Verden/Osterholz-Scharmbeck. Am erstinstanzlichen Urteil wurmten ihn weniger die aufgebrummten Sozialstunden und Termine bei der Jugendhilfe der Diakonie als vielmehr die ebenfalls auferlegten zwei Wochen Dauerarrest. Dafür mochte sich der wegen zweifachen Betruges verurteilte, schon einschlägig in Erscheinung getretene 21-Jährige aus Osterholz-Scharmbeck überhaupt nicht erwärmen. Seinem Bestreben, um diese Maßnahme möglichst doch noch herumzukommen, konnte allerdings kein Erfolg beschieden sein. Nachdem die kleine Jugendkammer des Landgerichts Verden ihm dies klargemacht hatte, nahm er die Berufung etwas bedröppelt zurück.
Zur Tatzeit, im Dezember 2019, war der Angeklagte nach dem Jugendgerichtsgesetz noch Heranwachsender. Weihnachten nahte, und der damals schon von Schulden geplagte junge Mann wollte, wen auch immer, mit Geschenken beglücken. Es sollten keine Kleinigkeiten sein, sondern etwas Wertvolles. Wie er sich das nötige Geld dafür verschaffte, hat er Anfang dieses Jahres schon beim Amtsgericht zugegeben, nämlich so, wie von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen: Er bot über Ebay-Kleinanzeigen zwei Paar Schuhe an, die er gar nicht besaß, und kassierte dafür 110 und 50 Euro. Dass er dafür auch noch das Konto einer Freundin bei einem Online-Bezahldienst nutzte, steht auf einem anderen Blatt.
Anzeige wegen Betrug
Es kam, wie’s kommen musste: Zunächst schickten die beiden gutgläubigen Kunden noch energische Nachfragen, wo denn die bereits bezahlten Treter blieben. Sie erhielten entweder treuherzige Beteuerungen, die Ware werde „morgen direkt rausgehen“, oder vorsorglich gar keine Antworten. Auch Lieferfristen und schließlich Ankündigungen, man werde Anzeige wegen Betruges erstatten, ignorierte der vermeintliche Verkäufer geflissentlich. Erst als ihm eines Tages Post von der Polizei ins Haus flatterte, habe er richtig nachgedacht. Und wohl auch begriffen, dass es nicht unbedingt stimmt, was ihm ein Bekannter gezeigt habe: Wie derlei „Geschäfte“ im Internet zu tätigen seien und dass das funktioniert.
Keine Lebensperspektive
Doch bei dem damals 20-Jährigen hatte schon so manches nicht funktioniert, und als er gut ein Jahr später der Jugendrichterin gegenübersaß, war er auch noch nicht in die Hufe gekommen. Er habe „keine Lebensperspektive“ hieß es, „keinen Antrieb“. Seit dem Hauptschulabschluss 2015 in Rethem (Heidekreis) waren so ziemlich alle Versuche ins Leere gelaufen, sich beruflich zu orientieren und auf redliche Weise Geld zu verdienen. Ein Praktikum in einem Malereibetrieb war nach vier Wochen erledigt: „Ich hatte einen Muskelfaserriss“. Die Verpackungsfirma, bei der er anheuerte, sei in Schwierigkeiten geraten, er habe die Kündigung erhalten. Und einmal habe er sich bei einem Schornsteinsteinfeger beworben. Aber der habe gar nicht reagiert.
Als er nun vor dem Landgericht Pleiten, Pech und Pannen schilderte, hatte er aber auch eine Erklärung parat: Er habe sich nicht mehr aktiv gekümmert, nachdem er „in einen falschen Freundeskreis gerutscht“ sei. Termine bei der Agentur für Arbeit ließ er sausen, und Bemühungen, von den horrenden Schulden herunterzukommen, waren auch nicht sein Ding. Rund 20.000 Euro Miese sollen sich durch Handyverträge, aber vor allem durch Bestellungen angesammelt haben. Klamotten oder Konzertkarten habe er besonders gern geordert, nie etwas sehr, sehr Teures. Dieses Bestellen könne glatt zur Sucht werden.
Ohne Anwalt vor Gericht
Aber damit sei es vorbei, betonte der 21-Jährige, und ansonsten sei er auch tatkräftig dabei, seine Probleme in den Griff zu bekommen. Bei der Arbeitsagentur sei er gerade gewesen, demnächst müsse er wieder hin. „Es geht um meine berufliche Zukunft“, sagte er feierlich und fügte noch erläuternd hinzu: „Ich wäre zufrieden, wenn ich mit beiden Beinen fest im Leben stehen könnte, von meinem eigenen Geld“.
Eine eigene Angabe vor dem Amtsgericht hatte jetzt aber letztlich zur Folge, dass das Landgericht ihm keinerlei Hoffnung auf eine Modifizierung des ergangenen Urteils machen konnte. Die Berufungsverhandlung war schon gut in Gang gekommen, als sich herausstellte, dass der Angeklagte in Osterholz-Scharmbeck gleich den Verzicht auf Rechtsmittel erklärt hatte. Dort war er ohne Verteidiger erschienen. diesmal hatte er einen an seiner Seite. Der Anwalt vermutete denn auch wohl zutreffend, sein Mandant habe gar nicht richtig verstanden, was er da bekundet habe. Es war indes passiert, und in der Konsequenz wurde die Berufung nun auf Anraten des Gerichts umgehend zurückgezogen.
Das Urteil des Amtsgerichts erlangte somit sofort Rechtskraft. Was das bedeutet, wurde dem jungen Mann noch einmal eindringlich verdeutlich: „Sie müssen machen, was da steht“. Die 160 Euro, die er durch die beiden Betrugstaten erlangt hat und den Geschädigten zustehen, muss er durch gemeinnützige Arbeit erwirtschaften: 32 Stunden zu je fünf Euro. Dies sei eine großartige Idee der Jugendrichterin Inken Tittel, meinte Richter Lars Engelke.
Ferner wird der 21-Jährige für drei Monate der Jugendhilfe unterstellt und muss zudem den Gang zur Schuldnerberatung angetreten. Auch der Dauerarrest, ein sogenanntes Zuchtmittel, bleibt ihm nicht erspart. Aber zwei Wochen am Stück müssten nicht zwingend sein, so Engelke. Eine abschnittsweise Vollstreckung sei unter bestimmten – positiven – Voraussetzungen vielleicht auch möglich. Offenbar habe der Angeklagte ja inzwischen „den richtigen Lebensweg eingeschlagen“.