Bremen/Landkreis Osterholz. Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise machen dem Bäckerhandwerk zu schaffen. In Worpswede, Grasberg, Lilienthal und Borgfeld suchen Meister der Zunft nach Lösungen für die Zukunft. Gleichzeitig wollen Discounter wie Aldi ihr Angebot erweitern und Premium-Produkte aus der Region vermarkten. Kann daraus eine Win-Win-Situation für Bäckermeister und Discounter entstehen?
Bereits vor einem Jahr hatte Aldi-Nord die Zusammenarbeit mit regionalen Bäckerei-Betrieben angekündigt. „Wir sind dabei, Bäcker aus der Umgebung zu gewinnen, die uns zukünftig beliefern werden“, berichtete der Regionalverkaufsleiter Aleksandar Arsov, der auch den Aldi-Markt in Lilienthal betreut. Aufgebacken würden die Teigprodukte überwiegend vor Ort. Begründet wurde das Ansinnen Aldis durch das veränderte Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden. Regionale Produkte seien für Aldi ein absolutes Topthema. „Themen wie Regionalität, gesunde Ernährung, fairer Handel und Tierwohl spielen eine immer größere Rolle“, so ein Aldi-Sprecher aus Essen. Die Märkte seien in Bewegung.
Brötchen in zwei Varianten
Was aus dem Plan geworden ist, kann man mittlerweile in der Region sehen: So pflegen Volker Sammann, Inhaber von "Sam Urban Baker", und Roberto Ferrari Renzi, Geschäftsführer der Bäckerei Garde, bereits Geschäftsbeziehungen zu Aldi-Nord. Genau genommen ist es die Meisterbäckerei Neuber, die unter anderem Aldi in Lilienthal beliefert. Sie ist seit 2020 Teil des Unternehmens "Garde – der gute Bäcker seit 1797". 400 Menschen beschäftigt der Betrieb, berichtet Geschäftsführer Renzi.
Renzi betont, dass sein Unternehmen sehr unter der Energiekrise leide. Es müsse inzwischen das Neunfache an Energiekosten im Jahr aufbringen, so der Kaufmann. Um die Kosten aufzufangen, produziere man deshalb inzwischen Backwaren in zwei Varianten: "Garde stellt jedes Brötchen von Hand her – mit Ausnahme der Krossen und der Kaiserbrötchen", berichtet Renzi. Diese Brötchen würden ausschließlich in Garde-Fachgeschäften verkauft.
Über den Namen Neuber vertreibe das Unternehmen Produkte für Aldi. Die Meisterbäckerei Neuber aus Altenwalde war 2019 in die Insolvenz gegangen – und startete bei "Garde" einen Neuanfang. "Für Aldi produzieren wir beispielsweise Frischkäse-Twister oder Würstchen im Schlafrock, Oberländerbrot oder Schokohörnchen", berichtet Renzi weiter. Die Produktionsweise der Aldi-Produkte sei jedoch eine ganz andere als bei den Premium-Backwaren im Bäckerei-Fachgeschäft. Für Garde seien alle Produkte ohne Konservierungsstoffe hergestellt. Das sei bei den Aldi-Produkten anders. "Den Unterschied schmeckt man schon", so der Unternehmer und Sprachwissenschaftler, der seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz hat.
Lieferung an mehrere Aldi-Filialen
Volker Sammann, Inhaber der Wümmebäckerei sowie der Bäckerei-Kette "Sam Urban Baker" beliefert Aldi hingegen mit "ganz normalen" Produkten. "Wir nehmen dafür allerdings auch dieselben Preise wie in unseren Filialen", räumt der Kaufmann ein. "Ob sich das beißt, dass wir unsere Premium-Produkte auch beim Discounter verkaufen, wird sich zeigen." Für ihn sei das ein Experiment. Zwei Sorten Brötchen, fünf Sorten Brot und zwei Kuchen vertreibt das Unternehmen über den Discounter. Die Verträge liefen jedoch nur über drei Monate. Sammann erhofft sich so, neue Kunden zu generieren.
Bislang gehe die Rechnung auf. An Ostern wolle er Bilanz ziehen. Sammann glaubt, dass Handwerksbetriebe neue Wege gehen müssen. "Bestellt wird zukünftig über Apps, die Produkte werden dann an Stationen abgeholt", mutmaßt der Geschäftsmann. Und er gehe davon aus, dass zukünftig mehr und mehr Bäckerei-Fachgeschäfte geschlossen würden – auch aufgrund des Personalmangels. Sammann beschäftigt zurzeit 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in seiner Produktionsstätte in Oyten sowie in zehn Verkaufsstellen in der Region.
Es kommt auf den Preis an
Bäckermeister Gerd Buttgereit, Inhaber der Barnstorff-Bäckereien, beobachtet die sich rasant verändernden Märkte mit Skepsis. "Ich will meinen Handwerksbetrieb behalten", sagt der Unternehmer, der in Bremen, Worpswede, Grasberg und Umgebung 20 Filialen betreibt. "Wenn ich mein Worpsweder Schrotbrot, das 4,50 Euro kostet, für 3,99 Euro bei Aldi verkaufen müsste, dann wäre das für mich keine Option", sagt der Bäckermeister. Andererseits wäre es gut, wenn sich durch eine Kooperation neue Kundenbeziehungen knüpfen ließen. "Würde Aldi mein Brot genau wie ich für 4,50 Euro verkaufen, würde ich eine Zusammenarbeit testen", räumt Buttgereit ein. Anders als bei anderen Betrieben in der Region wäre der Discounter jedoch nicht auf ihn zugekommen, um eine Kooperation vorzuschlagen. Eine zukünftige Zusammenarbeit schließe er nicht aus, sagt der Grasberger. Es käme auf die Preise an.
Die seien in der Tat ein großes Thema, weiß auch Torsten Wöbse, Obermeister der Bäckerinnung im Elbe-Weser-Raum aus Erzählungen seiner Kollegen. Einige Betriebe hätten die Zusammenarbeit mit Aldi auch schon wieder eingestellt, weiß er. Grundsätzlich begrüße er es, "wenn Mitglieder der Innung innovativ sind und neue Wege ausprobieren, um ihren Umsatz zu stabilisieren". Für ihn persönlich käme eine Zusammenarbeit mit Discountern jedoch "nicht infrage."