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Angriff an der Linie 4 Was tun, wenn Konflikte in Bus und Bahn eskalieren?

Nach einem Angriff auf einen 55-Jährigen, der in der Straßenbahn in Lilienthal aggressive Jugendliche zurechtwies, stellt sich für manchen die Frage: Wie sollten sich Fahrgäste in Konfliktsituationen verhalten?
01.09.2022, 14:30 Uhr
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Von Irene Niehaus

„Keine Lebensgefahr" besteht bei dem 55-Jährigen, der in der Nacht zu Sonntag nach dem Verlassen der Straßenbahn an der Haltestelle Truperdeich in Lilienthal zu Boden geschubst wurde und dabei schwere Kopfverletzungen erlitt. Das teilt der Sprecher der Polizeiinspektion Verden/Osterholz, Helge Cassens, auf Nachfrage mit. Der 55-Jährige saß wie berichtet in der besagten Nacht als Fahrgast in der Linie 4 in Richtung Lilienthal, in der Jugendliche gegen 0.35 Uhr mit lauter Musik und aggressivem Verhalten aufgefallen waren. Dafür wurden sie offenbar von dem Mann beherzt zurechtgewiesen. Nach dem Angriff an der Haltestelle musste er in ein Krankenhaus gebracht werden.

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Die Polizei ist noch dabei, sich ein Bild von der konflikthaften Situation und dem Ablauf zu machen. Dabei helfen ihr Zeugen, die sich aufgrund unserer Berichterstattung meldeten. "Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist", sagt Cassens. Was er aber weiß, ist, wie sich Fahrgäste verhalten sollten, wenn sie mitbekommen, dass jemand bedroht oder belästigt wird. Denn der Polizeihauptkommissar gehört dem Präventionsteam der Polizeiinspektion Verden/Osterholz an.

An oberster Stelle stehe immer: "Hilf, aber bringe dich nicht in Gefahr". In brenzligen Situationen sollte man nicht den Täter angehen, betont Cassens. Dem 55-jährigen Fahrgast wolle er damit aber auf keinen Fall einen Vorwurf machen, weil er eingegriffen habe. "Jede Situation ist anders."  Fahrgäste sollten in solchen Fällen zumindest die Polizei unter der Nummer 110 rufen, zugleich vor Ort Aufmerksamkeit erzeugen, andere Menschen um Hilfe bitten und einem möglichen Angriffsopfer signalisieren, dass man sich kümmere, wenn es Hilfe benötige, so Cassens. Zivilcourage bedeute, den Opfern beizustehen und sie nicht alleine zu lassen, Unterstützung zu geben oder Hilfe zu holen, unterstreicht auch das Bundesnetzwerk Zivilcourage. Wer sich dann auch noch Merkmale der Täter und bei einer Bahnfahrt ihren Ausstiegsort merkt, kann später genauso wie andere Zeugenhinweise zur Aufklärung beitragen.

Ausbildung in Deeskalation

Nach Auskunft des Sprechers der BSAG, Andreas Holling, kommt es immer wieder zu Fällen von Streitigkeiten in den Bahnen, viele Vorfälle würden jedoch gar nicht gemeldet werden. So kann er auch keine Zahl von Belästigungen oder Körperverletzungen nennen. Für konflikthafte Situationen seien die Bus- und Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer geschult, um deeskalieren zu können. Holling weist aber darauf hin, dass es für die Fahrer in den immerhin bis zu 37 Meter langen Bahnen nicht einfach sei, derartige Situationen auch zu bemerken. In den vergangenen Wochen hat die BSAG die Zahl der Security-Teams, die in den Bahnen mitfahren, erhöht. Hintergrund sind laut Holling vor allem die zahlreichen Auseinandersetzungen mit Menschen, die die Maske verweigern.

Jede Straßenbahn und jeder Bus ist nach Angaben der BSAG mit Kameras ausgerüstet. Seit 2004 werden die Fahrzeuge videoüberwacht. Allerdings zeichnen sie nur auf – niemand kontrolliert das Bild in Echtzeit. Die Aufnahmen würden aus Datenschutzgründen lediglich 24 Stunden in den Fahrzeugen und nicht zentral in der Leitstelle gespeichert. Zugriff auf die Daten hätten nur Polizei und Staatsanwaltschaft. 

Aus Hollings Sicht zeigen die Videokameras zwar Wirkung, indem sie von kriminellen Handlungen abhielten, doch nicht jeder Täter lasse sich von ihnen präventiv beeindrucken. Fahrgäste, die bedroht oder belästigt werden, aber auch Passagiere, die einen solchen Vorfall beobachten, sollten den Fahrer oder die Fahrerin ansprechen und um Hilfe bitten, rät die Bremer Straßenbahn AG. Dies ist in den neueren Straßenbahnen auch für Fahrgäste möglich, die nicht vorne sitzen. Für die Kontaktaufnahme sei an jeder Tür eine Sprechtaste installiert worden, die eine Verbindung zum Fahrer ermögliche. Der kann den Bereich der Gegensprechanlage zudem per Kamera in den Blick nehmen, berichtet Andreas Holling.

Polizei sucht Zeugen

Nach dem Vorfall in der Nacht zu Sonntag hat die Polizei zwei 16 und 17 Jahre alte Jugendliche aus Lilienthal überprüft. Ob es sich dabei um die Täter handelt, sei noch unklar, teilte ein Sprecher mit. Die Polizei sucht nun weiter Zeugen. Hinweise nehmen das Polizeikommissariat in Osterholz-Scharmbeck unter dem Anschluss 04791/ 3070 und die Polizeistation in Lilienthal unter der Rufnummer 04298/ 465 660 entgegen.

Zur Sache

So hilft man richtig

Das Bundesnetzwerk Zivilcourage gibt Tipps zum Helferverhalten:

- Beobachte die Situation und versuche, die Lage einzuschätzen.

- Fühle dich selbst verantwortlich und erwarte nicht, dass andere Menschen reagieren.

- Wenn keine Gefahr droht, dann stehe dem Betroffenen zur Seite. Biete deine Unterstützung an, gib' ihm deine Stimme.

- Wenn möglich, hole das Opfer aus der Situation heraus, ohne dich dabei selbst in Gefahr zu bringen.

- Entferne dich mit dem Opfer aus dem Sichtbereich der Täter, um zu deeskalieren

- Bei Gefahr: Fordere professionelle Unterstützung an (Polizei 110) und gib eine Lage- und Täterbeschreibung ab. Mache auf die Situation aufmerksam und hole dir Unterstützung durch andere Personen. Tue etwas Unerwartetes zur Ablenkung.  Halte Abstand, aber beobachte weiter und bleibe vor Ort.  Erstelle ein Gedächtnisprotokoll. Stelle dich als Zeuge zur Verfügung. Bleibe bei dem Opfer

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