Lilienthal. Elf Feuerwehrschläuche führen vom Zollpfad zur Wörpebrücke in der Klosterstraße. Aus ihnen schießt das Wasser pausenlos heraus. Jeder Liter, der herauskommt, bedeutet für die Anwohner, dass ihre Wohnstraße und überschwemmten Häuser wieder ein Stück trockener werden. Nachdem Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) den Bereich mit einem Behelfsdeich weitgehend abgeriegelt hatten, laufen die Pumpen. Da, wo vor einigen Tagen das Wasser bis zu den Knien stand, kann man seit Freitagmorgen auch wieder ohne Gummistiefel und Wathose durchkommen. Nach und nach werden im Laufe des Tages auch Keller und Garagen vom Wasser befreit.
Am Morgen hatte Bürgermeister Kim Fürwentsches die gute Nachricht verbreitet, dass es gelungen sei, den Wasserstand in dem von Big Bags eingedeichten Zollpfad nachhaltig zu senken. Ein dickes Lob gab er THW und Feuerwehr dafür, dass der Einsatz diese positive Wirkung gezeigt hat. "Wir sind froh, dass das Wasser wieder weg ist", bestätigte eine erleichterte Hausbesitzerin. Sie und ihre Nachbarn waren seit dem frühen Morgen dabei, Garagen auszuräumen und sich einen ersten Überblick zu verschaffen, welche Schäden das Wasser angerichtet hat. Ihnen sind die Anstrengungen und Sorgen der vergangenen Woche anzusehen. Und klar ist: Bis sie zum gewohnten Alltag zurückkehren können, wird es dauern. Doch es gibt auch Zeichen der Normalität: Der Postbote stellte in der Straße Am Holze am Freitagvormittag Briefe zu, während rings um ihn herum die Feuerwehr- und THW-Leute mit dem Abpumpen beschäftigt waren und überall technisches Gerät stand.
Strom und Gas fließen wieder
Die Zollpfad-Nachbarschaft wartete in den Morgenstunden händeringend darauf, dass nach dem Trockenlegen in ihrer Straße auch Strom und Gas wieder fließen können und ihre Häuser wieder bewohnbar werden. Die Osterholzer Stadtwerke und der Lilienthaler Baubetriebshof arbeiteten zu dieser Zeit bereits mit Hochdruck daran. Gegen 13 Uhr die erste frohe Botschaft: Die Häuser im Zollpfad hatten wieder Strom, am frühen Nachmittag waren auch die Gasanschlüsse wieder hergestellt. Am Abwasser-Kanal wurde noch gearbeitet. Die meisten Anwohner hatten ihre Häuser verlassen, als das Wasser am zweiten Weihnachtstag kam und die Leitungen gekappt werden mussten. Es gab aber auch welche, die in der Flut ausgeharrt haben, ihre Pumpen laufen ließen und mit Propangas-Heizungen versuchten, über die Runden zu kommen.

Das Wasser wird an der Brücke Klosterstraße in hohem Strahl in die Wörpe gepumpt.
Auch beim Schützenverein Lilienthal ist wieder Land in Sicht, wobei sich das Wasser trotz der immensen Pumpleistungen nur langsam verzieht. Aber immerhin: Seit den Morgenstunden konnten Vereinsvorsitzender Harald Kohlmann und seine Leute das Gebäude wieder betreten. Es galt zu bergen, was zu bergen ist. Schützenvereinsmann Herbert Müller hatte sich einige Bilder geschnappt, die an den Wänden hingen, und legte sie in den trockenen Kofferraum eines Autos. Ohne Gummistiefel und Wathose ging es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "Das Wasser hat sich ja auf eine riesige Fläche verteilt. Bis das weg ist, dauert es eben", sagte der Lilienthaler.
Auch THW-Baufachberater Michael Dorn ist in Lilienthal im Einsatz. Zusammen mit seinem Kollegen hat der Bauingenieur vom Ortsverband Cuxhaven in den vergangenen Tagen rund 30 Häuser im Hochwassergebiet inspiziert, nicht nur am Zollpfad, sondern auch im Bereich Am Holze, Arpsdamm und Stadskanaal. Am Freitag machte er sich auf den Weg, um auch in der Straße An der Wörpe die Gebäude zu begutachten, die vom Behelfsdeich nicht geschützt werden und nach wie vor im Wasser stehen. Die Anwohner dort warten händeringend darauf, dass das Wasser auch bei ihnen großflächig abgepumpt wird, was aber schwierig ist. Vom Krisenstab heißt es, dass weiter an einer Lösung gearbeitet werde.

THW-Baufachberater Michael Dorn aus Cuxhaven ist in Lilienthal im Einsatz, um die Standfestigkeit der Häuser zu kontrollieren.
THW untersucht rund 30 Häuser
Bei ihren Rundgängen achten die THW-Baufachberater darauf, ob die vollgelaufenen Häuser sicher stehen und ob sie zum Abpumpen freigegeben werden können. "Es kann passieren, dass eine Wand eingedrückt wird, wenn Wasser im Keller steht und man anfängt, es abzupumpen, weil der Druck von außen dann zu stark wird", erklärt Dorn. Auch ist es laut THW-Fachmann Dorn möglich, dass ein ganzes Gebäude aufgeschwemmt wird – die Gefahr besteht immer dann, wenn es relativ große Kellerräume gibt, auf denen vergleichsweise leichte Gebäude stehen. Der Keller bildet dann einen Hohlraum, der wie eine Luftblase im Wasser wirkt und nach oben steigt. Für die Lilienthaler Häuser, die er bisher gesehen hat, gibt Dorn allerdings Entwarnung. "Da ist alles insoweit in Ordnung. Die Bausubstanz ist in den meisten Fällen gut. Das gilt auch für die Häuser am Zollpfad", sagte er.

Auch das Schützenhaus kann seit Freitag wieder betreten werden.
Je länger sich Wasser in den Häusern befindet, desto mehr leidet die Bausubstanz. Es komme aber auch auf den einzelnen Baustoff an, berichtete Dorn. Sorgen bereitet dem Bau-Experten die Aussicht auf Frost: "Dauerfrost kann zu weiteren Problemen an den Gebäude führen, zusätzlich zu den Schäden, die das Wasser anrichtet. Wenn es friert, können Leitungsschäden und andere Gebäudeschäden schnell dazu kommen", sagte er.