Grasberg. Zu klein, zu krumm oder zu schrumpelig - das gibt es bei Nils Henken nicht. In seinem Demeter zertifizierten landwirtschaftlichen Betrieb kommen auch Kartoffeln oder Möhren in den Verkauf, die beim Großhändler keine Chance hätten, weil sie vom Aussehen nicht der Norm entsprechen.
53 Familien aus Grasberg und Umgebung kommen zurzeit in den Genuss nachhaltiger Landwirtschaft: Jeden Donnerstag holen sie ihr Gemüse beim Eickedorfer Hof ab. 2018 übernahmen Nils und Rebecca Henken den Bio-Betrieb und bauten eine solidarische Landwirtschaft auf. Für ihn die einzig richtige Vermarktungsform, sagt der 31-Jährige. Das Prinzip ist ganz einfach: Wer Gemüse oder Eier vom Eickedorfer Hof beziehen möchte, muss Mitglied werden und zahlt dafür einen monatlichen Betrag. Im Gegenzug bekommt man am Abholtag biologisches, regionales und saisonales Gemüse und unterstützt mit seinem Beitrag auch den Hof. "Das ist schon etwas anderes als in den Supermarkt zu gehen", sagt Betriebsleiter Henken, der den Hof mit fünf Mitarbeitern, davon sind drei behinderte Menschen, bewirtschaftet. Das bedeutet natürlich auch, dass saisonbedingt nicht immer jede Gemüsesorte zur Verfügung steht. Und im Winter gibt es zwangsläufig ein kleineres Sortiment als im Sommer. "Es entsteht dadurch aber ein Bewusstsein bei den Leuten, was wann wächst, und was hier überhaupt wächst", sagt Henken.
Eier von französischen Rassehühnern
Etwa 60 Gemüsesorten von Kartoffeln über Tomaten, Möhren, Paprika bis zu Kürbissen und unterschiedlichen Kohlsorten wachsen auf dem Eickedorfer Hof: Freilandgemüse gedeiht auf einem Hektar, die Gewächshäuser bieten auf 57 Quadratmetern Platz für Pflanzen. Die Eier stammen von den rund 60 Bressehühnern. Die französischen Rassehühner mit dem roten Kamm und den blauen Füßen legen Henken zufolge zwar weniger Eier als die sogenannten Hybridhühner, aber ihm sei es wichtig, selbst zu züchten. Bei den Hybriden müssten jedes Jahr Junge hinzugekauft werden. Sieben Monate leben die Hühner auf dem Hof, bevor sie geschlachtet und schließlich als Suppenhuhn beziehungsweise Hähnchen verkauft werden. Auch das Fleisch seiner 20 Kühe umfassenden Herde vermarktet der Familienvater. Insgesamt bewirtschaftet der Landwirt 20 Hektar.
Für Henken hat die solidarische Landwirtschaft aber noch einen anderen Vorteil. "Es ist schön, die Menschen zu kennen, die unsere Produkte verzehren", sagt der 31-Jährige. Beim Anbau setzt er auf ein vielfältiges Sortiment, "das gibt Sicherheit, wenn eine Sorte mal nichts wird". Das könne immer mal passieren, auch wenn Schädlingsbefall kaum ein Problem darstelle. Gespritzt wird auf seinem Hof nicht, und der Kohl wird zum Schutz abgedeckt. Henken ist überzeugt: "Je gesünder die Pflanze ist, desto weniger wird sie befallen, die Schädlinge gehen eher an geschwächte Pflanzen." Eine gute Nährstoff- und Wasserversorgung seien das beste Mittel für gesunde Triebe. "Wir haben einen vielseitigen Anbau, dadurch kommt nicht der eine Schädling, der sich dann ausbreitet, wie es oft in einer Monokultur der Fall ist."
Ein geschlossener Betriebskreislauf
Henken ist es wichtig, ein Bewusstsein für Lebensmittel zu schaffen. Viele seiner Kunden, sagt er, kommen aus der benachbarten Neubausiedlung. Auch die Gemeinde Grasberg greift das Thema mit ihrem neu geschaffenen Klima- und Nachhaltigkeitsforum auf, das jüngst auch die Direktvermarktung und Solidargärten als Thema hatte. Eine gute Form, um Menschen zu sensibilisieren, findet Henken. "Die Leute beschäftigen sich mittlerweile mehr mit dem, was sie essen und wollen wissen, wo ihr Gemüse herkommt", hat Henken beobachtet. "Und vielen werden die Probleme, die die industrielle Landwirtschaft mit sich bringt, immer bewusster." Vor allem zu Beginn der Pandemie hätten sich mehr Kunden für das Angebot seines Biohofs interessiert. Andererseits machten die Steigerungen der Lebensmittelpreise wiederum vielen Leuten zu schaffen, was eine Abkehr von den ohnehin teureren Bioprodukten bedeuten könnte.
Weil er und seine Mitarbeiter das Futter für die Tiere selber herstellen, ist der Hof nicht von den Preissteigerungen betroffen, sagt der Bio-Landwirt. Kosten für Dünger oder Ähnliches fallen ihm zufolge nicht an, der Mist der hofeigenen Kühe werde auf die Beete verteilt, um den Boden mit Nährstoffen zu versorgen. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit verfüge der Hof über einen geschlossenen Betriebskreislauf. "Grundsätzlich versuchen wir, alles, was wir geerntet haben, zu vermarkten." Klappt das mal nicht, bekommen es die Schweine. Mehrfach im Jahr bietet der Betriebsleiter den Mitgliedern seiner solidarischen Landwirtschaft Mitmachtage an. "Da können sie erfahren, was eigentlich hinter unserem Konzept steckt und wie viel Arbeit damit verbunden ist."