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Herausforderung aus dem Netz So wirkt sich Tiktok an den Osterholzer Schulen aus

Auf der Videoplattform Tiktok werden junge Leute mitunter zu gefährlichen Mutproben aufgefordert. Die Auswirkungen zeigen sich auch an Schulen im Landkreis Osterholz.
30.09.2023, 05:00 Uhr
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Von Lucas Brüggemann Karolina Benedyk

Lilienthal/Osterholz. "Könntest du Pilot werden?" – Mit Anfragen wie dieser werden Nutzerinnen und Nutzer des Online-Videoportals Tiktok zur Teilnahme an sogenannten Challenges – auf Deutsch: Herausforderungen – aufgefordert. Diese Herausforderungen sind unterschiedlicher Natur, beim "Pilotentest" zum Beispiel sollen sich Jugendliche die Atmung erschweren, bis sie das Bewusstsein verlieren. Auch an Schulen in der Region haben solche Mutproben bereits stattgefunden, sagt die Sozialpädagogin Thea Klene aus dem Team der Kommunalen Jugendarbeit in Lilienthal.

Ein Jugendlicher habe ihr erzählt, wie Schülerinnen und Schüler einen Mitschüler an der Schule so lange an die Wand drückten, bis er ohnmächtig wurde. Klene befasst sich in der Kommunalen Jugendarbeit mit dem Themenbereich Medienprävention und -aufklärung. Im Rahmen dieser Arbeit haben sie mit Schülerinnen und Schüler darüber gesprochen, welche Tiktok-Trends sie interessierten und was sie gerne nachahmen. Da seien Bastel- und Backvideos dabei gewesen – aber auch zum Teil gefährliche Aufgabenstellungen.

Tiktok ist aus dem Onlineleben junger Leute kaum noch wegzudenken. Das Portal wurde durch Kurzvideos bekannt, in denen Nutzerinnen und Nutzer tanzen und singen und andere auf diese Weise zur Nachahmung animieren: Kannst du diesen Kuchen backen? Eine Minute einen Liegestütz halten? Alltägliche Aktivitäten mit verbundenen Augen machen?

Gefährliches Spielt mit dem Deo

Doch auch Mutproben verbreiten sich auf Tiktok und sind besonders auf Schulhöfen beliebt. Bei der Deo-Challenge zum Beispiel sprühen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer so lange Deo auf die Haut, bis sie es nicht mehr aushalten. Mitunter werden sie auch aufgefordert, das Deo einzuatmen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnte zuletzt davor, sich an derartigen Aktionen zu beteiligen. Es könnte zu schwersten gesundheitlichen Schäden kommen. Bei Tiktok kursiert auch die Aufforderung, Schultoiletten zu demolieren. Die Jugendlichen filmen sich dann dabei und laden die Videos online hoch.

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Für die Jugendarbeiterin Thea Klene sind derartige Themen zum Alltag geworden: "Wir arbeiten jeden Tag mit Medien, insbesondere mit Handys, die ein wichtiger Teil des Lebens Jugendlicher sind. Dabei besprechen wir aktuelle Themen offen mit ihnen." Auch auf die Gesundheitsgefährdung von Mutproben gehe sie ein. So unterhielt sie sich mit den Jugendlichen über die Folgen der Challenges: "Wir mussten zuerst das Blickfeld öffnen, welche Spätfolgen das haben kann und wie gefährlich das ist. Das war den Schülerinnen und Schülern gar nicht bewusst", sagt Klene. Erst kürzlich soll in Schwanewede ein Jugendlicher nach der Teilnahme an der sogenannten „Hot Chip Challenge“ kollabiert sein. Berichten zufolge ist ein 14-Jähriger in Massachusetts sogar gestorben, nachdem er an einer Tiktok-Mutprobe teilgenommen und einen extrem scharfen Chip gegessen haben. 

Brennende Papierkörbe

Am Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck seien Tiktok-Challenges bereits in den vergangenen beiden Schuljahren ein Problem gewesen, berichtet die stellvertretende Schulleiterin Ulrike Stepp. "Das waren noch die Auswirkungen von Corona", lautet ihre Einschätzung. Demnach sei auf dem Schulhof mit Deosprays gezündelt und insbesondere auf den Jungentoiletten seien Papierkörbe angezündet worden. Da die brennenden Papierkörbe frühzeitig gemeldet worden seien, hätten größere Schäden verhindert werden können, sagt Stepp.

"Es zahlt sich aus, dass wir viel in die Prävention gesteckt haben", meint sie, auch mit Blick auf die Themen Medien und Gewalt. Das sei auch deshalb notwendig geworden, weil ihrer Ansicht nach die Hemmschwelle durch Inhalte aus den sozialen Medien gesunken sei. "Da wir in einigen Klassenstufen auch iPads einsetzen, müssen wir uns damit ohnehin auseinandersetzen." Sie habe das Gefühl, dass es viel bringe, wenn Menschen mit offenen Augen durch die Schule gehen und die Betreffenden ansprechen. Außerdem arbeite das Gymnasium in der Kreisstadt eng mit der Polizei zusammen, um auf die Strafbarkeit mancher Challenge-Inhalte aufmerksam zu machen.

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Zudem gibt es am Gymnasium seit Neuestem ein Handyverbot am Vormittag. An der Erarbeitung des Verbots sei eine Arbeitsgruppe beteiligt gewesen. "Die war auch mit Schülern besetzt, die das interessanterweise auch gefordert haben." Stepp erläutert, dass nun mit Schulbeginn die Handys in der Tasche bleiben und erst am Nachmittag beziehungsweise nach Schulschluss wieder hervorgeholt werden dürfen. "Ich habe das Gefühl, dass das auch ganz gut fruchtet", so Stepp.

Früh einsteigen

Auch Denis Ugurcu, Leiter des Gymnasiums Lilienthal, hat von Tiktok-Challenges gehört: "Das findet bestimmt auch bei uns statt." Allerdings sei über derartige Aktivitäten auf dem Schulhof an ihn bislang nichts herangetragen worden. An seiner Schule werde Medienkompetenz vertieft in den frühen Jahrgängen gelehrt. "Für uns ist es wichtig, bei der Medienprävention mit den Kindern früh ins Gespräch zu kommen. Es gibt Regeln und Vorschläge. Zum Beispiel sollten Kinder Handys nicht vor dem zwölften Lebensjahr nutzen. Auch betont er, dass die Nutzung des Smartphones geübt sein sollte. Ab dem Schuljahr 2024/25 sollen am Gymnasium in den Jahrgängen sieben bis zehn im Unterricht Tablets zum Einsatz kommen.

Viola Bürgy, die Leiterin der Kommunalen Jugendarbeit in Lilienthal, betont den Vorteil der Jugendarbeit. Sie könnte eine andere Position einnehmen als Schulen: "Wir arbeiten mit den Jugendlichen und den Handys zusammen. Es gibt bei uns kein Handyverbot. Wir arbeiten damit im Alltag, weil das im Leben der Jugendlichen einfach dazugehört."

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