Landkreis Osterholz. Der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) zieht den Stecker: Er sucht einen neuen Betreiber für seine sieben Stromtankstellen, die vor rund fünf Jahren für Elektroautos an den S-Bahnhöfen sowie am Falkenberger Kreuz und am Grasberger Kreisel installiert wurden. Das gab Christof Herr, Geschäftsführer des VBN-Zweckverbands, jetzt im Verkehrsausschuss des Osterholzer Kreistags bekannt. Für sein Haus habe sich das Ladesäulen-Pilotprojekt nicht in Form neuer Bus- und Bahnkunden bezahlt gemacht, wie Befragungen und Beobachtungen gezeigt hätten. Im Gegenteil: Der störungsfreie Betrieb, um den sich der bisherige Vertragspartner nun noch bis Ende Februar 2021 kümmern werde, koste den Verbund jährlich gut 41 000 Euro.
Seit Projektstart sei Strom in einem Gegenwert von 11 500 Euro abgegeben worden – kostenlos, weil Technik und Eichung beim Bau nicht unter einen Hut zu bringen waren. „Die Ladesäulen lassen sich heute auch nicht mehr für ein Abrechnungsverfahren nachrüsten“, erklärte Herr. „Aber vielleicht sind sie für ein Energieversorgungsunternehmen als Marketinginstrument von Interesse.“ Auch wenn es heute inzwischen schnellere Säulen gebe. Sollte es an den heutigen oder an künftigen Haltestellen zu Investitionen in die Ladeinfrastruktur kommen, schließe der Verband einen Zuschuss für Nutzer mit VBN-Zeitkarten nicht aus. „Dann gäbe es einen Mehrwert für unsere Kunden.“
Kein weiterer Ausbau
Die Nutzung der sieben Säulen mit ihren je zwei Zugängen ist nach Verbandsangaben sehr unterschiedlich: Während der Ladepunkt in Osterholz-Scharmbeck im Spitzenjahr 2017 auf 491 Tankvorgänge kam, waren es in Lübberstedt in der gleichen Zeit gerade mal zwei. Fast die Hälfte der 2721 Ladevorgänge von März 2016 bis Ende 2019 entfiel auf die Kreisstadt, weitere 23 Prozent auf Ritterhude und 13 Prozent auf Lilienthal-Falkenberg. Der VBN habe in anderen Landkreisen keine solchen Säulen installiert und werde dies auch künftig nicht tun, so der Geschäftsführer weiter.
Seinerzeit ließ sich der Zweckverband die Einrichtung 180 000 Euro kosten; er bekam dafür 29 Prozent von der Landesnahverkehrsgesellschaft und 25 Prozent von den Kommunen. Dezernent Dominik Vinbruck rechnete fix: „Jeder Ladevorgang wurde vom ZVBN also bisher mit über 65 Euro aus Steuergeldern bezahlt.“ Die Verwaltung werde mit EWE und Stadtwerken sprechen, ob, wo und zu welchem Preis ein Weiterbetrieb sinnvoll sein könnte. Der Ausschuss für Kreisentwicklung könne sich dann im März damit befassen.
Mit den sieben E-Bike-and-Ride-Standorten unweit der Auto-Ladepunkte laufe es auch nicht besser als bei E-Park-and Ride. Dort werde sich der ZVBN ebenfalls zurückziehen, um sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren. Die Sammelschließanlagen sind nach den Worten des Managers mancherorts sehr gut frequentiert, nicht aber die jeweils drei Steckdosen-Spinde darin. Deren Vermietung und Betrieb ist Sache der Kommunen, die mit 105 000 Euro auch bei diesem Baustein ein Viertel der Kosten getragen hatten. Christof Herr sagte, er sehe zwei Gründe für die bescheidene Nutzung der Rad-Lademöglichkeiten: kein Bedarf, keine Zeit. Anders gesagt: Die Akkus der Pedelecs und E-Bikes sind ausdauernder geworden. Und einige Nutzer seien wohl „zeitkritisch unterwegs“, wollen Bus oder Bahn nicht verpassen.
Eine Einstellung der E-Auto-Stationen wäre aus Sicht von Axel Miesner (CDU) „das falsche Signal“. Bernd Rugen (Linke) und André Hilbers (Grüne) pflichteten ihm bei. Hilbers und Kurt Klepsch (SPD) drängten zudem auf eine Taktverdichtung der Linie 680. Auch Rugen meinte, häufigere Fahrten machten das Busangebot bestimmt attraktiver. Bei der Zuverlässigkeit gebe es wenig zu bemängeln. Auf touristischen Linien sollte aber die Fahrradmitnahme erleichtert werden.
Der ZVBN-Geschäftsführer stellte ÖPNV-Veresserungen an anderer Stelle in Aussicht. Demnach solle die S-Bahn-Linie RS 2 ab Dezember 2022 „annähernd im 30-Minuten Takt“ zwischen Bremen und Bremerhaven verkehren, sofern die nötigen Bahnsteig-Umbauten rechtzeitig fertig werden. Bereits Ende 2021 könnte zudem die stark genutzte Regionalbuslinie 630 Zeven-Lilienthal-Bremen zur landesbedeutsamen Linie heraufgestuft werden – nach dem Vorbild des 670ers mit stündlichen Fahrten (werktags und alle zwei Stunden an Wochenenden). Schon heute seien sieben der elf Landesbuslinien im VBN-Gebiet unterwegs.
Die „Zubringerverkehre zu den Hauptkorridoren“ im Kreisgebiet würden hinsichtlich Fahrplan, Taktdichte und Ampelsteuerung optimiert, versprach der Geschäftsführer. Helfen könnten auch Bürgerbusse oder Kooperationen mit Taxi-Dienstleistern. Ein Wackelkandidat sei aber seit der Schließung der dortigen Diskothek die Nachtlinie nach Hagen, so Herr weiter.
Im ersten Quartal 2021 werde es zudem eine neue Mobilitätsgarantie geben, die auch die Schiene umfasst. Wer dann langer als 20 Minuten auf Bus oder Bahn warten muss, wird entschädigt. Parallel werde der Verbund die bargeldlose Bezahlmöglichkeit per Handy-App einführen. Eher mittel- bis langfristig werde es Herr zufolge auch Projekte mit Elektro- oder Wasserstoffbussen geben. „Das ist wegen der fehlender Infrastruktur und Serienreife ein sehr tief gehendes Schiff.“
Auf grünes Licht vom Land Niedersachsen warte man auch noch in Sachen 365-Euro-Jahresticket für Schüler, Auszubildende und Freiwilligendienstler. „Wir haben unsere Hausaufgaben für die verbundweite Einführung gemacht“, betonte Herr. In Hannover hapere es daran, dass der Einnahmeausfall im Zugverkehr gegenfinanziert sein will, wo das Ticket ja ebenfalls gelten soll. Ähnlich sei die Lage bei der Abschaffung der ungeliebten Nordbremer Tarifzone 101 für ein- und ausfahrende Verkehre aus Schwanewede und Ritterhude.
Da wegen Corona die Fahrgeldeinnahmen weggebrochen seien, stehen Herr zufolge viele Vorhaben nun unter Vorbehalt. „Wir hatten bis September ein Jahresminus von 20 Prozent erwartet, aber das wird nun deutlich schlechter ausfallen.“ Bis Ende des Jahres würden mehr als 50 Millionen Euro fehlen, sodass die 100-prozentige Erstattung aus dem Rettungsschirm von Bund und Ländern lebenswichtig sei. „Ob der Bund sich auch nächstes Jahr beteiligt, scheint fraglich.“