„Wisst ihr noch“, fragte ein verspielter alter Knabe am Pfingstmittwoch 1964 bei einer Katerrunde nach dem Gildefest in der Wildeshauser Gaststätte Lindenhof, „wie wir als Kinder mit Schillerkragen und Dreiviertelhose Brummkreisel spielten?“ Von der Wette, ob ein entsprechendes Spielgerät noch in der Wittekindstadt aufzutreiben wäre, bis zur Gründung eines Vereins dauerte es nur ein paar Biere. Und so feiert der Brummkreiselverein am Sonnabend, 11. Mai, um 19.30 Uhr im Reitersaal des Hannoverschen Hofs in Zwischenbrücken seinen 55. Geburtstag.
Zum achten Mal ehrt der Verein dabei eine Persönlichkeit, die sich um Wildeshausen und die Menschen, die in der Wittekindstadt leben, besonders verdient gemacht hat. Die Laudatio hält der „Vereinsmeister“ des Clubs Heinrich Boning. Zuvor wird er noch einmal die wechsel- und lachhafte 55-jährige Geschichte der Wildeshauser Brummkreisler Revue passieren lassen. Ferner können sich Gäste auf Auftritte des Plattdeutschbeauftragten Friedrich „Fidi“ Ahlers sowie des Sängers und Entertainers Daniel Kolloge freuen.
Zur Geschichte des Vereins muss man wissen, dass in Wildeshausen nicht nur der dickbauchige Metallkreisel „Brummkreisel“ genannt wird, der ein ganzes Spektrum Töne zu erzeugen in der Lage ist, sondern auch dessen stummer kleiner Bruder, der durch kräftige Peitschenhiebe in Bewegung gehalten wird. Dieser Kreisel also war an jenem Vormittag 1964 gemeint, als nach Wiedererwachen der Lebensgeister Wetten abgeschlossen wurden, ob dieses althergebrachte Spiel- und Sportgerät noch käuflich zu erwerben sei. Die Optimisten gewannen: Das Kaufhaus Schnittker am Markt hatte tatsächlich ein einziges Exemplar auf Lager. Reiner Zufall, denn damals schon hatten Verkehr und Fernsehen spielende Kinder von der Straße verbannt.
„Der einsame Kreisel im obersten Regal war ein lang gedienter Ladenhüter“, erinnert sich der ehemalige Geschäftsinhaber Hans Lenzschau noch heute.
Irmapia Bahrenburg erste Geehrte
Erste Trägerin des goldenen Kreisels, der alle fünf Jahre verliehen wird, war 1984 die Schriftstellerin Irmapia Bahrenburg. Die Ehrung galt einer damals fast 80-jährigen Künstlerin, die sich auch als Schauspielerin, Solotänzerin, Dramaturgin, Galeristin und Malerin einen Namen gemacht hatte. 1989 wurde der Küster der Alexanderkirche, Erich Siemer, für sein weit über die beruflichen Pflichten hinausgehendes Engagement bei der Führung von Besuchergruppen durch „seine“ Kirche ausgezeichnet. Die Ehrung eines der „Stillen im Lande, dessen Namen keine Schlagzeilen macht“, fand ungeteilten Beifall.
Fünf Jahre später wurde mit dem „Gerichtspräsidenten der Gilde“ Hans Auffahrt eine Persönlichkeit ausgezeichnet, „die – wie es in der damaligen Laudatio hieß – viele jahrzehntelang Wildeshauser zum Lachen gebracht hat, auch in Zeiten, in denen es nichts zu lachen gab“. 1999 fiel die Wahl auf Carl-Heinz Meyer, ein Mann, der sich um das Musikleben der Wittekindstadt verdient gemacht hatte.
