Lilienthal. Seit neun Jahren fährt die Linie 4 durch Lilienthal, doch endgültig abgerechnet ist der Bau der Straßenbahnverlängerung nach wie vor nicht. Ein Schreiben des Niedersächsischen Verkehrsministeriums legt nahe, dass sich die Projektbeteiligten uneins sind, wie die Mehrkosten geschultert werden sollen, die infolge der Insolvenz der Baufirma Walthelm als Hauptauftragnehmer entstanden sind. Gibt es hinter den Kulissen Streit, wer für den erhöhten Aufwand aufkommen soll, den die Pleite mit sich gebracht hat? Die Wirtschaftsbetriebe Lilienthal GmbH (WBL) und der Bremer Bausenator weisen das zurück. "Von ,Uneinigkeit' hinsichtlich der Finanzierung kann nicht die Rede sein", betont die Bremer Baubehörde. Folgt man ihren Ausführungen, ist die fehlende Abrechnung vor allem dem überaus komplexen Verfahren mit diversen Beteiligten und unterschiedlichen Förderbedingungen geschuldet.
Warum unter die Finanzierung des Straßenbahnprojekts noch kein Schlussstrich gezogen worden ist, interessiert die Initiative Pro Lilienthal. Ihren Vereinsstatus haben die Kritiker der Linie 4 im vergangenen Jahr zwar aufgegeben, ihre Hauptakteure sind aber weiterhin unter dem alten Namen aktiv. Alfred Werner und Karsten Michaelis hatten sich im Februar an das Verkehrsministerium in Hannover gewandt, nachdem sie im Lilienthaler Rathaus nicht mehr weiter gekommen waren. Über Jahre hat Pro Lilienthal einen regen Schriftwechsel mit der Gemeinde und der gemeindeeigenen Wirtschaftsbetriebe Lilienthal GmbH geführt. Weil ihnen die erteilten Auskünfte nicht ausreichten, hakten die Straßenbahnkritiker immer wieder nach. Im Juli 2022 teilte ihnen WBL-Geschäftsführerin Tanja Stellmacher mit, dass sie vorerst keine weiteren Fragen mehr beantworte, weil aus ihrer Sicht alles zu dem Thema gesagt sei und es keinen neuen Sachstand gebe.
Komplexes Verfahren
Auf Anfrage der WÜMME-ZEITUNG erklärt die WBL-Geschäftsführerin, dass auch sie lieber heute als morgen das Kapitel Linie 4 abschließen würde. Sie betont: Einen Streit unter den Beteiligten gebe es nicht. Auch sie verweist auf das aufwendige Antrags- und Prüfverfahren für die Fördergelder aus Mitteln des Bundes und der Länder Bremen und Niedersachsen. Die Pleite des Generalunternehmers habe die Angelegenheit zusätzlich erschwert. Stellmacher geht davon aus, dass die Schlussrechnung für den Bau der Straßenbahnverlängerung im ersten Quartal 2024 vorliegt.
Dass neun Jahre nach der Inbetriebnahme der Linie 4 das endgültige Zahlenwerk fehlt, sei äußerst unbefriedigend, findet die Initiative Pro Lilienthal. Wenn die Erklärung des Niedersächsischen Ministeriums zutreffe und es tatsächlich daran liege, dass sich die Beteiligten nicht über die Verteilung der Mehrkosten durch die Insolvenz der Firma Walthelm verständigen konnten, sei die ausstehende Schlussrechnung inakzeptabel.
Für Pro Lilienthal war es ein Fehler, der Firma Walthelm den Zuschlag für den Bau der Straßenbahnverlängerung zu geben. Die WBL habe damals auf Empfehlung der Consult Team Bremen GmbH (CTB) den Auftrag an den billigsten Anbieter vergeben, dessen Angebot rund ein Drittel günstiger gewesen sei als das der Mitbewerber. Dies hätte die Beteiligten stutzig machen müssen. „Es ist bemerkenswert, dass bei dieser hohen Differenz zwischen den Anbietern weder die WBL und ihr Rechtsberater als Vergabestelle und Auftraggeber noch das von Bremen beauftragte Beratungsunternehmen CTB Zweifel an der Seriosität des Angebots der Firma Walthelm angemeldet haben“, heißt es in einem Brief an das Bremer Amt für Straßen und Verkehr. Pro Lilienthal verweist darauf, dass laut Rechtssprechung das wirtschaftlichste und nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhalten müsse. Die Initiative erwartet eine Antwort auf die Frage, wer für die Mehrkosten verantwortlich ist, die aufgrund der Insolvenz der Firma Walthelm entstanden sind.
Eine Prüfung folgt der nächsten
Die Lilienthaler Straßenbahnkritiker befürchten, dass auch der in Aussicht gestellte Termin im Frühjahr 2024 nicht gehalten werden kann und noch viele weitere Jahre vergehen werden, bis ein Schlussstrich unter die Finanzierung der Straßenbahnverlängerung gezogen wird. Anlass für diese Annahme ist aus ihrer Sicht ein Schreiben, das sie zuletzt vom Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV) erhalten hat. Darin ist davon die Rede, dass die Wirtschaftsbetriebe Lilienthal den Schlussverwendungsnachweis für das Projekt voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 einreichen werden und dass dieses Zahlenwerk danach auf Bremer Seite noch einmal geprüft werden müsse. "Ein Termin, wann das Prüfverfahren abgeschlossen sein wird, kann aktuell noch nicht genannt werden", schrieb das ASV der Initiative.