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25 Jahre als Logistiker in Nigeria "Es war Paradies und Hölle zugleich"

Geschäfte beim Bier, Akquise am Werkstor: Herbert Hoddow hat als Logistiker 25 Jahre in Nigeria gearbeitet. Eine tolle Zeit, sagt er - trotz der Schattenseiten.
29.07.2021, 17:00 Uhr
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Von Stefan Lakeband

Als sein Chef ihm sagte, er solle doch ins Industriegebiet fahren und an die Tore klopfen, hielt Herbert Hoddow das für einen Witz. Er war gerade nach Nigeria gezogen, um für eine internationale Spedition zu arbeiten – und das war der Ratschlag, den sein Vorgesetzter ihm gab, um neue Kunden zu gewinnen. Was Hoddow aber kurze Zeit später feststellte: Diese ungewöhnliche Akquisemethode funktionierte tatsächlich.

Die Art, wie Geschäfte zustande kommen, ist wohl einer der größte Unterschiede, den Hoddow zwischen Nigeria und Deutschland festgestellt hat. Sein ganzes Berufsleben hat er in der Logistikbranche verbracht, die letzten 25 Jahre davon in dem westafrikanischen Land. Dass es ihn einmal dorthin verschlagen würde, hatte er nie gedacht. Denn eigentlich fing alles ganz beschaulich an: Hoddow wuchs in Hude auf und begann mit 15 Jahren seine Lehre als Speditionskaufmann in Bremen bei Züst und Bachmeier. „Für mich war damals schon Bremen eine große Stadt“, sagt er heute. Nach der Ausbildung arbeitete er in anderen Logistikunternehmen, studiert in Bremerhaven und wird Abteilungsleiter einer Chemiefirma in Süddeutschland. Doch irgendwann kündigte er. „Die ganze Zeit hatte ich von einer Weltreise geträumt“, sagt er. Also brach er auf und war zwei Jahre unterwegs. Seine Reise führte ihn durch 26 afrikanische Länder, aber auch nach Asien und Neuseeland.

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Als er wieder zu Hause war, wollte er seine Erlebnisse als Buch aufschreiben. So war jedenfalls der Plan. Ein ehemaliger Kommilitone habe sich dann aber gemeldet und ihm ein Vorstellungsgespräch für seinen späteren Job vermittelt. „Er hat mich überrumpelt“, sagt Hoddow, „Eigentlich wollte ich gar nicht nach Nigeria.“ Drei Monate später fing er an. Das Angebot sei einfach zu gut gewesen.

Mit seinen 40 Jahren ging Hoddow nach Port Hartcourt, eine Millionenstadt im Süden des Landes, und Sitz vieler internationaler Öl- und Gasfirmen, die von dort aus die Förderung im Nigerdelta und vor der Küste organisieren. Es sind diese Firmen, die zu Hoddows Kunden zählen. Erst in der Spedition, in der er angestellt ist, kurze Zeit später auch in seinem eigenen Unternehmen, das er gründet. Er spezialisiert sich auf See- und Luftfracht, transportiert Ersatzteile, Kräne, Boote und vieles mehr für die Öl- und Gasindustrie. „Die ganze Palette“, sagt Hoddow.

Wie er an die Kunden gekommen ist? Da sein, wo die Entscheider seien, sagt der Unternehmer. Das waren in der Regel Ausländer wie Hoddow. Häufig habe er potenzielle Geschäftspartner abends in Bars oder auf Partys getroffen. Man habe sich über Gott und die Welt unterhalten und sich irgendwann auch über das Berufliche ausgetauscht. Mit einem Kunden ist er mehrmals Angeln gegangen, bevor sie überhaupt über geschäftliche Themen gesprochen haben. Formelle Angebote seien eher unüblich gewesen, genauso wie Anzug und Krawatte. Der Dresscode sei eher leger gewesen, der Umgangston häufig etwas ruppiger.

„Trotzdem muss man sich beweisen“, sagt Hoddow. Aus seiner Erfahrung sei die Zuverlässigkeit wichtiger als der Preis. „Viele Leute versprechen viel“, sagt der Huder. „Aber wenn man das auch einhält, hat man ein gutes Verkaufsargument.“

Hoddow hat das Leben in Nigeria genossen. „Sonst wäre ich nicht so lange dort geblieben“, sagt er. Es gab aber auch Schattenseiten. Mehrfach sei seine Firma in Bedrängnis geraten und auch die Kriminalität sei ein Problem gewesen. Sein Fahrer sei entführt und umgebracht worden. Zuletzt ist Hoddow nach eigenen Angaben nur noch in einem kugelsicheren Auto unterwegs gewesen. „Es war Paradies und Hölle zugleich“, sagt Hoddow.

Seine Erlebnisse hat der 66-Jährige nun auch in einem Buch aufgeschrieben. „The fucking Paradise“, heißt es, das verdammte Paradies. Ein Abenteuerroman sei es geworden, der sich an dem orientiere, was der Huder in Nigeria erlebt habe. „Ich wollte Afrika ein anderes Gesicht geben. Es gibt nicht nur Armut und Verbrechen dort, sondern ein ganz normales Leben mit tollen Menschen.“

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2019 kehrte er dennoch aus Port Harcourt zurück nach Hude. Überfälle und Entführungen hätten immer weiter zugenommen, viele westliche Ausländer hätten sich nur in abgesicherten Wohnanlagen sicher gefühlt und viele Freunde hätten das Land verlassen. Auch das Geschäft sei schwieriger geworden, weil die nigerianische Währung abgewertet wurde und der Ölpreis gefallen ist. „Das Leben hat sich verändert“, sagt Hoddow. Als er ging, übergab er seine Firma an seine Mitarbeiter. Die zerstritten sich jedoch; das Unternehmen sei mittlerweile Geschichte.

Mit Afrika bleibt Herbert Hoddow aber weiter verbunden. In Nigeria hat er seine Frau kennengelernt, mit der er seit 15 Jahren verheiratet ist. Und im Nachbarland Togo besitzt er ein Haus am Meer, wo er immer noch viel Zeit verbringt und Zimmer an Touristen vermittelt – auch um ihnen ein differenziertes Bild von Afrika zu vermitteln.

Zur Sache

Abhängig vom Öl

Seit der Unabhängigkeit Nigerias vor gut 61 Jahren lebt das Land vom Öl. Es ist der größte Rohölproduzent in Afrika; Erdöl und Erdgas machen rund 95 Prozent der Exporterlöse und einen Großteil der Staatseinnahmen aus. Da Erdöl das größte Exportgut des Landes ist, ist Nigeria stark abhängig vom Ölpreis, der zuletzt immer wieder starken Schwankungen unterlegen war. Zudem ist die Ölförderung verantwortlich für Umweltkatastrophen. Im Nigerdelta kommt es beispielsweise regelmäßig zu Lecks in den Pipelines, wodurch Erdöl austritt. Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die internationalen Ölkonzerne dafür verantwortlich gemacht werden können. Im Logistics Performance Index der Weltbank, der Logistikfaktoren wie Zoll und Infrastruktur bewertet, belegte Nigeria zuletzt Platz 110 von 160 Staaten.

Herbert Hoddows Buch „The fucking Paradise” bei Books on Demand erschienen und kann in jeder Buchhandlung und übers Internet bestellt werden.

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