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Kinderbetreuung in Bremen-Nord Wie eine Großtagespflegestelle funktioniert

In Vegesack wird im Sommer die erste sogenannte Großtagespflegestelle eröffnen. Wie der Betrieb dort aussehen wird, zeigt ein Besuch im Spatzennest in Hatten.
12.06.2023, 08:00 Uhr
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Wie eine Großtagespflegestelle funktioniert
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Was es im niedersächsischen Hatten bereits seit sechs Jahren gibt, wird es ab September auch in Vegesack geben: eine sogenannte Großtagespflegestelle. Acht Kinder unter drei Jahren werden dort von zwei Tagesmüttern betreut. Wie der Alltag in einer solchen Einrichtung aussieht und welche pädagogischen Schwerpunkte der Träger hat, zeigt ein Besuch im Spatzennest – eine Einrichtung des Familienservices Weser-Ems, der jetzt nach Bremen kommen will.

"Der Tag beginnt im Eingangsbereich", sagt Vorständin Marion Wellnitz. "Wenn der Papa mit seinem Kind geklingelt hat, lässt die Kollegin sie herein und fragt beide, wie die Nacht war." Für die Mitarbeiterinnen sei es nicht nur wichtig zu erfahren, wie es dem Kind geht, sondern auch den Eltern. Belastet den Vater etwas, könne sich das schließlich auch auf den Nachwuchs auswirken.

Danach geben die Mitarbeiterinnen den Familien noch einmal Zeit für sich. "Dazu gehört zum Beispiel das gemeinsame Händewaschen oder dass die Kinder ihre Stoppersocken angezogen bekommen", erklärt sie. Anschließend führt der Weg in den Gruppenraum. Dort können die Kleinen entweder direkt mit dem Spielen beginnen oder sie setzen sich zu ihrer Tagesmutter auf den großen grünen Teppich. Wenige Minuten später verabschiedet sich der Vater und geht zur Arbeit.

Direkt an den Teppich grenzt eine zweigeschossige Spiellandschaft. "Wir brauchen keine Turntage. Die Kinder müssen sich täglich bewegen", sagt sie. "Und das dürfen die Mädchen und Jungen alleine. Sie sollen sich in ihrem Tempo entwickeln." Haben die Kleinen es ohne Hilfe bis nach oben geschafft, sind sie stolz auf sich. Klappt es noch nicht, ist das für sie ein Zeichen, das sie zunächst im unteren Bereich spielen. "Das hat für die größeren Kinder den Vorteil, dass sie oben auch mal alleine spielen können", erklärt die Pädagogin.

Von der Spiellandschaft aus fällt der Blick direkt auf die Kuschelecke. "Es ist uns total wichtig, dass es dort kein Sofa gibt", sagt Wellnitz. Stattdessen liegt dort eine Matratze, die die Kinder auch ohne Hilfe erreichen und wieder verlassen können. In der Kuschelecke hat aber auch die Handpuppe Ronja ihren Schlafplatz, die als Wegbegleiterin im Alltag fungiert. Wird in der Einrichtung Geburtstag gefeiert, bringt die Handpuppe dem Kind eine Krone. Sollte das den Kopfschmuck nicht tragen wollen, übernimmt Ronja das.

Anders als in Krippen und Kindergärten ist die Küche nicht separat, sondern in den Gruppenraum integriert. Zur Ausstattung gehört unter anderem ein Konvektomat, in dem das Mittagessen aufgewärmt wird. Geliefert werden die Speisen von einem Bringdienst. "Wir legen Wert darauf, dass wir keine kompletten Menüs bekommen, sondern stattdessen einzelne Komponenten", erzählt sie. "Das gibt uns die Möglichkeit, die Kinder entscheiden zu lassen, was sie essen wollen." Darüber hinaus sind die Tagesmütter einmal in der Woche mit den Mädchen und Jungen im Supermarkt sowie beim Bäcker und kaufen dort gemeinsam ein.

Nach dem Mittagessen folgt die Ruhephase im sogenannten Bärenzimmer. "Der Raum heißt so, weil hier ein paar Teddybären herumliegen und wir zum Einschlafen das Bärenschlaflied singen", erläutert sie. Entweder vor der Ruhephase oder danach werden die Kleinen wieder abgeholt.

So wie in Hatten werden die Abläufe auch in Vegesack sein. "Das ist unsere Grundstruktur", sagt ihr Vorstandskollege Frank Gieselmann. "Wir haben 28 Häuser, die sehr verstreut sind." Vor diesem Hintergrund brauche es sowohl in der Pädagogik als auch in der Organisation einen roten Faden. Dazu gehöre auch, dass alle Einrichtungen die gleiche Ausstattung haben.

"Das Schöne an der Großtagespflege ist, dass sie so familiennah ist", sagt er. Dazu zählten zum Beispiel die kleinen Gruppen. "Es braucht keine großen Aktionen. Stattdessen wollen wir den Alltag leben", betont Gieselmann. "Und da passiert so viel." Die Kinder könnten sich ausprobieren und dabei ihre motorischen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten entwickeln. 

Normalerweise findet Kindertagespflege bei den Tagespflegepersonen zu Hause statt. "Wir haben das Konzept ein Stück weit institutionalisiert, sind Träger und kümmern uns zum Beispiel um Fortbildungen und die Abrechnung mit den Eltern", erklärt er. Die erste Einrichtung dieser Art hat der Familienservice Weser-Ems vor 13 Jahren eröffnet. Ein Teil der heute 28 Häuser sind in Kooperation mit ortsansässigen Unternehmen entstanden, die damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken wollen. Die anderen Einrichtungen entstanden in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Städten, wie etwa das Spatzennest in Hatten. Ähnlich wird es auch in Bremen sein, wo die Bildungsbehörde Partnerin ist.

Neben der Einrichtung in Vegesack will der Familienservice Weser-Ems weitere Großtagespflegestellen in Bremen eröffnen. "Das soll aber langsam passieren", sagt Gieselmann. Mögliche Orte dafür könnten zum Beispiel leer stehende Geschäfte oder Restaurants sein. Zunächst wolle der Träger seine Häuser in der Hansestadt von seinem Standort in Leer aus verwalten. Perspektivisch sei es aber auch denkbar, eine Dependance in Bremen zu eröffnen.

Geld verdienen will der Träger mit seinem Angebot nicht, betont der Vorstand. "Wir sind eine Genossenschaft." Und der ginge es um zwei Dinge: Zum einen wolle sie eine vernünftige Pädagogik für Kinder unter drei Jahren anbieten und zum anderen Eltern die Möglichkeit geben, arbeiten zu können. Damit wolle der Familienservice Weser-Ems dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Zur Sache

Erste Einrichtung in Bremen

Voraussichtlich im September wird der Familienservice Weser-Ems eine Großtagespflege im Bürgerhaus Vegesack eröffnen. Dort schafft der Träger Platz für acht Kinder, die in der Zeit von 7.30 bis 16 Uhr betreut werden. Derzeit befindet sich die Genossenschaft in der Vorbereitungsphase. Dazu zählt unter anderem die Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

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