Scharmbeckstotel. Man musste nicht lange hinsehen, um auf dem über Instagram geteilten Foto zu erkennen, dass die Stimmung prächtig war. Sieben junge Damen hoch oben auf dem Hochzeiger. Ski statt Fußball. Österreich statt Scharmbeckstotel. Keine Frage, die kleine Gruppe tat das, was sie momentan wohl am besten kann: Sie ritt die Welle. Egal, was die Fußballerinnen des ATSV Scharmbeckstotel derzeit machen, es läuft rund.
In gewisser Weise war der kurze gemeinsame Skiurlaub, bei dem übrigens auch Trainer Frank Reichhart dabei war, eine Belohnung für eine überragende Hinserie in der Fußball-Landesliga Lüneburg. Zwölf Spiele, zwölf Siege, und das bei einem sensationellen Torverhältnis von 59:6 – die Gelb-Schwarzen marschierten ohne den kleinsten Fehler durch die bisherige Saison und gehen dementsprechend mit einem ziemlich komfortablen Vorsprung in die am 13. März startende Aufstiegsrunde.
"Wir wussten vor der Saison, dass wir eine gute Mannschaft zusammenhaben, und deshalb war es auch unser Ziel, um den Titel mitzuspielen. Aber dass es so gut läuft, damit hätten wir nicht gerechnet", sagt Nils Menzel, der das Team gemeinsam mit Reichhart trainiert. Um die Dominanz der ATSV-Fußballerinnen zu unterstreichen, ist ein genauer Blick in die Ergebnisse hilfreich. Dabei fällt auf, dass das "knappste" Resultat ein 3:1-Sieg war. Im letzten Spiel vor der Winterpause setzten sich die Scharmbeckstotelerinnen beim Tabellenzweiten TuS Westerholz durch – allerdings fiel der Gegentreffer erst in der Nachspielzeit. Alle anderen Partien gewannen die Gelb-Schwarzen mit mindestens drei Treffern Unterschied.
Die Zusammenstellung des Kaders ist zweifelsohne schon jetzt oberligatauglich – in einzelnen Bereichen vielleicht sogar noch mehr. Prunkstück des auf die Offensive ausgerichteten ATSV-Spiels ist die vorderste Angriffsreihe mit Fabienne Stelljes und Sophia Reiß. Die beiden Sommer-Neuzugänge knipsten in der Hinrunde beinahe nach Belieben und waren von keinem Gegner auch nur annähernd in den Griff zu bekommen. Das treffsichere Duo ist letztlich aber nur die Spitze eines Eisbergs mit ziemlich breitem und qualitativ hochwertigem Fundament.
Die Defensive um die beiden Innenverteidigerinnen Johanna Reiß und Nele Komatowsky war nur sechsmal zu überwinden, was natürlich auch an Torhüterin Frederike Fürst liegt. Im Mittelfeld hat sich Katharina Sossna, die vor der Spielzeit aus Neu St. Jürgen nach Scharmbeckstotel gewechselt war, in kürzester Zeit akklimatisiert und ist aus dem zentralen Mittelfeld nicht mehr wegzudenken. Die Liste lässt sich über Spielerinnen wie Okka Saathoff, Jütte Apel oder Rieke Lauszus problemlos fortsetzen. Mit Pia Willer hat eine weitere enorm torgefährliche Akteurin in ihren bislang nur sieben Einsätzen gleich sechsmal getroffen. Und wenn man bedenkt, dass mit Jana Koehle und Lina Reichhart zwei ganz starke Spielerinnen bislang erst einmal zum Einsatz gekommen sind, wirkt die aktuelle Dominanz noch beeindruckender.
Mit sage und schreibe elf Punkten Vorsprung starten die ATSV-Fußballerinnen in die Oberliga-Aufstiegsrunde. Sechs Spiele sind noch zu absolvieren, drei Siege dürften am Ende schon reichen. Und dann? "Wir möchten uns natürlich gerne in der Oberliga etablieren", sagt Nils Menzel, dessen Tochter Leni mittlerweile ebenfalls in der Scharmbeckstoteler Jugend aufläuft – und praktisch bei jedem Spiel der Damen mitfiebert. Für Johanna Reiß ist dieses enge Miteinander der Schlüssel zum Erfolg. Die erste Damenmannschaft ist eng mit der zweiten Formation verbunden, zahlreiche Spielerinnen trainieren zudem Mädchen-Juniorenteams. Reiß selbst ist Trainerin der B-Jugend, die in dieser Saison ja sogar in der Niedersachsenliga spielt.
Beste Voraussetzungen, um den Mädchenfußball beim ATSV langfristig auf ein breites Fundament zu stellen. "Es wäre schön, wenn man in der ganzen Region irgendwann sagt: Wenn Du Mädchenfußball spielen willst, gehst Du am besten nach Scharmbeckstotel", sagt Nils Menzel, der mit seinem Trainerkollegen Frank Reichhart auch daran arbeitet, die Rahmenbedingungen zu professionalisieren. Einen neuen Online-Fanshop gibt es bereits, nun soll mittelfristig das Ambiente bei den Punktspielen aufgewertet werden. Menzel: "Es wäre natürlich schön, wenn wir noch mehr Zuschauer hätten, deshalb wollen wir das ganze hier zu einem Erlebnis machen."
Die Voraussetzungen scheinen jedenfalls optimal, der Zeitpunkt perfekt, denn das Spielerinnenmaterial ist vorhanden. Nun geht es darum, in den kommenden Monaten die Pflicht zu meistern, um dann ab Sommer in die Kür zu starten – und im kommenden Januar die nächste Skitour möglichst als etablierter Oberligist anzugehen. Apropos Skifahrt: Alle sieben Spielerinnen kamen gesund und munter zurück und freuen sich nun auf das erste Testspiel der Winter-Vorbereitung. Am Sonntag spielt der ATSV beim Bremer Verbandsliga-Spitzenteam TuS Schwachhausen (Anpfiff, 17.30 Uhr), in den Wochen danach stehen noch Spiele gegen die beiden Oberligisten SV Ahlerstedt/Ottendorf und FC Geestland an. Letzterer blieb in der bisherigen Oberliga-Spielzeit noch komplett ohne Gegentreffer. Spätestens dann werden die Gelb-Schwarzen also wissen, welches Tempo sie aufnehmen müssen, um auch eine Liga höher auf der Überholspur zu bleiben.