Garlstedt. Wer Christian Weiß besuchen möchte, kommt zuerst durch ein Stück Garlstedt, das wie ein Märchenwald anmutet: hohe Kiefern, hier und dort schwer zu durchdringendes Unterholz und Häuser wie jenes der Eltern von Hänsel und Gretel. Und dann, nur ein paar Hundert Meter weiter, steht das moderne Haus von Christian Weiß und seiner Familie. Das Grundstück ist groß, der Garten wirkt wohl gestaltet. Ein kleines Paradies. Gartenarbeit, sagt Christian Weiß beim Empfang an der langen Grundstückszufahrt, sei für ihn ein Hobby: „Das bringt einen runter.“ Er fügt an: „Hier lässt es sich gut leben.“
Drinnen im modern gestalteten Haus geht es geradeaus in die Küche – an diesem Morgen mit einem schon gedeckten Frühstückstisch. Den Besuch empfangen zwei Hunde: der 14-jährige Jerry und Grisu. „Der ist erst eineinhalb Jahre alt und hat noch viel Energie.“ In der Tat: Grisu ist außer Rand und Band und empfängt den Besuch mit freudigem Jaulen und heftig wedelnder Rute. Nach einigen ermahnenden Worten zieht Grisu erst einmal davon auf seinen Platz.
Hunde, Familie, Gartenarbeit – darauf alleine möchte sich Christian Weiß nicht konzentrieren. In der Freizeit sind ihm zwei weitere Sachen wichtig. Eines davon ist sein Engagement in der Ortsfeuerwehr Garlstedt. Noch mehr gibt sich Christian Weiß jedoch der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft, kurz DLRG, hin. Er ist Vorsitzender der Ortsgruppe Osterholz-Scharmbeck, die wiederum zum Bezirk Cuxhaven-Osterholz gehört. Rund 550 Mitglieder gehörten zur Ortsgruppe, 200 davon sind aktiv, aber in überschaubarem Rahmen. Jene DLRGler, die sich im Einsatzdienst und als Trainer in den Verband einbringen, nennt der Chef liebevoll „Hyperaktive“.
Christian Weiß bereitet seinem Besuch frischen Kaffee zu. Dabei geht’s um das Thema Wassersport. Wer nämlich Boot fahren möchte, benötigt einen entsprechenden Bootsführerschein: den für Binnengewässer und bei Bedarf auch den für Küstengewässer. Einen speziellen Schein braucht auch, wer mit den Fahrzeugen der DLRG unterwegs ist. „Das sind ja keine Sportboote, das sind Rettungsboote“, erklärt Christian Weiß, während er die Kaffeebecher auf den Tisch stellt.
Die Ausbildung ist nach den Sommerferien wieder losgegangen. Denn wie alle, hat der Lockdown im Frühjahr auch die DLRG in jedweder Hinsicht ausgebremst: keine Bootsführerschein-Ausbildung, keine Seepferdchen- und Schwimmabzeichen-Gruppen für Kinder und Jugendliche, keine Freizeiten. Da habe die DLRG einiges aufzuholen. „Die Seepferdchen-Warteliste war vor Corona schon ein Jahr lang. Jetzt ist es so, dass wir Seepferdchen gar nicht abarbeiten können“, erläutert der DLRG-Chef die Lage, während er sich ein Brötchen aufschneidet und mit Fleischwurst belegt. Der Grund für die Misere: Die Seepferdchen-Kurse finden im Allwetterbad Osterholz-Scharmbeck statt. Dort lassen sich jedoch die Abstandsregeln nicht einhalten. Und gerade bei der Seepferdchenausbildung könnten die Trainer auf den näheren Kontakt zu den Kindern nicht verzichten.
Nottraining in Corona-Zeiten
Einen Ausweg haben die DLRG- und Allwetterbad-Verantwortlichen gemeinsam gefunden, auch wenn sich die Gruppen wie vor Corona nicht mehr anbieten lassen. Christian Weiß sagt: „Wir haben jetzt ein Nottraining.“ Jetzt seien aufgrund der Coronaregeln maximal 70 Kinder und Erwachsene im Allwetterbad zugelassen. Immerhin: Die Taucher können auch an den Ohlenstedter Quellseen trainieren. Dort übernimmt die DLRG in den Sommermonaten regelmäßig auch den Wasserrettungsdienst. Zudem kooperiert die Ortsgruppe eng mit den Bremern, „um den Kopf unter Wasser zu kriegen“, wie Christian Weiß es umschreibt.
Während er sich um Kaffeenachschub kümmert, erläutert der DLRG-Chef die Herausforderung für die Einsatztaucher. Um überhaupt dieser verantwortungsvollen Aufgabe nachgehen zu können, müssten sich die Frauen und Männer einmal jährlich ärztlich untersuchen lassen. Um den entsprechenden Befähigungsschein zu bekommen, seien überdies zehn Tauchgänge an der Leine notwendig. „Wer sich heute für die DLRG entscheidet, kann nicht morgen tauchen“, sagt Christian Weiß, „die Ausbildung dauert ein Jahr.“
Sechs Brötchen und diverse Kaffeetassen später steht noch die Frage nach der DLRG in fünf oder zehn Jahren im Raum. Dazu hat Christian Weiß eine klare Antwort: „Wir haben ja das Glück, dass es immer Leute gibt, die das Schwimmabzeichen machen.“ Zudem sei die DLRG in der glücklichen Lage, mit Bootfahren, tauchen und Sanitätsdienst und Jugendaktivitäten ein interessantes Freizeitangebot zu machen. Dass es auch in Zukunft dabei bleiben wird, daran hat Christian Weiß keine Zweifel.