Grasberg. Grauer Staub überzieht die Füße, die in Birkenstock-Pantoffeln stecken. Die Moorerde staubt derzeit mächtig, und Nils Henken ist auf den elf Hektar viel zu Fuß unterwegs. Der 28-Jährige übernahm Anfang 2018 die Verantwortung für die Landwirtschaft auf dem Eickedorfer Hof. Seit 1962 wird hier biologisch-dynamisch gearbeitet im Sinne des „Demeter“-Anbauverbandes, bisher jedoch nicht als Schwerpunkt. Dieser lag vielmehr in der Arbeit mit Menschen mit Hilfebedarf. Inzwischen versorgt der Hof nicht nur seine Bewohner, sondern weitere 15 Familien mit frischem Gemüse, Eiern und Fleisch. Henken hofft, dass es bald noch mehr sind. Die Landwirtschaft ist neben dem sozialen Bereich zu einem zweiten Schwerpunkt in Eickedorf geworden. Es ist keine traditionelle, sondern eine Solidarische Landwirtschaft und das heißt laut Henken: „Die Kunden sind keine Kunden, sondern Mitglieder und zahlen einen monatlichen Beitrag.“
Seine Kindheit hat Henken in der Schweiz verbracht. Weil die Eltern aus Norddeutschland stammten, verlebte er viele Ferien im Norden und ihm war klar, dass er nach der Schule da leben wollte. Mit der Landwirtschaft kam er erstmals bei einem Schulpraktikum der Waldorfschule in Berührung. Das gefiel ihm so gut, dass er später eine Ausbildung beim Demeter-Verband absolvierte und in den vergangenen Jahren auf verschiedenen Demeter-Höfen der Region Praxiserfahrungen sammelte, auf dem letzten lernte er die Solidarische Landwirtschaft kennen und schätzen. So sehr, dass er sie nun auf dem zwölf Hektar großen Hof in eigener Verantwortung lebt. Auf einem halben Hektar wachsen 65 Gemüsesorten, auf einem viertel Hektar baut er Kartoffeln an.
Gemüse als Vertrauenssache
„Fast alles ist Handarbeit“, sagt Henken. Er packt nicht alleine an. Der Hof ist Arbeitsplatz und Lebensort für Menschen mit Hilfebedarf, wie es in der von Rudolf Steiner begründeten anthroposophischen Denkweise heißt. Sie sitzen auf dem Trecker oder jäten und ernten mit. Dieser soziale Teil, der in der Verantwortung von Sinclair und Birgit Tiersch steht, sei eine Einnahmequelle des Hofes. Mit dem Aufbau der Solidarischen Landwirtschaft will Henken für den Eickedorfer Hof ein zweites Standbein schaffen. Für eine kleine, vielfältige Landwirtschaft sei sie die beste Vermarktungsform. Und: „Es gibt immer mehr Menschen, denen es wichtig ist, zu wissen, wo ihr Essen herkommt.“
Ein Demeter-Hof zu sein, bedeutet den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger. Stattdessen setzen die Landwirte auf einen geschlossenen Betriebskreislauf und die wesensgemäße Tierhaltung. Auf der Henkens Weide grasen die sieben Mutterkühe, daneben scharren Hühner. Die ziehen mit ihrem Bauwagen regelmäßig auf der Wiese um, damit sie nicht im kahl gepickten Dreck wühlen müssen. Zum Eickedorfer Hof gehören außerdem drei Ziegen, zwei Schweine, vier Ponys, und zwei Bienenvölker.
Demeter-Bauern wollen Landwirtschaft erlebbar machen. Zwei Schulpraktikantinnen ernten gerade riesige Rhababerblätter. Einmal in der Woche ist Abholtag. Dann kommen die Mitglieder aus Grasberg, Lilienthal und Worpswede zum Hof und holen etwa Fenchel, Karotten, Tomaten oder Gurken.
Solidarische Landwirtschaft funktioniert anders als Einkaufen im Supermarkt, und sie ist eine Mischkalkulation. Henken und sein Team stellen am Abholtag alles bereit, was reif ist. Der Monatsbeitrag beträgt sommers wie winters 65 Euro pro Erwachsenem, für Familien 130 Euro. Wenn die Erntezeit beginnt und der Abholtisch üppig bestückt ist, sei die Auswahl natürlich größer als im Frühling oder Winter.
Gerecht geht es auch zu. Auf eine Tafel schreibt Henken beispielsweise, ob für jede Familie eine Gurke bestimmt sei oder so viele sie wollen. Grundsätzlich gilt: „Jeder nimmt sich nach Bedarf.“ Von dem, was da ist. Das basiere natürlich auf Vertrauen, was nicht nur durch den Abholtag wachsen kann, wenn auch jede Menge Kinder über den Hof toben und die Erwachsenen beieinander sitzen und sich unterhalten. Mehrfach im Jahr veranstaltet Henken gemeinsame Jäte- und Ernteaktionen. Interessierte können das System einen Monat testen und danach entscheiden, ob sie dabei bleiben wollen. Bis zu 50 Familien will Henken versorgen. Die ersten Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft habe er durch den Worphauser Wurzelkindergarten gefunden. Dort werden auch seine beiden Kinder betreut. Nun wirbt er mit einem Hofrundgang für das Modell. Interessierte können sich am Sonnabend, 20. Juli, um 15 Uhr auf dem Eickedorfer Hof in Grasberg in der Eickedorfer Straße 31 über die Solidarischen Landwirtschaft informieren und den Hof und dessen Bewohner und Tiere kennenlernen.