Heimatschriftsteller und Wanderführer Peter Hahn erhielt die Auszeichnung im Jahr 2004, und 2009 wurden elf Mitarbeiterinnen der Hospizhilfe Wildeshausen mit dem „Goldenen Brummkreisel“ geehrt. Bislang letzter Träger der Auszeichnung war 2014 der Wildeshauser Fotograf, Heimatforscher und Heimatschriftsteller Alfred Panschar.
Zur Gründung war man sich vereinsintern einig, dass der „jeweils Dümmste“ den Vorsitz führen sollte. Weil sich diese Qualifikation nur in einem komplizierten Auswahlverfahren nachweisen ließ, verzichtete man aber schon bald auf diese Voraussetzung. Die Gründer gaben sich den Titel „Altmeister“. Wer später hinzukam, durfte sich zwar „Meister“ nennen, mitzubestimmen hatten diese „Neulinge“ allerdings nichts. Und „Altmeister“ kann der jeweils dienstälteste Meister erst werden, wenn im fünfköpfigen Gründergremium ein Posten frei geworden ist. Inzwischen hat der Tod schon reichlich für Aufstiegschancen gesorgt: Alle Gründer deckt bereits der grüne Rasen.
Die Gründungsversammlung 1964 hatte Altmeister Heinrich Boning noch von einem Nebentisch aus neidvoll und aufmerksam beobachtet. Als „junger Dachs“ gehörte er nicht zum fünfköpfigen Stammtisch der Gründer. Seine Anteilnahme wurde jedoch belohnt: „Wenn du nächstes Jahr wiederkommst“, versprach man ihm, „darfst du bei uns mitmachen“. Und das tut er bis heute, seit 1988 als Leiter des Clubs. Um Streitigkeiten bei der Vergabe von Führungspositionen von vornherein zu vermeiden, fasste man schon bei der Gründung den Beschluss, alle Mitglieder in den Vorstand zu berufen. Eine Regelung, die sich bis heute bewährt hat.
Die Satzung des Brummkreiselvereins Wildeshausen liest sich wie eine fröhliche Satire auf deutsche Vereinsmeierei. Vor allem die bierernste Funktionärs-Geschäftigkeit im Sportbetrieb kriegt ihr Fett ab. Nur eine Vorschrift ihrer Satzung nehmen die Brummkreisler wirklich ernst: Die Erhaltung, Ausübung und Verbreitung des Brummkreiselspiels, die Förderung und Vertiefung der Heimatverbundenheit und die Pflege der Geselligkeit.
Übrigens bewarben sich bald auch schon spiel- und sportbegeisterte Damen um eine Mitgliedschaft im Brummkreiselverein. Nach eingehender Prüfung ihrer Standfestigkeit durften sie gleichberechtigt am Vereinsleben teilnehmen. Allerdings sind sie keine Meisterinnen, sondern nennen sich „Jungfern“ und wenn sie lange genug dabei sind, rücken sie als „Altjungfern“ ins „Oberhaus“ auf. Ehepartnern von Mitgliedern ist der Vereinsbeitritt übrigens verwehrt; auch diese weitsichtige Regelung soll sich hervorragend bewährt haben …
Zum 55. Geburtstag lassen die Brummkreisler übrigens eine alte deutsche Sitte wieder aufleben. Die Gäste werden mit einem in Rum getränkten Stück Würfelzucker empfangen. Tanzgäste früherer Jahrhunderte waren bescheidener als heutige Party- und Discobesucher: Ihnen galt dieser kleine Willkommensschmaus als leckere und durchaus nicht für jedermann erschwingliche Delikatesse. Das Stück veredelten Zuckers hilft – so meinten die Vorfahren – gegen „Ohrensusen, Kusenpien, Halskelte und Buukkniepen“ – gegen Ohrensausen, Zahnschmerzen, Halsentzündungen und Magenbeschwerden. Der Verzehr ist also anzuraten.
Eintrittskarten für die Veranstaltung gibt es zum Preis von 9,99 Euro in der Buchhandlung bökers am Markt in Wildeshausen.