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Gericht bestätigt Verbot Warum sich Lilienthal nicht um Schottergärten kümmert

Schottergärten liegen im Trend, dabei sind sie längst verboten. Viele Kommunen greifen inzwischen härter durch - etwa mit Kontrollen. Der Landkreis Osterholz und Lilienthal gehören nicht dazu.
25.02.2023, 07:00 Uhr
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Von Irene Niehaus Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Seit 2012 sind Schottergärten in Niedersachsen nicht mehr erlaubt. Das Verbot ist kürzlich auch gerichtlich bestätigt worden. Demnach dürfen die zuständigen Behörden mit Kies und Steinplatten versiegelte Flächen verbieten und die komplette Beseitigung anordnen. Aber wie gehen der Landkreis Osterholz und Gemeinden wie Lilienthal vor? Schreiten sie ein? Und was sagt die Hauseigentümer-Lobby?

Wer ist für die Überprüfung der Einhaltung zuständig?

Das sind die unteren Bauaufsichtsbehörden vor Ort, also etwa der Landkreis Osterholz. Bekommt die Kreisbehörde Wind von einem Rechtsverstoß – Ritterhude etwa meldete kürzlich dem Landkreis 80 solcher Flächen –, hat sie die Möglichkeit,  Maßnahmen anzuordnen, die zur Herstellung und Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind.

Macht der Landkreis Osterholz davon Gebrauch?

Er setzt eher auf Aufklärung und Freiwilligkeit  – etwa mit einer Informationsbroschüre mit dem Titel "Bunt statt grau" und dem Hinweis: "Lebendiges Grün als Alternative zu Schottergärten".  Wer eine Baugenehmigung erhält, bekommt automatisch das Faltblatt übersandt. 

Worauf weist das Faltblatt hin?

Es listet die Nachteile von Schottergärten auf, ohne auf das ausdrückliche Verbot hinzuweisen. Dass bei Verstößen auch behördliche Anordnungen möglich sind, die mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro belegt sein können, ist dem Faltblatt nicht zu entnehmen. 

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Heißt das, dass der Landkreis nichts unternimmt?

Anders als die Stadt Diepholz, die wegen einer Anordnung auf Beseitigung zweier Vorgarten-Kiesbeete von den Eigentümern verklagt wurde und in zwei Instanzen Recht bekam, werde Osterholz die Daumenschrauben nicht anziehen, teilt Verwaltungssprecherin Sabine Lübke mit. Baupolizeilich werde die Behörde weiterhin „bei massiven Verstößen gegen die Begrünungspflicht“ einschreiten und eine Beseitigung der Steine anordnen, so die Sprecherin. Bei versiegelten Grundstücken sei dies auch in der Vergangenheit schon mal der Fall gewesen.

Nach welchen Kriterien beurteilt der Landkreis, ob ein Verstoß als massiv gilt?

Darauf gibt die Behörde keine konkrete Antwort. Rechnerisch lasse sich dies nicht festlegen, sondern es komme auf den Einzelfall an, teilt Sprecherin Sabine Lübke mit. Abzuwägen seien bei der Ermessensentscheidung, wie bei jedem Baurechtsverstoß, unter anderem auch sicherheitsrelevante Aspekte, nachbarliche und gemeindliche Interessen.

Setzt die Gemeinde Lilienthal das Verbot bei Eigentümern durch?

Nein, sie kontrolliert nicht und nennt den Landkreis als zuständige Ahndungsbehörde. Bürgermeister Kim Fürwentsches (Bündnis 90/Die Grünen) verweist zudem auf fehlende personelle und finanzielle Ressourcen in seiner Gemeinde. Momentan setzt Lilienthal auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative, die Gärten zu beseitigen oder erst gar nicht anzulegen. Laut Fürwentsches will die Gemeinde zudem die Anwohner nicht zu Denunziantentum und Anzeigen motivieren. Das Thema anzugehen sei dennoch sehr wichtig, weil Schottergärten die Artenvielfalt bedrohten,  klimaschädlich seien und die Straßen aufheizten.  Die Gemeinde wolle deshalb das Gespräch mit dem Landkreis suchen und klären, welchen Weg man gehen wolle. Wie viele Schottergärten es in Lilienthal aktuell gibt, weiß niemand. In seinem Haustür-Wahlkampf vor zwei Jahren seien ihm aber einige aufgefallen, erinnert sich Kim Fürwentsches.

Greifen andere Kommunen härter durch?

Die Stadt Achim sagt Schottergärten den Kampf an. Mitarbeitende der Verwaltung werden ab April die Gärten der Bürger genauer kontrollieren. Eigentümer von sogenannten Schottergärten müssen in der Folge mit Post aus dem Rathaus rechnen. Mit einem Schreiben und einer Infobroschüre mit Tipps zur naturnahen Gartengestaltung weist die Stadt darauf hin, dass ihre Schottergärten in Grünflächen umzuwandeln sind. Betroffene sollen ein halbes Jahr Zeit bekommen, ehe die städtischen Mitarbeiter erneut vorstellig werden. Haben die Grundstückseigentümer in diesem Zeitraum nicht im Sinne der Niedersächsischen Bauordnung gehandelt, meldet die Stadt Achim dies an den Landkreis Verden.

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Was schreibt die Niedersächsische Bauordnung überhaupt vor?

