Landkreis Osterholz. Die geplante Bioabfall-Vergärungsanlage für den Inhalt der braunen Mülltonnen aus dem Osterholzer Kreisgebiet steht bisher unter keinem guten Stern. Wie das OSTERHOLZER KREISBLATT jetzt nach mehrmaliger Nachfrage erfuhr, ist der vorgesehene Betriebsbeginn Ende kommenden Jahres nicht mehr zu halten. Der Genehmigungsantrag für das Millionenprojekt befinde sich noch „in der Vollständigkeitsprüfung bei den beteiligten Behörden“, teilte Christof von Schroetter mit. Er ist nicht nur Geschäftsführer der Abfall-Service Osterholz GmbH (Aso), sondern zugleich auch Vorsitzender der Kommunalen Entsorgungsanstalt Nord-Niedersachsen (Kenn), die Bau und Betrieb der Vergärungsanlage schultern soll. Hinter der Kenn stecken als gleichberechtigte Träger und Anteilseigner die Landkreise Osterholz, Cuxhaven und Verden sowie die Stadt Cuxhaven. Eine erste Skizze ist auf der Internetseite der Kenn zu finden.
Baubeginn sei nun voraussichtlich Mitte 2024, sodass die Biogas-Erzeugung erst 2025 beginnen werde, erklärte von Schroetter. Ursache der Verzögerung sei, dass die Kenn den zunächst favorisierten Standort Anfang 2022 von Heilshorn nach Pennigbüttel verlegen musste. Eine Gesetzesverschärfung Ende 2021 hatte dazu geführt, dass für die Anlage im Gewerbepark A 27 eine Ausnahme vom 300-Meter-Mindestabstand zur nächstgelegenen Wohnbebauung nicht mehr zulässig gewesen wäre. Statt die Anlage gegenüber vom Müllautobauer Faun zu errichten, wurde der Aso-Hauptsitz in Pennigbüttel auserkoren, denn dort ist ohnehin die Veredelung der Gärreste zu Biokompost vorgesehen, wofür eine alte Rottehalle umgebaut wird.
„Entsorgung bleibt gesichert“
Angesichts der beengten Verhältnisse wurde seit vorigem Jahr teils umgeplant, teils neu geplant. Dennoch hatte sich Landrat Bernd Lütjen im vergangenen Januar zuversichtlich gezeigt, die Inbetriebnahme noch Ende 2024 erreichen zu können. Inzwischen aber räumt Christof von Schroetter ein: „Die Verunmöglichung des Standortes in Heilshorn hat unseren Zeitplan leider deutlich durcheinandergebracht.“ Dieser Zeitplan war zunächst auch abgestimmt auf die bisherige Entsorgung des Osterholzer Bioabfalls in Bremen, wo sich die Kreisbehörde die Kapazitäten lediglich bis Ende 2024 gesichert hatte.
Sabine Schäfer, Sprecherin der Osterholzer Kreisverwaltung, erklärt dazu nun, auch 2025 werde die Lösung mit Bremen wohl noch ohne nennenswerten Aufpreis einige Monate lang möglich sein: „Wir gehen davon aus, dass die Aso den Bioabfall aus dem Landkreis Osterholz bis zur Inbetriebnahme der Vergärungsanlage zu vergleichbaren Konditionen wie heute entsorgen kann.“ Entsprechend dürften auch die drei anderen kommunalen Kenn-Teilhaber mit ihrem Bioabfall verfahren. Gemeinsam bringen die vier Kenn-Gesellschafter bei ihrer Biomüllabfuhr jährlich etwa 32.500 Tonnen an organischen Abfällen auf die Waage.
Zeitverzug kostet Geld
Anders als in Heilshorn gibt es in Pennigbüttel keine Erweiterungsfläche: Die geplante, bisher aber noch nicht genehmigte Vergärungsanlage ist auf bis zu 40.000 Tonnen Biomüll ausgelegt. Damit lassen sich bis zu 1,3 Millionen Kubikmeter Biomethan erzeugen, welches nach der Aufbereitung vor Ort ins Erdgasnetz eingespeist werden soll. Schon heute zeichnet sich ab: Der Zeitverzug geht ins Geld. Das bestätigt Sabine Schäfer, indem sie auf inflationsbedingt steigende Baukosten verweist. Beziffern lässt sich das genaue Ausmaß erst nach Ausschreibung und Auftragsvergabe. Als die Idee vor vier Jahren publik wurde, stand mal ein Investitionsvolumen von 19 Millionen Euro im Raum, was jedoch durch die mittlerweile vorliegende Entwurfsplanung bereits überholt sein dürfte. Eine mögliche Ausbaustufe für die Produktion von orangem Wasserstoff war in der damaligen Kalkulation nicht enthalten.
Die Landkreis-Sprecherin hält sich mit Euro-Angaben momentan vollkommen zurück. Wie sich das Ganze für die Gebührenzahler auswirke, werde im kommenden Jahr neu kalkuliert, sagt sie. Dann sollen die Müllgebühren der Jahre 2025 bis 2027 von unabhängigen Wirtschaftsprüfern berechnet und vom Kreistag festgesetzt werden. Vorsorglich weist Schäfer aber schon auf einen weiteren Kostentreiber für die Müllgebühren hin: Der CO2-Preis werde ab 2025 zusätzliche Abgaben auf die Abfallgebühren nach sich ziehen. Der Bund lasse der Abfallwirtschaft durch die Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes keine andere Wahl.
Umso wichtiger wird es sein, mit der ökologisch nachhaltigen Bioabfallverwertung auch Einnahmen an anderer Stelle zu erwirtschaften. Neben der damit verbundenen Biogas- und Kompost-Produktion plant die Kenn parallel nun auch den Einstieg in die Solarstrom-Erzeugung. Wie berichtet, soll auf dem Gelände der ehemaligen Deponie in Sandhausen eine Freiflächenfotovoltaik-Anlage mit fast 2600 Kilowattpeak entstehen. Rechnerisch könnten deren Module fast 60 Prozent des Stromverbrauchs der Vergärungsanlage abdecken, die zwei Kilometer südlich in Pennigbüttel entstehen soll und nun erst 2025 fertig wird. Zudem prüft die Kenn die Möglichkeit, das im Vergärungsprozess abgetrennte CO2 für eine industrielle Nutzung zu verflüssigen; ein vergleichbares, größeres Biowerk entsteht derzeit im baden-württembergischen Sindelfingen.