Osterholz-Scharmbeck. Der Frust musste raus, und zwar lautstark. Thorsten Westphal ließ all seiner Enttäuschung freien Lauf, brüllte sich kurz nach dem Abpfiff im Mannschaftskreis den Frust von der Seele über diese 1:2 (1:1)-Niederlage im Gipfeltreffen der Fußball-Bezirksliga Lüneburg 3. Und jeder, wirklich jeder, der rund 250 Zuschauer konnte verstehen, warum. Denn der VSK Osterholz-Scharmbeck hatte ein Spiel gegen den FC Hambergen verloren, in dem das Westphal-Team lange Zeit Herr im Ring war.
"Die erste Halbzeit war nahe an der Perfektion", sagte der VSK-Coach hinterher. Und doch feierten am Ende die Gäste den Derbysieg. Weil die "Zebras" der spielerischen Wucht des VSK mit einer bedingungslosen Laufbereitschaft begegneten – und weil sie mit Nils Sievert einen Keeper im Tor stehen hatten, der an diesem Nachmittag über sich hinauswuchs. Aber der Reihe nach.
Die Partie begann mit einem Paukenschlag. Acht Minuten waren erst gespielt, da führten die Gäste bereits. Einen Freistoß aus dem Halbfeld drehte Tim Denker Richtung zweiten Pfosten, VSK-Torwart Malte Vollstedt konnte den Ball nur nach vorne abklatschen lassen, Steffen Kaluza war im Nachsetzen zur Stelle. Es war der perfekte Start für die Rot-Weißen, die fortan das Zentrum dichtmachten und ihre schnellen Außen Luca Heißenbüttel und Keno Liebschner auf die (Konter-)Reise schicken wollten. Allein: Dazu kamen die Hamberger so gut wie gar nicht mehr.

Steffen Kaluza
Denn die Hausherren übernahmen nun – unbeeindruckt von dem frühen Rückstand – klar das Kommando und ließen den Ball in höchstem Tempo durch die eigenen Reihen laufen. Bis auf eine gute Liebschner-Chance hatten die Gäste keine nennenswerte Offensivaktion mehr. Anders der VSK, der nur eine Minute nach dem 0:1 einen Lattenkopfball von Dennis Knecht verzeichnete. Es folgte eine gute Möglichkeit von Karim Kanafani, ehe Juri Kiekhöfer Hambergens Innenverteidiger Garrit Hamdy spielend leicht überlief und von diesem zu Fall gebracht wurde.
Den vollkommen berechtigten Strafstoß verwandelte Hussain Taha sicher zum hochverdienten 1:1-Ausgleich (37.). Kanafani hätte nach einer fantastischen Flanke von Jarno Schnieders völlig freistehend per Kopf das 2:1 machen können, verzog aber deutlich. Das Westphal-Team hatte die Partie nun klar im Griff und erhöhte das Tempo nach Wiederanpfiff sogar noch einmal. Es schien, als wollte der VSK den FC Hambergen nun mit aller Macht überrollen – doch dieser hielt mit absoluter Leidenschaft und Torwart Nils Sievert stand.
Mit einer strittigen Entscheidung kippte das Spiel dann aber plötzlich. Schnieders kam gegen Liebschner zu spät und holte diesen im Strafraum von den Beinen, der VSK hatte Glück, dass die Pfeife des ansonsten gut leitenden Daniel Ballin stumm blieb. Und trotzdem veränderte sich nun die Statik der Partie. Der VSK konnte die hohe Laufintensität nicht mehr halten und verlor nach und nach die Ordnung im Zentrum. Jetzt wurde es ein offener Schlagabtausch.
Vollstedt klärte vor dem einschussbereiten Liebschner, Sievert hielt gegen Hussain Taha und Jan Brinkmann ebenso bravourös. Dann war wieder Hambergen dran in Person von Frederik Nagel. Und schließlich kam der Moment von Keno Liebschner. Über Kevin Prigge und Frederik Nagel gelangte der Ball zum Topstürmer der Liga und dieser ließ Malte Vollstedt keine Chance (72.). Der VSK antwortete mit wütenden Angriffen, ein Taha-Schuss wurde von Thilo Röper beinahe ins eigene Netz abgefälscht. Die größte Chance zum 2:2 bot sich dann aber Karim Kanafani, der völlig freistehend zu lange mit dem Abschluss wartete (79.).
Kurz danach forderte der Anhang des VSK Osterholz-Scharmbeck lautstark Elfmeter, und in der Tat hätte Schiedsrichter Ballin auch bei der Aktion des eingewechselten Routiniers Jorit Bierwald gegen Louis Melzer pfeifen können. So ging die Begegnung mit einer unglaublichen Spannung in die sechsminütige Nachspielzeit, in der die Hamberger den Vorsprung aber mit letzter Kraft ins Ziel brachten – und sich nach dem Schlusspfiff erst einmal wieder sammeln mussten, um überhaupt Kraft für den anschließenden Jubel zu haben.
"Das war ein unglaubliches Spiel", sagte Hambergens Trainer Julian Gelies nach der Partie. "Die Emotionen und Freude über diesen wichtigen Sieg sind gerade kaum in Worte zu fassen. Hier standen 22 tolle Fußballer auf dem Feld, wobei man fairerweise sagen muss, dass nicht das fußballerisch bessere Team gewonnen hat. Das war absolut beeindruckend, was der VSK hier spielerisch gezeigt hat." Und auch Thorsten Westphal hatte eine Stunde nach Spielende seinen größten Frust verdaut und schickte seinem Team ein großes Lob hinterher: "Das war fußballerisch eine Machtdemonstration, aber wir haben uns für nicht belohnt."