Grasberg. Viele Obstbäume stehen gegenüber des großen Bauernhauses, daneben sind Steinhaufen als Unterschlupf für Bienen aufgeschüttet und Insektenhotels angebracht. Ein Stück weiter ist ein Muhen zu hören, hier befindet sich der Stall mit 60 Kühen. Zwei kleine Kälbchen und ein paar Jungtiere stehen im Außenbereich. Landidylle, könnte man sagen. Es ist der Hof des Osterholzer Kreislandwirtes Stephan Warnken. Er bewirtschaftet außerdem Grünflächen und vermietet Ferienwohnungen an Gäste.
"Es ist die Aufgabe der Landwirte, die Natur in ihrer Vielfalt zu erhalten", sagt er. Der Ruf seiner Zunft allerdings ist in den vergangenen Jahren schlechter geworden. Landwirte werden in der öffentlichen Diskussion immer seltener als Umwelt- oder Artenschützer angesehen. Das liege nach Ansicht des Kreislandwirtes vor allem an der medialen Berichterstattung und politischen Entscheidungen. Er nennt hier zum Beispiel die Debatte über Glyphosat, ein Pflanzenschutzmittel, das ab 2023 laut EU-Verordnung nicht mehr auf die Felder aufgebracht werden darf.
Ebenso haben die Bauernproteste im Herbst 2019 wegen weitreichender Maßnahmen im Insektenschutz, der Düngeverordnung und der Tierwohlgarantie für Aufsehen gesorgt. Bauer, im Übrigen, sei ein altertümlicher Begriff. "Ich bin Landwirt, ich habe das studiert", sagt er. Die Regelungen seien verbunden mit hohen Kosten, die sich über den Preis der Produkte aber nicht zurückholen ließen, so die Kritik der Demonstrierenden. Gleichzeitig wollten viele Landwirte auch darauf aufmerksam machen, dass Klimaschutz nur gemeinsam gelingen könne, und die Landwirtschaft nicht alleine verantwortlich gemacht werden könne.
Größere Distanz zur Bevölkerung
Der Landwirt begründet das Auseinanderdriften von Bevölkerung und Landwirten aber nicht nur mit diesen Debatten und der Berichterstattung darüber: "Die Distanz zwischen der Landwirtschaft und den Bürgern ist größer geworden." Früher seien die Höfe kleiner gewesen, die Traktoren ebenso. "Heute sitze ich auf einem Schlepper mit Glaskabine und fahre mit 40 Kilometern in der Stunde durch das Dorf."
Die Distanzierung hat mit dem strukturellen Wandel der Landwirtschaft zu tun. "Es gibt Großbetriebe und es gibt Familienbetriebe", sagt Warnken. Zumindest auf den ersten Blick, denn so einfach sei es nicht. Viele Großbetriebe seien ebenfalls Familienbetriebe, nur dass die Familien sie nicht mehr länger alleine bewirtschaften könnten, weil sie zu groß dafür geworden sind. "Sie müssen zwangsläufig größer werden, wenn mehrere Familien ihr Auskommen auf diese Art sichern müssen", sagt der Kreislandwirt. Die Gesellschaft allerdings bringe mehr Sympathien für kleine Betriebe auf als für große. "Einerseits freuen sich die Menschen über den niedrigen Preis, auf der anderen Seite kritisieren sie die Größe der Betriebe", ärgert sich Warnken.
Grund für den Wandel sieht der Kreislandwirt in der Industrialisierung. Die Fabriken brauchten Arbeitskräfte, aus diesem Grund seien viele ehemalig in der Landwirtschaft Tätige abgewandert. Diese Abwanderung sei gleichzeitig durch technische Neuerungen aufgefangen worden. "Die Effizienz wurde enorm gesteigert", sagt er. Viele Arbeiten, die vorher per Hand zu erledigen waren, seien durch Maschinen automatisiert worden. Gleichzeitig hätten sich viele Betriebe in diesem Zusammenhang vergrößert – auch weil es eine gewisse Größe bräuchte, um das Auskommen der Familie zu sichern.
Leben mit der Natur
Im Grunde sind nach der Überzeugung Warnkens alle Landwirte – mit Ausnahme weniger schwarzer Schafe, wie es sie auch in anderen Wirtschaftszweigen gebe – darauf bedacht, mit der Natur zu leben und gleichzeitig ihre Familie ernähren zu können. Um der Entwicklung der stetigen Vergrößerung entgegenzuwirken, bräuchte es auch eine angemessene Bepreisung der Produkte.
"Im Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Branchen liegt das Jahreseinkommen bei 60.000 Euro", schätzt Warnken. Von diesem Geld lebe eine Familie, die meistens aus mehreren Generationen bestünde, gleichzeitig müssten davon der Hof erhalten, Investitionen für die Zukunft getätigt und Kredite aus der Vergangenheit getilgt werden. "Da bleibt am Ende nichts übrig", sagt der Landwirt. Daher sähen sich viele gezwungen, ihre Betriebe zu vergrößern. "Es gibt das Sprichwort ,Wachsen oder weichen#", sagt Warnken. Dieser Satz gelte in gewisser Weise auch heute.

Ob Warnken den Eindruck hat, dass Biolandwirte einen besseren Stand in der Bevölkerung haben, als ihre konventionellen Kollegen? "Sie sind schon besser angesehen", sagt er. Allerdings nicht innerhalb des Berufsstandes. "Ich stehe genauso neben einem ökologischen Landwirt wie neben einem konventionellen." Die Umstellung eines Betriebes hin zur ökologischen Landwirtschaft sei teuer. Vorher müsse außerdem die Frage der Vermarktung geklärt sein. Zwar wachse der Biomarkt, allerdings vor allem in den Bereichen Obst und Gemüse. "Das kommt oft aus dem Ausland." Für Warnken mit seiner Milchviehzucht würde sich die Umstellung nicht lohnen: "Dafür habe ich zu wenig Fläche, der Ertrag würde nicht ausreichen."