Grasberg. Als das Hochwasser rund um Weihnachten kam, stand auch ein Teil der Flächen von Landwirt Heiko Behrens unter Wasser. Etwa 20 Prozent seines Grün- und Ackerlands befinden sich im Überschwemmungsgebiet zwischen der Wörpedorfer Straße und der L 133 Richtung Lilienthal und sind noch immer nicht wieder mit dem Trecker befahrbar. Den Grund sieht er unter anderem in Bremen. Wie schon die Bremer CDU kritisiert auch der Grasberger den Zustand des Wümmeufers in Borgfeld. "Die Wörpe wird das Wasser in die Wümme nicht los", sagt Behrens, der den Familienbetrieb an der Wörpedorfer Straße vor 24 Jahren von seinen Eltern übernommen hat und dort eine Bullen- und Schweinemast betreibt.
Die Historie
Bis Anfang der 1960er-Jahre war man Überschwemmungen in Grasberg und umzu gewohnt, sagt der Landwirt. Deshalb wurde die Wörpe aus- und Schleusen eingebaut, berichtet er. Anfang der 1990er-Jahre dann sei es das Ziel gewesen, den Fluss naturnäher zu gestalten. Im oberen Teil der Wörpe wurden die Schleusen entfernt und durch Sohlgleiten ersetzt. "Gemeinde und Wasserverband sagten damals, dass Abflussverhalten ändert sich dadurch nicht", so Behrens. Nicht nur er, sondern auch andere Landwirte aus Grasberg hätten darin einen Fehler gesehen: Schleusen ließen sich schließen und wieder öffnen, Sohlgleiten könne man nicht verändern.
Das Problem
Die Wümme ist in den Augen von Landwirt Heiko Behrens ganz klar das Problem – "da ist in den vergangenen Jahren überhaupt nichts gemacht worden, so weit ich das beobachten konnte." Weiden würden am Eingang von Borgfeld, wo Wörpe und Wümme aufeinandertreffen, ins Wasser wachsen. "Das Gewässer fließt nicht mehr, weil es eingeengt ist", sagt der 52-Jährige. Er habe schon von Leuten gehört, dass die Natur das selber regele, "aber dann können wir Menschen diese Region verlassen, die wir der Natur vor 200 Jahren abgetrotzt haben. Dann wird es hier unbewohnbar". Aber auch von der Wörpe fließe zu viel Wasser aus Grasberg hinunter nach Lilienthal. "Die Wörpe steigt zu stark an, da muss es gar kein Starkregenereignis geben, dauerhafter Landregen reicht da manchmal schon aus." Anfang Oktober etwa habe seine Messstation 45 Liter Niederschlag pro Quadratmeter angezeigt, "und die Wörpe war bis oben voll". Der Fluss werde durch die Sohlgleiten breiter, führt Behrens, der sich nach eigenen Angaben seit vielen Jahren mit dem Thema Hochwasser beschäftigt, aus. "Das bedeutet eine größere Wassermenge, die schneller hier ankommt."
Die Auswirkungen
Noch seien die Auswirkungen des jüngsten Hochwassers noch nicht recht zu spüren, sagt Heiko Behrens. "Es gibt jedes Jahr gute und schlechte Flächen, mal ist es ein Jahr zu nass, dann wieder zu trocken. Damit muss man als Landwirt leben. Aber die Situation jetzt ist mir ein bisschen zu hausgemacht." Der 52-Jährige geht davon aus, dass sich das Hochwasser auch auf seine Erträge auswirkt. Auf seinen Feldern baut er Gras an, das er als Silage an die Bullen verfüttert, und außerdem Getreide als Futter für die Schweine. "In dieser Saison ist zum Beispiel kein Wintergetreide in die Erde gekommen, weil es zu nass war. Den Ausfall kann man mal ausgleichen, aber das darf nicht jedes Jahr passieren. Das Wirtschaften wird ohnehin nicht einfacher."
