Groß, größer, riesig: Ins Guinness-Buch der Rekorde schafft es alljährlich eine Sammlung der verrücktesten Rekorde. Zu finden ist unter den Glanzleistungen regelmäßig auch Gemüse. Überall auf der Welt versuchen Hobbygärtner, sich gegenseitig bei der Aufzucht von Exemplaren im XXL-Format zu übertrumpfen. Vielleicht nicht unbedingt rekordverdächtig, aber immerhin ein paar Nummern größer fallen auch auf hiesigen Feldern gelegentlich Knollen oder Kürbisse aus. Gut für die Landwirte, sollte man meinen. Doch die geraten angesichts ihrer Giganten meistens gar nicht in Ekstase. Warum? Das verraten uns drei Bauern aus Lilienthal, Wilstedt und Bülstedt.
Jürgen Brüning, Kartoffelbauer aus Lilienthal
Seine momentan dickste Knolle hält Jürgen Brüning in der Hand, er hat sie gerade zufällig auf seinem Acker zwischen Grasberg und Tarmstedt entdeckt: ein wirkliches Prachtexemplar der festkochenden Sorte Belana, 474 Gramm schwer und 13,3 Zentimeter lang. Beeindruckend groß, wenn man bedenkt, dass eine normal große Kartoffel ungefähr 80 Gramm wiegt. So eine große finde er nur alle Jubeljahre einmal, erzählt der Landwirt. Voller Stolz präsentiert er sein Gemüse allerdings nicht – für den 37-Jährigen birgt es eher Nachteile als Vorzüge. "Ich bin nicht scharf auf diese riesengroßen Kartoffeln, groß ist für uns nicht erstrebenswert", sagt der Landwirt.
Das hat einen besonderen Grund: Die Mega-Exemplare weisen meistens im Inneren große Löcher auf. "Ein Drittel einer Knolle kann dann hohl sein", sagt Brüning. Deshalb eigneten sich seine Belana-Giganten nicht zum Grillen. An Supermärkte kann Brüning sie auch nicht loswerden, sie passten nicht mal in die Öffnung der Papiertüte für die XXL-Kartoffeln, die er im normalen Sortiment hat. Restaurants dagegen bestellen gerne die großen Knollen, weil sie schneller zu schälen sind, sie schimpfen jedoch über die Hohlstellen.
Aber wie kommt es überhaupt zu dieser Größe? Grundsätzlich müsste der Mix aus Regen und Dünger stimmen, viel Platz in der Erde, etwa am Ende einer Kartoffelreihe, begünstige das Wachstum, berichtet Brüning, der Mitte August mit der Ernte angefangen hat.

Solche Prachtexemplare erntet der Lilienthaler Kartoffelbauer Jürgen Brüning alle Jubeljahre einmal.
Jochen Krentzel, Gemüsebauer in Wilstedt
Auch Jochen Krentzel ist in diesen Tagen ein Prachtexemplar gelungen, stolze 940 Gramm bringt seine größte Rote Bete auf die Waage, fast so groß wie eine Steckrübe ist sie. Eine normale Rote Bete der Sorte Boro wiegt im Gegensatz dazu etwa nur 100 bis 300 Gramm. Einen richtigen Krater habe sie in der Erde hinterlassen. "Ich musste aufpassen, dass ich nicht über ihn stolpere", erzählt der 58-Jährige, dessen Gesichtsfarbe zeigt, dass er einen Großteil seines Lebens an der frischen Luft verbringt. Knollen von fast einem Kilo erntet Krentzel in optimalen Jahren höchstens zwei bis drei Mal. Dafür getan hat der Gemüsebauer aus Wilstedt eigentlich nichts. Das gute Gedeihen führt er auf eine Mischung aus tendenziell nassem Sommer plus Wärme, Beregnung der winzigen Jungpflanzen und viel Platz zurück.
Einen Rekord aufzustellen, liegt ihm fern, Monster-Bete zu züchten ist nicht das Ziel. "Für mich als Erzeuger bringt eine große Knolle als Einzelstück zwar mehr Geld, aber bei Privatleuten und Restaurants sind sie nicht so beliebt". Stundenlang müsse sie gekocht werden, um weich zu werden, und für ein Carpaccio würden eher gleich große und kreisrunde Scheiben benötigt. Für die Zubereitung im Ofen spiele das Gewicht dagegen keine Rolle, da sie vorher zerkleinert wird. Und ob klein, mittel oder riesig: der Geschmack des knallroten Fruchtfleisches sei immer gleich, sehr mild, leicht süßlich und nicht erdig.
Ihm komme es stets auf den Geschmack an, betont Jochen Krentzel, der ökologischen Gemüse-Anbau betreibt. "Bei mir ist das Gigantische das Ergebnis, das den qualitativ großen Unterschied macht zu konventioneller Ware."

Fast steckrübengroß ist diese Rote Bete des Wilstedter Gemüsebauern Jochen Krentzel.
Mika Cordes, Juniorchef von Cordes Hof in Bülstedt
Kürbisse so groß, dass sie nicht mehr durch die Türen passen, bauen Mika Cordes und seine Familie zwar nicht an. Einige ihrer essbaren Halloween-Kürbisse der Sorte Gumdrop bringen es aber doch auf eine stattliche Größe. Sein aktuell mächtigster hat ein Gewicht von 21 Kilogramm und einen Umfang von 1,44 Metern. Während Außenstehende vielleicht mit großen Augen über solch Riesengemüse staunen, entfacht es bei dem Bülstedter Landwirt keinen Jubel.
An wen soll er das besonders groß geratene Gemüse verkaufen, das bis vor ein paar Tagen noch mit rund 1000 anderen orangefarbenen Halloween-Kürbissen auf dem Feld lag? "Privatleute können nicht viel damit anfangen. Zu viel Fruchtfleisch, das können die normalen Haushalte gar nicht verarbeiten", gibt der 25-Jährige zu bedenken. Die Kunden bevorzugten eher die kleineren Varianten. Und auch die Gastronomie tue sich schwer mit solchen Giganten. Denn anders als beim Hokkaido sei die Gumdrop-Schale nicht essbar. Aus diesem Grund müsse der Kürbis für die Weiterverarbeitung aufwendig und zeitintensiv ausgehöhlt werden.
Und als Deko fürs Erntefest oder Halloween? Auch das könnte schwierig werden, wegen der Größe oder des Preises. "Solche Sondergrößen sind am Markt einfach nicht erwünscht." Am Ende lande der riesige Kürbis dann vielleicht im Hühnerstall oder als Dünger auf dem Feld.