Für den Kreisbehindertenbeirat Osterholz und seinen Vorsitzenden Michael Schumacher aus Wallhöfen gibt es momentan zahlreiche Baustellen, an denen sie gefragt und gefordert sind. Das gilt auch im Wortsinn, wenn es darum geht, auf Barrierefreiheit im öffentlichen Raum zu achten. Auf der jüngsten Beiratssitzung befassten sich der Kreisbehindertenbeauftragte sowie die Behindertenvertreter aus den Kommunen und Verbänden mit dem aktuellen Aufgabenkatalog.
Kreishaus-2-Umbau
Die Einbeziehung der Behindertenbeauftragten bei Bauvorhaben wird in den Kommunalverwaltungen immer mehr zur Selbstverständlichkeit, stellt Michael Schumacher fest: "Man nimmt uns wahr und man darf auch mit uns rechnen." Beim anstehenden Umbau des Kreishauses 2 zu einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung hat er jetzt ein Auge auf die Pläne und Zeichnungen geworfen und dabei gleich "einige Punkte abgestellt".

Michael Schumacher, Vorsitzender des Kreisbehindertenbeirats.
Wie berichtet, soll der Verwaltungssitz ab Sommer 2026 die Schüler und Lehrer vom Klosterplatz aufnehmen. Und obwohl das Gebäude vor gut 20 Jahren als Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen konzipiert wurde, ist für Menschen mit einer Beeinträchtigung nun doch einiges zu tun, wie der Kreisbehindertenbeauftragte feststellt: "Damals zählte die inklusive Beschulung noch nicht zum Architektur-Standard." Zwar müsse man bei einer Bestandsimmobilie auch Kompromisse machen, aber mit der aktuellen Umbauplanung fürs Kreishaus 2 liege ein sehr gutes Ergebnis vor, sagt Schumacher.
Öffentliches WC in Worpswede
Schmale Durchgänge und kleine Radien sorgen dafür, dass das Behinderten-WC im Toilettenhäuschen an der Bergstraße diese Bezeichnung kaum verdient: Wer einen Rollstuhl oder einen Rollator braucht, kann das stille Örtchen ohne Unterstützung kaum erreichen. "Eigenständig ist die Benutzung gänzlich unmöglich", sagt auch Schumacher, der gemeinsam mit dem Worpsweder Holger Miehe schon seit geraumer Zeit an der Sache dran ist.
Problem: Für Neubauten gilt seit 15 Jahren die DIN-Norm 14080-1 zur Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden. Bei Umbau und Sanierung, wie sie Ende 2023 erfolgten, handelt es sich jedoch nur um eine Soll-Vorschrift, für möglichst barrierearme Lösungen zu sorgen. Dennoch sieht der Behindertenbeauftragte noch Luft nach oben. "Wir behalten das im Auge", kündigt er mit Blick auf weitere Verhandlungen mit der zuständigen Gemeinde Worpswede an, die ihrerseits zunehmenden Vandalismus am Gebäude festzustellen hat.
Weitere Probleme...
Sorgen bereitet dem Kreisbehindertenbeirat, dass bei der laufenden Sanierung des Kaffee Worpswede ein Behinderten-WC "vergessen" worden sein könnte. Sollte das der Fall sein, dürfte es für nachträgliche Änderungen nun wohl zu spät sein, befürchtet Schumacher. Er will der Sache nachgehen, weiß aber auch: Der 100 Jahre alte Hoetger-Bau ist denkmalgeschützt. Außerdem ist der Radweg vor dem Fietscafé an der Schlußdorfer Straße (K 31) im jetzigen Zustand aus der Sicht gehbehinderter Menschen ein nicht ganz ungefährliches Ärgernis. "Es sind dort auch viele Senioren unterwegs", mahnt der Beiratsvorsitzende. Im April beginnt im Café nach einem Betreiberwechsel die neue Café-Saison
...und Fortschritte
Wie die Lilienthalerin Anette Paul mitteilt, sei nach der Modernisierung des Hallenbads nun auch ein Lifter für behinderte Menschen angeschafft worden. Michael Schumacher lobt das als handfesten Beitrag zur Teilhabe, von der sonst oft nur geredet werde. Angela Reichel aus Ritterhude sagt, im Rathaus der Hamme-Gemeinde fänden Betroffene ebenfalls stets ein offenes Ohr. Ein Beispiel sei die Reihe "Treffpunkt Marktplatz": Am Donnerstag, 12. Juni, wollen sich dort die Beiratsmitglieder präsentieren, die für den Tag zunächst eine Sitzung geplant hatten. Nun baut die Verkehrswacht einen Parcours auf, den Besucher probehalber im Rollstuhl bewältigen können. Der Hintergedanke dabei: Nichtbehinderte, die sich in die alltägliche Lage behinderter Menschen hineinversetzen, können feststellen, dass Verbesserungen nur selten schaden und weniger Hindernisse meist allen das Leben erleichtern.
Synergien mit Senioren
Als Gast hatte der Beirat jetzt den Vorsitzenden des Kreisseniorenbeirats, Harry Schnakenberg, eingeladen. Beide Gremien wollen ausloten, welche Schnittstellen sie für eine engere Zusammenarbeit sehen. "Es gibt unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen, aber sicher auch Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten und eine gegenseitige Unterstützung", sagt Schumacher. Im gegenwärtigen Stadium wähle er noch allgemeine Formulierungen, um der Diskussion der Mitglieder in beiden Reihen nicht vorzugreifen.
Hilfe und Beratung
In seinem dritten Jahr als Kreisbehindertenbeauftragter bietet Michael Schumacher weiterhin regelmäßig kostenlose Sprechstunden an, die ohne Anmeldung besucht werden können. In den vergangenen drei Monaten waren es vier Termine und 37 Besucher. Hinzu kamen 14 telefonische Erstberatungen und vier Hausbesuche; die Letztgenannten erfolgen meist spontan, wenn sich zeigt, dass Ratsuchende nur mit großem Aufwand den Weg ins Kreishaus schaffen. Die meisten Anliegen betreffen Mobilitätsfragen oder Anträge und Änderungen zum Schwerbehindertenausweis. Bei zwei Widerspruchsverfahren hat sich Schumacher seit Mitte November zudem als Ehrenamtler eingeschaltet. Er habe gute Kontakte zum Landesinklusionsrat, wo einschlägige Urteile der Sozialgerichte stets aktuell vorliegen.