Unliebsamen Besuch hat der vielseitig gebildete Wissenschaftler in seinem Haus im Lilienthaler Ortsteil Falkenberg schon häufiger gehabt. Wenn Polizeibeamte und mitunter auch Zollfahnder bei ihren Visiten fanden, was sie vermuteten, musste sich der Mann mal wieder auf ein Gerichtsverfahren gefasst machen. Mehrfach wurde der ehemalige Hochschuldozent und Hobbychemiker verurteilt, weil er im Heimlabor synthetische Drogen herstellte und damit auch schwunghaften Handel betrieb. Im jüngsten Fall ging es „nur“ um den Besitz von Amphetamin. Weil ihm die vom Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck verhängte Strafe nicht behagte, hatte der inzwischen 75-Jährige jetzt vor dem Landgericht zu erscheinen.
Das Verdener Justizzentrum ist dem gebürtigen Cuxhavener nicht fremd. Dort hat „der Doktor“, wie er in der Drogenszene offenbar genannt wird, bereits 2014 und 2015 Haftstrafen kassiert, die er größtenteils auch verbüßen musste. Geahndet wurde unter anderem der Verkauf von rund 250 Gramm „hochreinen und nicht gestreckten“ Methamphetamins („Crystal Meth“) an eine Frau aus München; Preis damals 35 Euro pro Gramm. Nach den Feststellungen des Gerichts handelte es sich um einen zunächst für den Eigenkonsum reservierten Teil der gut viereinhalb Kilo, die der Angeklagte schon 2010 produziert hatte.
Im Zusammenhang mit der stattlichen Menge hausgemachten Meths war der Mann zuvor auch schon vom Landgericht Bremen verurteilt worden. In Verden hatte er vor fast genau neun Jahren nicht nur ein umfassendes Geständnis abgelegt, sondern auch die Hoffnung geäußert, „dass ich das Gericht nie wiedersehe“. Damals schon von schwerer Krankheit gezeichnet, musste der begabte und begehrte „Drogenkoch“ noch einige Zeit hinter Gittern verharren.
Bewegte Biografie
„Habe ich überstanden und durchgestanden“, sagte der Senior nun, als er vor der 5. Kleinen Strafkammer des Landgerichts einen kurzen Abriss seiner bewegten Biografie gab – vom einstigen Multistudium in Kiel, das angeblich Ökologie, Biologie, Geografie, Biochemie und mehr umfasste, über ein großartig gestartetes, dann gescheitertes Gemeinschaftsprojekt mit Gleichgesinnten im Tischlereibereich bis hin zu verstärkter Beschäftigung mit verbotenen Substanzen. Der Angeklagte sei „in die Illegalität abgerutscht“, formulierte es der Vorsitzende Richter, „über die Chemie abgeglitten“. Der Betäubungsmitteln (BTM) zugetane Rentner berichtete der Vollständigkeit halber auch noch ein bisschen über seine Ehefrau, die er einst in einem Reisebüro auf den Philippinen kennengelernt habe. „Ich war verliebt. Sie wissen, wie das ist…“ Mit der Ehe scheint es nicht zum Besten zu stehen, wie der 75-Jährige auch mit Verweis auf seine finanzielle Situation durchblicken ließ.
Vor knapp anderthalb Jahren war er vom Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt worden. Die Strafrichterin hatte auf zwei Fälle des unerlaubten BTM-Besitzes erkannt, einmal in nicht geringer Menge mit hohem Wirkstoffgehalt. Der „Stoff“ des Anstoßes war bei Hausdurchsuchungen im Dezember 2021 und im März 2022 entdeckt worden. Beutel mit Amphetamin befanden sich in einem begehbaren Kleiderschrank und stammte vermutlich aus Eigenproduktion. Das Landeskriminalamt hatte zuvor Hinweise auf die Lieferung bestimmter Chemikalien an die Lilienthaler Adresse erhalten.
In erster Instanz hatte der Verteidiger Freispruch gefordert. Es sei nicht sicher, dass das Amphetamin dem Angeklagten zuzuordnen sei. Die Berufung war nun auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, was einem pauschalen Geständnis gleichkam. Die angeklagten Taten des BTM-Besitzes mussten nicht noch einmal beleuchtet werden. Nach Abwägung aller Umstände wurde die Bewährungsstrafe auf anderthalb Jahre reduziert.