Ihr zufolge müssen alle nicht überbauten Flächen Grünflächen sein. Auf den Flächen muss die Vegetation überwiegen, so dass Steinflächen nur in geringem Maße zulässig sind. Es ist dabei unerheblich, ob Schotterflächen mit oder ohne Unterfolie ausgeführt sind: Sie sind keine Grünflächen im Sinne des Bauordnungsrechts, soweit auch hier die Vegetation nicht überwiegt. Plattenbeläge, Pflasterungen und dergleichen sind nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz allenfalls zu den Grünflächen zu zählen, wenn sie eine verhältnismäßig schmale Einfassung von Beeten  darstellen. Die Wahl der Art und Beschaffenheit der Grünflächen bleibt dem Hauseigentümer überlassen.

Was sagt der Eigentümerverband Haus und Grund?

Das Verbot von Schottergärten sei ein starker Eingriff in die Eigentumsrechte, die Immobilienbesitzer  fühlten sich zudem um ihre oft beträchtlich hohen finanziellen Investitionen gebracht, so Hans Reinold Horst, der Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbands, auf den der Haus- und Grundbesitzerverein für den Kreis Osterholz verweist.

Zur Sache

Warum sind Schottergärten verboten?

Schottergärten heizen sich nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) Lilienthal-Grasberg im Sommer stärker auf als naturnahe Gärten. Sie geben diese Wärme an die Umgebung wieder ab, was besonders in heißen Sommern auch den Menschen nicht guttut.  Die oft auch noch verwendete Folie verhindere zudem, dass das Regenwasser versickern könne, dieses fließe damit ungenutzt in die Kanalisation, was bei Starkregen zu einer Überlastung führen könne, betonen die Nabu-Mitglieder Rita Beckmann und Peter Heinemann. 

Wenn Pflanzen wachsen dürfen, die für Insekten nützlich sind, wirkt sich das auf die Artenvielfalt aus. Davon profitieren laut Nabu dann auch Vögel und Kleinsäuger. Der lebendig beschattete Boden biete Nahrung und Unterschlupf für die Insekten, von denen nicht wenige auch für die Bestäubung der Nahrungspflanzen wichtig seien. Darüber hinaus entfalte grauer Schotter keine Filterwirkung für Feinstaub, so wie es die Blätter der Pflanzen tun.

Rita Beckmann und Peter Heinemann heben weiter hervor, dass - wie bei jeder Gartenanlage - die Bodenbeschaffenheit und die Lichtverhältnisse zu beachten seien. Bodendecker könnten eine pflegeleichte Alternative sein, vielleicht durchsetzt mit der einen oder anderen Staude. Wenn diese dann noch heimisch und somit insektenfreundlich seien, sei schon viel gewonnen. Rasen halten die beiden Nabu-Mitglieder für keine Lösung, da er artenarm und pflegeintensiv sei. Ganz Mutige könnten sich an Wildkräuter heranwagen und sich über Schmetterlinge und Wildbienen freuen.

Wer seinen Garten mit Steinen abdeckt und ein Vlies unter die Steinschicht legt, erwartet wenig Arbeit. Doch auch im Schottergarten gebe es immer etwas zu tun, betont der örtliche Nabu. Alpine Steingärten seien übrigens von Schottergärten zu unterschieden, da für sie bei fachgerechter Ausführung weder eine Folie zur Krautbekämpfung noch eine dicke Schicht Schotter verwendet werden. 

Klare Kante gegen Versteinerung

Bei dem Schottergarten, den die Stadt Diepholz per Anordnung beseitigt sehen wollte, handelte es sich um zwei insgesamt etwa 50 Quadratmeter große Beete.  Diese waren mit Kies bedeckt, in den einzelne Pflanzen eingesetzt waren. Mit ihrem Entscheid ließen die Richter in Lüneburg nun am 17. Januar 2023 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover nicht zu. Im Kern ging und geht es um die Frage, ob die Kiesbeete, die inzwischen mit 46 weiteren Bodendeckern bepflanzt wurden, im damaligen Zustand als Grünfläche nach der Niedersächsischen Bauordnung durchgehen könnten. Das, so entschieden es die Verwaltungsrichter nach einer Ortsbesichtigung, sei nicht der Fall.

Dass sich hinterm Haus eine Grünfläche befinde (Rasen mit Anpflanzungen), spiele keine Rolle, denn sie sei von der Vorderseite kaum sichtbar. Vielmehr fehle dem Vorgarten der "grüne Charakter" vor allem auch der Bodenoberfläche, und darauf komme es an. Maßgeblich sei nämlich "die Intention des Gesetzgebers, die Versteinerung der Stadt auf das notwendige Ausmaß zu beschränken". Deswegen gehe es nicht darum, ob der Grün-Anteil auf einem Grundstück überwiegt oder nicht, sondern darum, dass unbebaute Flächen begrünt zu sein haben.

Eine mathematisch-schematische Betrachtung verbiete sich deswegen; im Diepholzer Fall dominiere der Steinanteil zudem nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Daher sei es unerheblich, dass sich der Bewuchs der Kiesbeete bis zur Nachbesserung im Vorjahr auf zwei Dutzend Pflanzen summiert hatte. Denn auf Grünflächen dürfen Steine gestalterisch nur eine untergeordnete Rolle spielen. 

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