Die Idee
Für Heiko Behrens liegt auf der Hand, was zu tun ist, um Hochwasser in Zukunft zu vermeiden. "Oberhalb von Grasberg, also Richtung Tarmstedt, müsste man wieder Schleusen in die Wörpe einbauen", lautet sein Vorschlag. Und zwar solche, die automatisch gesteuert werden, um den Zufluss zu verringern. Gleichzeitig müsse der Zufluss in die Wümme besser geregelt werden, indem das Ufer radikal von Strauchschnitt befreit werde. "Kommune und Landkreis müssen dem zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt mal richtig auf die Finger klopfen und auf unsere Probleme hinweisen."
Das sagt das WSA
"Wir schauen, dass wir den Flussschlauch als Abfluss zur Verfügung stellen", sagt Sven Wennekamp, Leiter der Außenstellen Farge und Blexen beim Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA). Auf rund 18 Kilometern Länge ist die Wümme zwischen Borgfeld und der Einmündung in die Lesum eine Bundeswasserstraße. Somit ist das WSA zuständig für die Pflege des Flusses und des direkten Uferbereichs. Das Problem sei in erster Linie, dass die Wümme in Borgfeld sehr schmal sei. "Das Wasser von den Flächen sammelt sich in der Wümme wie in einem Trichter." Wennekamp geht davon aus, dass es nicht das letzte Hochwasser gewesen ist. Er plädiert für ein Gesamtkonzept, das sogenannte Polderflächen beinhaltet, also Flächen, die hohe Wassermassen temporär aufnehmen können und dafür planmäßig vorgehalten werden. "Man muss dem Fluss die Chance geben, das Wasser loszuwerden, um sich selbst zu entlasten."

Die Hauptarbeiten am Uferrand - hier eine Archivaufnahme - werden vom kleinen gelben Beiboot ”Banane” aus erledigt. Das Wasser- und Schifffahrtsamt und führt vom Schwimmgreifer-Schiff ”Harriersand” die Uferpflege an der Borgfelder Wümme.
Warum der Bewuchs wichtig ist
Grundsätzlich gibt Wennekamp dem Grasberger Landwirt und auch der Bremer CDU recht, wenn es um den Bewuchs am Flussufer geht. "Jede Rauigkeit hemmt den Abfluss, das fängt schon bei Kraut an", sagt der Bauingenieur. Glatte Spundwände böten ihm zufolge ein "optimales Abflussverhalten", sobald die Natur ins Spiel komme, werde das Wasser gehemmt. "Andererseits sind wir im Wasserbau froh, wenn wir Pflanzen wie etwa Weiden haben, denn die halten uns das Ufer fest." Meist zu Beginn des Jahres schneide die Behörde den Bewuchs am Ufer zurück, damit Wassersportler den Fluss mit Saisonbeginn gefahrlos nutzen können. Aber auch der Hochwasserschutz ist ein Thema, genauso wie der Naturschutz. "Wir arbeiten daran, den Flussquerschnitt frei von Gehölzen zu halten, aber wir schneiden heutzutage weniger zurück als vor 50 Jahren, früher wurde gerne mal Kahlschlag gemacht, davon sind wir ab. Wir können das Naturschutzgesetz nicht einfach ignorieren", sagt Wennekamp. Es gehe um einen verträglichen Einschnitt in die Natur. Zudem befinde sich ein Großteil der Flächen, der sogenannte Vorlandbereich, gar nicht im Zuständigkeitsbereich des WSA. Eigentlich wollten Wennekamp und seine Kollegen bereits am 11. Januar mit dem Schwimmgreifer "Harriersand" nach Borgfeld kommen, um an der Wümme in bisschen aufzuräumen. Aber der Wasserstand sei zu hoch gewesen, um mit dem Boot unter den Brücken hindurchkommen. Einen neuen Versuch soll es am 22. Februar geben.