Lügen wir uns nicht in die Fahrradtasche – diese Strecke hat es in sich. 52 Kilometer lang zeigt uns die Drei-Flüsse-Tour fast alles, was die Region zu bieten hat. Wer sich traut und dabei holprige Wege und einen schmerzenden Hintern in Kauf nimmt, wird belohnt: mit unendlichen Weiten, herrlichen Natureindrücken und mit mehreren Gelegenheiten für ausgedehnte Pausen.
Ob bei Ritterhude oder in Worpswede – einsteigen, oder besser: aufsteigen kann man bei dieser Tour fast überall. Es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge man die drei Flüsse Wümme, Wörpe und Hamme erlebt. Für uns liegt die Wörpe quasi vor der Haustür, daher starten wir an der Heidberger Straße in Lilienthal, gleich dort, wo der Wiesendamm den Weg gen Grasberg weist. Die teils asphaltierte, teils geschotterte Weg, der sich mal mehr, mal minder an die Wörpe schmiegt, führt gleich zum Start schon mal weg von der lauten Straße, was gestressten Menschen eine Wohltat und vielleicht auch der Grund dafür ist, dass dieser Abschnitt bei Spaziergängern, Radlern und Kohltourern so beliebt ist.
In Grasberg angekommen, queren wir die Wörpe, nicht ohne noch einmal darüber zu sinnieren, wie es sein konnte, dass dieses so kleine Flüsschen beim Hochwasser rund um den Jahreswechsel eine so große Rolle gespielt hat. Durch den Ortskern und über den Wörpedorfer Kreisel hinweg geht es am Gewerbegebiet in Richtung Worpswede. Wer mag, kürzt hier ein Stückchen ab und verzichtet auf den Schlenker über Worphausen – sechs Kilometer gespart.

Mitten in Grasberg überqueren wir die Wörpe.
Das sollte man sich aber überlegen, denn der Weg durch die hübsch bewachsene Moorender und Mooringer Straße hat seinen Reiz. Mehr zumindest als die nach dem Neubau doch recht seelenlose Kreisstraße 10 zwischen Grasberg und Worpswede. Der Radweg ist nagelneu, glatt wie ein Baby-Popo und somit nicht nur für Radler, sondern auch für Skater, Longboarder oder E-Scooter-Nutzer einen Ausflug wert. Gleichwohl hat die Straße den Charme eines Schulhofs. Viel Asphalt, die Bäume noch jugendlich – es wird 20 Jahre dauern, bis sie wieder ein schönes Gesicht hat.
Wie gut also, dass wir irgendwann in Worpswede landen können. Zwar geht es hier ein Stück weit bergauf. Wer im Künstlerort angekommen ist, hat sich aber eine Rast verdient. Hier darf sich der Kopf erholen, indem er die Kunstwerke in der Bergstraße oder den anliegenden Ausstellungshäusern betrachtet. Und wer lieber isst als guckt: Möglichkeiten zur Einkehr gibt es im Ortskern zuhauf.
Doch bei unserer Routenführung ist es für eine große Pause eigentlich noch zu früh. Wir wollen die Bergstraße weiterfahren, bleiben aber prompt an der Touristeninformation am Dorfplatz hängen. Ob die wohl Tipps für Radfahrer haben? Aber hallo! Wiebke Varrelmann und Doris Mellenthin kennen die Wege durchs Teufelsmoor fast auswendig. Und sie wissen, wie sich die vorhandenen Tourenvorschläge noch verbessern lassen. So empfehlen sie, nach dem Abbiegen aus der Bergstraße in Richtung Osterholz-Scharmbeck die Straße alsbald zu verlassen und über den Hammeweg das Vogelschutzgebiet Breites Wasser zu durchqueren.

Die drei Wellen kennzeichnen die Strecke der Drei-Flüsse-Tour an Wümme, Wörpe und Hamme.
Wir wollen aber bei unserer Thementour bleiben und verzichten aufs Fremdfahren, was wir prompt bereuen. Der Radweg an der Osterholzer Straße ist hoppelig, ein Auto nach dem anderen dröhnt an uns vorbei. "Hemmungslos fahren sie hier", nörgelt ein älterer Radler, der sich in der Gegend auskennt. Wir sind froh, den Waakhauser Polder erreicht zu haben, der uns zurück die Idylle führt.
Ab jetzt wird es wieder schön. Am Campingplatz vorbei erreichen wir die Brücke mit dem Knick über die Hamme. Wenn wir wollten, könnten wir jetzt rüberschieben zu Melchers Hütte und dort ein Alster trinken. Oder drei. Oder fünf. Wir sparen uns das und genießen den Blick auf die Kanuten und in die Weite. Dann geht es auf dem schönen Weg links der Hamme auch schon weiter. Kurz vor Tietjens Hütte treffen wir auf die Kreisstraße 9, der wir wieder folgen müssen.
Wer an der Kreuzung zur Kreisstraße 8 die Beine spürt, kann über den Kirchweg an der Sanktjürgenskirche vorbei abkürzen und direkt zur Wümme fahren. So spart man rund zehn Kilometer, verpasst aber den schönen Weg an der Hamme bei Ritterhude und den Zusammenfluss von Hamme und Wümme zur Lesum bei Wasserhorst – und somit den vierten Fluss in unserem Fahrplan.
Ob kurz oder lang, der Weg die Wümme hoch ist ein Genuss. Zwar sieht man deichbedingt nicht viel vom Fluss. Wer aber in eines der Gasthäuser einkehrt, für ein Schnitzel zum Beispiel, einen vegetarischen Burger (den wir empfehlen können) oder eine Kutterscholle (die am Nachbartisch gut ankam), hat den freien Blick aufs Grün und aufs Wasser. Hier möchten wir bleiben, aber – oh, Schreck! – wir müssen ja noch nach Hause strampeln.

Die Wörpe-Brücke in Grasberg.
André Fesser
Kunstpause an der Galerie Altes Rathaus in Worpswede
. André Fesser

Wiebke Varrelmann (links) und Doris Mellenthin arbeiten in der Touristinformation in Worpswede
. André Fesser
An der Bergstraße in Worpswede stehen die Kunstwerke im öffentlichen Raum herum.
André Fesser




Tisch mit Blick auf den Fluss.
André Fesser
Das haben wir uns verdient.
André FesserRund 15 Kilometer sind es jetzt noch. Wir kommen an Hofläden vorbei, die Eier oder Marmelade anbieten. Durch Lilienthal hindurch werden wir von der Navigationsapp schließlich wieder an die Wörpe herangeführt. Die Umgebung des Flusses, wenn auch dicht besiedelt, ist hier schön. Der Weg ist es nicht. Der sogenannte Mühlendeich war schon vor dem Hochwasser nicht sehr radlerfreundlich, seit dem Hochwasser ist er eine Zumutung. Wasser und Einsatzfahrzeuge haben der Anlage zugesetzt – auf dem Stück hinter Kutscher Behrens werden Radler gar zum Absteigen aufgefordert.
Sei es drum, das macht uns diese Tour auch nicht mehr madig. Die Runde ist lang, aber klasse. Und wer ein bisschen findig ist und gut plant, wird es schaffen, die rumpeligen Stellen zu umfahren.