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Neues Leben in der Fremde Angekommen in Grasberg und umzu: Geflüchtete berichten von Erfahrungen

Was braucht es, um als Geflüchteter in Deutschland zurechtzukommen? Wir haben Menschen befragt, die in Grasberg und umzu untergekommen sind und interessante Antworten erhalten.
26.05.2024, 07:00 Uhr
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Angekommen in Grasberg und umzu: Geflüchtete berichten von Erfahrungen
Von Sandra Bischoff
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In Lilienthal, Grasberg, Worpswede und umzu mieten die Gemeinden Wohnungen und Zimmer in Hotels an, nutzen die Jugendherberge und stellen Mobilbauten auf, um geflüchteten Menschen Wohnraum zu bieten. Ehrenamtliche Helfer unterstützen die Frauen und Männer, für die vor Ort alles fremd ist. Aber was sagen die Geflüchteten selbst? Welche Erfahrungen haben sie seit ihrer Ankunft in der Region gemacht, was hat ihnen geholfen, was hätten sie an Unterstützung gebraucht, aber nicht bekommen? Wir haben mit einigen gesprochen.

Mahmoud Allkoud

"Mein Zuhause ist nicht mehr in Syrien, weil dort viele meiner Freunde getötet worden sind. Hier in Deutschland ist es für mich wie zu Hause, weil ich hier in Sicherheit bin", sagt der studierte Buchhalter, der Ende 2016 aus seiner Heimat geflohen ist und anfangs in Grasberg lebte. Seit einem guten Jahr besitzt der 37-Jährige die deutsche Staatsangehörigkeit. "Endlich. Ich bin so froh darüber, denn damit ist die Zeit der Unsicherheit vorbei. Ich kann bleiben." Der Anfang in Grasberg sei nicht leicht gewesen, er konnte kein Deutsch und fand nur schleppend Kontakt. "Die Menschen hier sind am Anfang oft abweisend", so seine Erfahrung. Durch den ersten Deutschkurs, den er im Grasberger Gemeindehaus absolvierte, knüpfte er Kontakte zur Kirchengemeinde und zu den Ehrenamtlichen vom Bündnis Familienfreundliches Grasberg.

Mittlerweile habe er Freunde gefunden und engagiere sich auch in der Grasberger Kirchengemeinde, so Mahmoud Allkoud, der seit Herbst in der Gastronomie des Lilienthaler Golfclubs arbeitet. "Immer wenn ich Hilfe brauchte, war jemand da, um mich zu unterstützen", sagt Allkoud, der mittlerweile auch in Lilienthal wohnt. Mehr Unterstützung habe er sich allerdings vom Jobcenter gewünscht. "Der Mitarbeiter wollte, dass ich mir irgendeinen Job suche und nicht noch einen weiteren Deutschkurs mache." Den zweiten Sprachkurs habe er schließlich privat gemacht, sagt Mahmoud Allkoud. Er weiß, wie wichtig die Sprache ist, um auch beruflich Fuß zu fassen, schließlich will er noch einmal an die Uni und Soziale Arbeit studieren. Aber erst einmal muss er noch operiert werden. Bei einer Demonstration in seinem Heimatland gegen das politische Regime sei er angeschossen worden. An den Folgen leide er bis heute.

Zahra Heidary

"Eigentlich wollten wir nach Hannover, weil dort Freunde und Familie sind", sagt die Iranerin. Aber für sie, ihre mittlerweile 19 Jahre alte Tochter und ihren Ehemann ging es nach Grasberg. Mittlerweile sei sie froh darüber, erzählt Zahra, die von allen nur Stella genannt wird. Es sind alle so nett hier, und wir möchten gerne bleiben", sagt die 45-Jährige, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter Melina seit 14 Monaten in Grasberg ist. Nur herumsitzen, das ist nichts für Stella Heidary. Deshalb initiierte sie vor einem Jahr einen Nähkursus für geflüchtete Frauen, aber auch für Grasberger im Gemeindehaus der Kirche. "Der Kurs hat mir sehr geholfen, hier anzukommen", berichtet die gelernte Schneiderin, die in ihrer Heimat auch als Dozentin gearbeitet hat. Mittlerweile hätten sich Freundschaften daraus entwickelt, die Frauen treffen sich in ihrer Freizeit.

Mit der deutschen Sprache hat die gebürtige Iranerin noch ein bisschen Probleme, deshalb übersetzt ihre Tochter die Fragen. Sie absolviert mittlerweile Deutschkurse auf höherem Niveau und möchte gerne Medizin studieren. Überhaupt, sagen die beiden Frauen, haben die Kirchengemeinde und das Familienbündnis sehr beim Ankommen geholfen. Nicht so glücklich ist die Familie mit ihrer Unterkunft: Das Dach sei kaputt und es gebe Schimmel in der Wohnung. Zudem haben sie direkt nach ihrer Ankunft die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und warten nun, ob es klappt. "Ohne Pass können wir nicht reisen", sagt Stella Heidary, dabei möchte sie so gerne nach Italien, wo ihr Sohn begraben ist, der bei seiner Flucht ums Leben kam.

Bashar Ahmad

„Ende 2015 bin ich nach Deutschland gekommen“, erzählt Bashar Ahmad. Deutsch zu lernen, habe „ein bisschen gedauert“, räumt der 27-Jährige ein. Dafür habe er entsprechende Kurse besucht. „Aber es hat sich gelohnt“, sagt der gebürtige Syrer. Denn Bashar Ahmad hat seit seiner Flucht und Ankunft in Deutschland nicht nur seine Gesellenprüfung zum Friseur bestanden. Bashar Ahmad, der im Meisterbetrieb von Samir Miro an der Riesstraße in Ritterhude gelernt hat, ist von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade auch bei der jüngsten Freisprechungsfeier des Handwerks 2023/2024 zum aktuellen Kammersieger der Landkreise Osterholz und Bremervörde gewählt worden. Sowohl theoretisch als auch praktisch bestand er die Prüfung mit Auszeichnung. Seine Deutschkenntnisse waren dafür durchaus wichtig. Denn sie helfen ihm nicht nur, mit den Kunden zu plaudern. Die Prüfungsordnung sieht auch vor, dass die Prüflinge ein "situatives Fachgespräch" führen können, um den Kunden zu betreuen und die einzelnen Arbeitsschritte sowie die Entscheidung dafür zu erläutern.

Lob gibt es von Bashar Ahmad für das Ausbildungssystem in Deutschland. „Das ist total gut, weil die Ausbildung sowohl theoretisch von der Schule als auch praktisch vom Salon betrieben wird.“ Überhaupt sagt er, sei er in Deutschland angekommen. Die ersten knapp zwei Jahre nach seiner Flucht habe er in Grasberg gelebt und dort viel Hilfe von den Ehrenamtlichen vom Bündnis Familienfreundliches Grasberg erhalten. "Sie haben mir geholfen, eine Wohnung und einen Praktikumsplatz zu finden und waren immer da, wenn ich etwas brauchte", sagt der 27-Jährige, der mittlerweile in Ritterhude lebt. Die erste Zeit im fremden Deutschland sei schwierig gewesen, aber je besser er die Sprache verstanden habe, desto leichter sei ihm die Eingewöhnung gefallen. Allein die Bürokratie kritisiert er. "Das war viel Papierkram, vor allem am Anfang."

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