Disco, hat Witte beobachtet.
Ende des Jahres soll der Ausbau des Obergeschosses fertig sein. Dort entsteht ein „Sonnenstein-ABC“ mit Originalgegenständen aus der Disco. Außerdem ist eine Reise durch die Musikgeschichte mit verschiedenen Schallplatten geplant, und auch ein Blick in das Leben des ehemaligen Betreiberpaares Gunda und Klaus Sengstake soll möglich sein.
Witte wird auf jeden Fall in den kommenden Jahren die Arbeit nicht ausgehen, doch das ist kein Problem: Sie arbeitet gerne im Museumsdorf und gerade die Arbeit am Projekt „Sonnenstein“ mache ihr „sehr viel Spaß“.